Neuauflage der HoGeSa-Demo in Köln: Sind anschließend alle wieder überrascht?

Update 29.09.2015

Der WDR berichtet, dass die Hogesa-Demonstration polizeilich verboten worden ist. Die Gegendemonstration ist davon nicht betroffen – wir müssen dennoch Zeichen setzen.

Artikel vom 17.09.2015

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„Du bist wirklich saudumm, darum geht’s dir gut.
Hass ist deine Attitüde, ständig kocht dein Blut.
Alles muss man dir erklären, weil du wirklich gar nichts weißt.
Höchstwahrscheinlich nicht einmal, was Attitüde heißt!“
Die Ärzte: „Schrei nach Liebe“

Zum Jahrestag der gewalttätigen Demonstration mit dem Namen „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln ist erneut eine Demonstrationsanmeldung aus dem gleichen politischen Spektrum vorgenommen worden. Für den 25.10.2015 wird mit dem Motto „Der gleiche Ort – Die gleiche Demoroute – Die gleiche Uhrzeit – Köln 2.0“ zu einem Aufmarsch aufgerufen. In Nazi- und Hooligankreisen wird eifrig für eine Wiederholung der Randale des letzten Jahres geworben.

Vergangenes Jahr waren etwa 5000 Holigans und Nazis in der Kölner Innenstadt aufmarschiert und konnten nahezu ungestört randalieren, Menschen bedrohen, Polizeifahrzeuge umwerfen, den Hitlergruß zeigen und rassistische und menschenverachtende Parolen brüllen. Diese Form von Zusammenarbeit von Hooligans und Neonazis hatte eine neue Qualität erreicht. Die Polizei war sichtlich überfordert und unterbesetzt – eine angemessene Aufarbeitung durch Polizei und Landesregierung fand bislang nicht statt.

Die HoGeSa-Demonstration war das Signal für eine bundesweite Kette von Folge-Demonstrationen, aus denen sich Pegida und andere fremdenfeindliche Bewegungen entwickelten. Angriffe auf Flüchtlingsheime wurden zu täglichen Nachrichtenbildern.

Dieses fatale Signal darf sich nicht wiederholen. Die braunen Horden dürfen nicht nahezu ungehindert in den Straßen Kölns randalieren. Die Landesregierung muss rechtzeitig einschreiten und alle angemessenen, möglichen Maßnahmen ergreifen.

Es wäre unerträglich, wenn die Landesregierung erneut von Größe und Aggressivität der Demonstration überrascht wird. Daher habe ich eine kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet, in der ich ihr folgende Fragen stelle:

  1. Auf welche Teilnehmerzahlen der neuen HoGeSa-Demonstration in Köln richtet sich die Landesregierung ein?
  2. Welche konkreten Vorbereitungen ergreift die Landesregierung? Gehen Sie darauf ein, wie Sie konkret Ausschreitungen und volksverhetzende Parolen unterbinden wollen.
  3. Welche Anzeichen sieht die Landesregierung, dass es erneut zu Gewalt kommen wird?
  4. Welche Auflagen werden für die Demonstration erteilt bzw. vorgesehen?
  5. Welche Bedingungen müssen in diesem konkreten Fall eintreten bzw. erfüllt werden, damit diese Demonstration untersagt bzw. aufgelöst werden kann? Gehen Sie darauf ein, inwieweit solche Bedingungen bereits erfüllt sind bzw. bei der Demonstration vergangenes Jahr eingetreten waren.

Hoffen wir, dass die Polizei diesmal besser vorbereitet ist, und dass die Demonstration, sobald sie aus dem Ruder läuft, unterbunden wird. Vielleicht trägt ja meine kleine Anfrage etwas dazu bei.

Selbstverständlich wird es auch wieder Gegendemonstrationen geben! Das Bündnis „Köln gegen Rechts“ mobilisiert unter dem Titel „Kein Comeback von HoGeSa“. Kommt zahlreich!

Wir brauchen eine #Glasfaser-Strategie für unser Land

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Die Versorgung mit schnellem Internet ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Der Bundesgerichtshof hat Breitband-Internet sogar zu den materiellen Lebensgrundlagen gezählt. Doch der Ausbau mit schnellem Internet stockt. Eine staatliche Förderung muss also her, um diese Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge zu erfüllen. Doch wie macht man das richtig?

Wir hören in der Debatte permanent das Argument von der Technologieneutralität: Breitband-Ausbauförderung müsse technologieneutral sein, heißt es. Das Argument hörte ich zum Beispiel letzte Woche im Wirtschaftsausschuss im Landtag.

Wenn man dem Landwirt das Futter für die Ochsen subventioniert, die der dann vor den Pflug spannt, dann das ist technologieneutral: Auch so ein Ochsengespann erfüllt die vorgesehene Aufgabe, denn damit kann man das Feld umpflügen. Ist das sinnvoll? Sollte es nicht eher bei so einer Förderung – jetzt hier im Beispiel – um moderne Traktoren gehen?

Förderung soll nicht technologieneutral sein, Förderung muss technologiepositiv sein. Es geht nicht darum, etwas zu fördern, was das Ausbauziel gerade so erreicht – es geht um die nachhaltige Erfüllung eines Auftrages, um eine Zukunftsvision. Das stellt aber das Koaxialkupferkabel nicht dar, das ist nun mal die Technologie aus den 90er Jahren.

Uns steht der Sprung in die Gigabit-Gesellschaft bevor. Der Bedarf an Bandbreite wächst exponentiell: Derzeit kann man etwa alle 12 Monate eine Verdoppelung des Bandbreitenbedarfs beobachten. Das ist eine Exponentialfunktion, die wächst dramatisch. Man kennt die Folge: Im ersten Jahr eine Verdoppelung, im Jahr danach eine Vervierfachung, dann 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512 und so weiter und so weiter.

Eine ganz ähnliche Wachstumskurve gibt es zum Beispiel bei Prozessorleistungen – das sogenannte Moore’sche Gesetz besagt, dass sich Prozessorleistung alle etwa 18 Monate verdoppelt. Diese Beobachtung kann man bereits seit 40 Jahren machen – man sollte also besser nicht davon ausgehen, dass dieses dramatische Wachstum bei den Bandbreiten nicht ebenfalls anhält. An den mathematischen Gesetzmäßigkeiten von Exponentialfunktionen führt nun mal kein Weg vorbei.

Was also stellt ein Ausbauziel von 50 Mbit/s dar, wie es sich die Landesregierung gesetzt hat? Gehen wir von einem Ausbaustand von 4 Mbit/s aus, was bedeutet dann so ein Ziel ganz konkret? 4-8-16-32-64: Nach 4 Jahren reicht ein solcher Ausbau also absehbar nicht mehr aus. Was macht es also für einen Sinn, die Fördermittel der nächsten Jahre in eine Technologie zu stecken, die das Förderende nicht mal überlebt, zum Beispiel in VDSL-Vectoring? Dann stehen wir 2020 wieder genau da, wo wir jetzt sind. So leid mir das tut: Nur Glasfaser ist diejenige Technologie, die diese Zukunftsvision derzeit erfüllt – und wenn wir eine bessere finden, dann fördern wir diese.

Solange brauchen wir eine Glasfaser-Strategie, die zum Ziel hat, Glasfaser bis in jedes Haus, bis in jedes Unternehmen zu legen. In Deutschland ist Schleswig-Holstein mit einer Anschlussquote von 23 % Glasfaser-Vorbild. In NRW sind es dagegen aktuell nur 7 %. Für Einzellagen bieten sich Funklösungen an. Vectoring, das Ausquetschen der letzten Bits aus dem Kupferkabel ist eine Brückentechnologie, das kann der Markt leisten.

Und es macht keinen Sinn, das Geld den Monopolisten hinterherzuwerfen, damit diese sich herablassen, gnädigerweise die Infrastruktur auszubauen: Wenn öffentliche Mittel in diesen Summen in die Hand genommen werden, dann gehört das Ergebnis, gehört das damit geschaffene Netz, die damit geschaffenen langfristigen Infrastrukturwerte auch in Bürgerhand. Daher bevorzugen wir entsprechende Betreibermodelle. Am besten durch OpenAccess-Modelle, die sich langfristig selbst refinanzieren.

An sinnvollen Lösungen mangelte es also nicht: Sie sind technisch ausgereift und es gibt genügend überzeugende Referenzmodelle. Sie sind finanzierbar und fürs Gemeinwesen weitaus vorteilhafter als alles, was der politische Wettbewerb so vorschlägt.

Bei Politik geht es um Visionen, und nicht um Verwaltung des Status Quo. Technologie kann unser Leben zum Besseren wenden – wenn man sie denn gestaltet, und nicht nur reagiert. Doch leider verweigert sich die Realpolitik, angesichts der vorgebrachten Kritik steckt man den Kopf lieber in den Sand. Doch noch ist es nicht zu spät, ich hoffe, dass man sich von den besseren Argumenten leiten lässt.

Wir haben für das aktuelle Plenum einen Antrag eingereicht:
Ohne Glasfaser-Strategie verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft

Wer kümmert sich um Netzneutralität im Land NRW?

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Seit dem lezten Landesmediengesetz NRW (LMG NRW), das die Piraten mit Rot-Grün gemeinsam beschlossen haben, gehört es zu den Aufgaben der Landesanstalt für Medien in NRW, sich mit den relevanten Fragen der Netzneutralität in unserem Land zu befassen. Sie soll dazu forschen, und sie kann sogar „Maßnahmen zur Sicherstellung der Netzneutralität treffen“, so §88 (3) Satz 4 des LMG.

Die Landesanstalt für Medien (LfM) ist die unabhängige Aufsichtsinstitution für den privaten Rundfunk, mittlerweile aber auch für die sogenannten Telemediendienste, damit sind dann Angebote im Internet gemeint. Dazu gehört zum Beispiel der Jugendschutz und die Impressumspflicht, aber auch die Förderung der Medienkompetenz. Hier leistet sie wertvolle Arbeit in einer Fülle von Projekten und Angeboten, ein Blick auf die Webseite der LfM lohnt sich. Deswegen machte es Sinn, die Fragestellung der Netzneutralität, soweit es medienpolitische Betrachtungen betrifft (und nicht alleine das Wettbewerbsrecht), auch bei der LfM anzusiedeln.

Die LfM selbst wird durch die Rundfunkbeiträge finanziert und ist staatsfern. Sie wird gesteuert durch die Medienkommission, ein Gremium, in welchem (ähnlich wie beim Rundfunkrat beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk) gesellschaftliche Gruppen repräsentiert sind – auch die Parteien, aber nur in einer geringen Anzahl. Für die Piratenpartei bin ich das entsandte Mitglied.

Im „Ausschuss für Medienentwicklung und Medienordnung“ wurde eine Resolution zur Netzneutralität entwickelt. Ich bin Mitglied dieses Ausschusses, und konnte dort eine Verschärfung der Ablehnung von Zero-Rating und Spezialdiensten erreichen.

Netzneutralität ist der Grundsatz, dass alle Daten im Internet durch den Provider gleich behandelt werden müssen. Der Internet-Provider ist nämlich in einer Monopolsituation: Er kann im Grunde entscheiden, welche Daten durchgelassen werden, und welche nicht durchgelassen bzw. welche verlangsamt werden. So könnte er Einfluss auf die Meinungsbildung nehmen, oder den Wettbewerb der Anbieter im Netz beeinflussen – damit er das nicht tut, gilt der Grundsatz der Netzneutralität. Man stelle sich vor, die Deutsche Post dürfte die Zustellung der einen Zeitung beschleunigen, die der anderen verzögern oder gar einstellen, um beispielsweise Zusatzbeiträge zu kassieren. Das wäre wettbewerbswidrig.

Doch auch das sogenannte Zero-Rating ist grundsätzlich problematisch: Gemeint ist ein Dienst, dessen Traffic nicht auf das Internet-Kontingent des Nutzers einer Internetverbindung angerechnet wird. Die Telekom hat beispielsweise einen entsprechenden Vertrag mit dem Musikanbieter Spotify. Dass andere Musikanbieter damit benachteiligt werden, und dass auch die publizistische Freiheit beeinträchtigt sein kann, wenn bestimmte Musikstile bevorzugt sind, ist eigentlich offenbar. Dennoch ist diese Praxis bislang nicht verboten.

Ein weiteres Problem stellen die sogenannten Spezialdienste dar. In der öffentlichen Diskussion wird immer angedeutet, dass es bevorzugte Dienste außerhalb des „freien Internets“ geben solle, die bevorzugt transportiert werden müssen. Als Argument wird Telemedizin, also beispielsweise eine Operation über das Internet angeführt, oder das fahrerlose, sensorgesteuerte Auto, welches seine Kollisionsinformationen über das Internet bekommen können müsse.

Doch das sind Scheindebatten: Ein Auto wird sich stets nur aufgrund der eigenen Sensoren durch den Verkehr bewegen, denn jeder weiß, dass das mobile Internet auch mal abbrechen kann, zum Beispiel in Häuserschluchten, Tunneln, oder in abgelegenen Gegenden. Und dann darf auch so ein Auto nicht zur Gefahr im Verkehr werden. Die Verkehrsinformationen sind auf bevorzugte Behandlung nicht angewiesen, da kommt es auf einige Sekunden nicht an. Auch eine Tele-Operation kann man über das freie Internet nicht ausführen. Dafür braucht es nämlich spezielle, ausfallgesicherte Verbindungen – alles andere wäre fahrlässige Körperverletzung.

Dennoch wird an diesen Spezialdiensten festgehalten, obwohl es kein überzeugendes Beispiel für die Notwendigkeit einer solchen Bevorzugung gibt. Auf europäischer Ebene, wo die Netzneutralität gerade diskutiert wird, sind daher Ausnahmen für Spezialdienste vorgesehen, und es ist das Zero-Rating nicht verboten. Wir sehen das kritisch, und auch die LfM hat eine entsprechende Positionierung in ihrer Resolution zur Netzneutralität getroffen. Ich konnte im Ausschuss dafür sorgen, dass sie deutlich formuliert wurde.

Das Positionspapier zur Netzneutralität findet man hier:

Die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) setzt sich für die gesetzliche Sicherung von Netzneutralität ein. Netzneutralität muss umfassend gewährleistet werden, um den diskriminierungsfreien Zugang zu meinungsbildenden Inhalten und eine plurale Medienlandschaft zu garantieren. Die LfM fordert die Überarbeitung der Verordnung zur Netzneutralität und seiner Erwägungsgründe in folgenden Punkten:

a) Spezialdienste müssen noch klarer und enger definiert werden, um zu vermeiden, dass sich finanzstarke Anbieter Überholspuren im Internet kaufen können. Ausnahmen für Notdienste sind vorstellbar, aber nicht für Luxusangebote. Es muss eine noch klarere Abgrenzung zum offenen Internet erfolgen. Dafür sollten insbesondere in den Erwägungsgründen unmissverständliche Auslegungsgrenzen für die Begriffe „notwendig“ und „generell“ in Art. 3 Abs. 5 vorgesehen werden.

b) Das Best Effort-Prinzip sowie ausreichende Kapazitäten (in Abgrenzung zu den Spezialdiensten) müssen bei der Übertragung von Inhalten im offenen Internet garantiert und überwacht werden, um zu vermeiden, dass Provider einen zu großen Einfluss auf das Verkehrsmanagement nehmen können. Datenverkehrsmanagement darf außerdem nur aus technischen und nicht aus kommerziellen Gründen erfolgen.

c) Zero Rating ist grundsätzlich problematisch. Soweit es telekommunikationsrechtlich zulässig ist, darf es allerdings nicht in den publizistischen Wettbewerb eingreifen. Daher müssen alle publizistischen Angebote vom technischen Anbieter gleich behandelt werden. Für alle Inhalteanbieter müssen die Nutzungsbedingungen von Zero Rating transparent sein; die wirtschaftlichen Bedingungen dürfen nicht ausschließen, dass auch kleinere Anbieter dabei partizipieren können.

d) Inhalteregulierer, in Deutschland also die Landesmedienanstalten, sollten neben der Bundesnetzagentur Mitspracherechte bei der Regelung und Sicherung von Netzneutralität erhalten, um zu vermeiden, dass Netzneutralität ein rein technisches Thema bleibt. Dies sollte staatsvertraglich abgesichert werden.

Ich hätte mir die Resolution gerne eindeutiger gewünscht: Für mich ist klar, dass Zero-Rating gegen die Netzneutralität verstößt, und daher untersagt werden sollte, und dass es Spezialdienste ebenfalls nicht geben kann, ohne dass damit ebenfalls die Netzneutralität umgangen wird. Doch diese Formulierung ist schon recht deutlich gegenüber der laxen Haltung der EU-Kommission. Durch die geforderte Konkretisierung der Anforderungen an Spezialdienste wird hoffentlich deutlich, dass dies kein Dienst erfüllen kann.

Und ja, eine Regelung der Netzneutralität auf Bundeslandebene ist natürlich auch keine Lösung, sowas muss mindestens auf Europaebene wirksam geregelt werden. Aber da die Zeichen derzeit nicht auf eine zufriedenstellende Regelung in Europa stehen, ist das bei uns in NRW wenigstens ein Anfang.

Passend dazu gibt es einen Antrag für das Plenum im Landtag NRW: Netzneutralität ist zum Abschuss freigegeben: Pläne von EU-Kommissar Oettinger lassen das freie und offene Internet sterben. Der Antrag wird am 3. September gegen 19 Uhr im Plenum NRW beraten.

Antrag: Journalismus ist kein Landesverrat

Update 27.08: Das Thema ist nicht kalt: Bundesregierung wusste sehr viel früher von #Landesverrat-Ermittlungen als bekant.
Update 26.08: Begründung der Ablehnung dieses Antrages durch die Fraktion nachgetragen, siehe unten.

Der Vorwurf des Landesverrats gegen die Netzpolitik.org-Journalisten Andre Meister und Markus Beckedahl war der netzpolitische Aufreger dieses Sommers. Dieses Vorkommnis reiht sich ein in eine Folge mehrerer formaler Angriffe auf Journalismus, die auch mit Marken- und Urheberrecht begründet wurden.

Presse- und Meinungsfreiheit sind die Grundpfeiler unserer Demokratie. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn staatliche Stellen mit Mitteln des Strafrechtes, des Marken- oder Urheberrechtes unliebsame Meinungen und unerwünscht öffentlich gewordene Information unterdrücken oder Journalisten einschüchtern.

Ich fand es wichtig, dass wir politische Konsequenzen auch auf Landesebene fordern, da solche Vorkommnisse auch bei uns im Land belegt sind, und auch Landesbehörden in solche Fälle involviert sind:

Journalismus ist kein Landesverrat: Angriffe auf die Pressefreiheit mit Mitteln des Strafrechts, des Marken- oder Urheberrechts sind zu unterlassen!

 
I. Ausgangslage

Die Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister der netzpolitischen, journalistischen Plattform „netzpolitik.org“ sind Ziel eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts auf Landesverrat geworden. Die Leitung des Bundesamts für Verfassungsschutz hatte eine entsprechende Anzeige an den damaligen Generalbundesanwalt Range gegen unbekannt erstattet, und im Begründungstext die beiden Journalisten und auch die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses benannt. Beckedahl und Meister hatten Auszüge aus als „nur für den Dienstgebrauch“ als Verschlusssache gekennzeichneten Unterlagen veröffentlicht. Die genauen Umstände, welcher Teil der Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt Kenntnis hatte oder Einfluss auf diese Ermittlungen nahm, sind derzeit Gegenstand parlamentarischer Befragungen. Das Verfahren selbst wurde zwischenzeitlich eingestellt.

Auch die Funke-Mediengruppe aus Essen hatte Auszüge aus als „VS – nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten, parlamentarischen Unterlagen veröffentlicht. Auf den Webseiten der WAZ waren Unterrichtungen über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr veröffentlicht. Der Verlag sah sich mit Urheberrechtsansprüchen des Bundesverteidigungsministeriums konfrontiert, und hat kürzlich nach einem Rechtsstreit die Unterlagen schließlich offline nehmen müssen.

Das NRW-Innenministerium hat dem Blog „netzpolitik.org“ noch im Juni dieses Jahres eine markenrechtliche Abmahnung geschickt. Dieser hatte in einem Beitrag über die Verwendung von stillen SMS durch die Polizei nach einer Anfrage durch die Piratenfraktion ein Bild mit dem Logo des „Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste“ verwendet. Verbunden war die Nachricht mit einer Fristsetzung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie der Drohung, die Angelegenheit durch Einschaltung eines Anwalts weiter eskalieren zu lassen.

Pressefreiheit ist eines der höchsten Güter jeder Demokratie, und ein unverzichtbares Korrektiv bei Missständen und Fehlentwicklungen gerade auch im öffentlichen Sektor. Die Publikation auch von missliebigen, unangenehmen und kritischen Beiträgen ist Teil der Meinungsfreiheit und darüber hinaus zur Meinungsbildung erforderlich. Wenn von staatlichen Stellen Druck auf Journalisten aufgebaut wird, der nicht auf inhaltlichen (also beispielsweise bei Falschaussagen), sondern auf formalen juristischen Gründen beruht, ist das inakzeptabel.

Aufgabe der freien Presse ist es, Informationen von öffentlichem Interesse auch dann frei verteilen zu können, wenn die Veröffentlichung ein schlechtes Licht auf staatliche Stellen wirft – eine Kennzeichnung als „vertraulich“ oder „geheim“ darf diesen Grundsatz nicht aushebeln.

Mittel des Marken- oder Urheberrechts bei der Veröffentlichung missliebiger Unterlagen oder unangenehmer Informationen anzuwenden, um diese aus dem Internet entfernen zu lassen, ist Missbrauch dieser Rechte. Es ist fraglich, ob eine staatliche Stelle überhaupt das Mittel des geistigen Eigentums gegen Journalisten einsetzen können sollte, wenn es sich nicht um kommerziell verwertete Unterlagen des Staates, sondern um normale Berichterstattung handelt, schnell wird sonst die Grenze zur Zensur überschritten. Grundsätzlich sollte eine staatliche Stelle das Urheber- und Markenrecht für alle ihre Dokumente nicht geltend machen, wenn nicht genau darin ein Einnahmeinteresse besteht, und dieses sollte dann auch schwerwiegend sein. Für parlamentarische Protokolle und Unterlagen gilt das ganz sicher nicht.
Strafrechtliche Ermittlungen gegen Journalisten wegen des Verrates von „Staatsgeheimnissen“ einzuleiten, ist jedoch ein derartig weitreichender und einschüchternder Vorgang, dass hierauf grundsätzlich verzichtet werden sollte: Journalisten sind regelmäßig nur Mittler von Informationen und damit im Dienste der Öffentlichkeit tätig.

II. Der Landtag stellt fest:

1. Journalismus ist kein Landesverrat. Strafrechtliche Ermittlungen wegen Landesverrates gegen Journalisten, die ihrer Informationsaufgabe nachkommen, sind als Maßnahme vollkommen überzogen.
2. Presse- und Meinungsfreiheit gehören zu den höchsten Gütern der Demokratie. Ein Geheimhaltungsinteresse des Staates steht nicht über dem Interesse der Öffentlichkeit auf Aufklärung sowie der Pressefreiheit.
3. Zensur missliebiger Informationen durch formale Mittel, beispielsweise durch die des Marken- oder Urheberrechtes, ist abzulehnen.
4. Veröffentlichungen und Journalismus sollen allenfalls aufgrund von inhaltlichen Maßstäben, also beispielsweise bei Falschaussagen, ergänzt oder richtiggestellt werden. Dazu ist das jeweils geringstmögliche rechtliche Mittel einzusetzen, und auf Bedrohungen, Abmahnungen und kostenpflichtigen Anwaltseinsatz etc. möglichst zu verzichten.
5. Staatliche Stellen sollen auf marken- und urheberrechtliche Maßnahmen gegen Journalisten und im Hinblick auf Inhalte des Internet vollständig verzichten, wenn kein eigenes Einnahmeinteresse damit berührt ist.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. Auf marken- und urheberrechtliche Maßnahmen gegen Journalisten und im Internet vollständig zu verzichten, wenn durch die Veröffentlichung keine eigenen Einnahmeinteressen des Landes betroffen sind.

2. Alle eigenen und selbsterstellten Unterlagen und Materialien überall wo möglich grundsätzlich unter einer freien Lizenz zur Verfügung zu stellen, um deren freie Nutzung allen – auch Journalisten – zu erlauben. Das sollte auch Dienstlogos umfassen.

 
Leider hat die Fraktion mehrheitlich beschlossen, diesen Antrag nicht einzureichen. Die entsprechene Begründung ist Teil der Fraktionssitzung gewesen, die kann man hier nachsehen (ab 47:23), macht Euch bitte selbst ein Bild. Das Pad zur Fraktionssitzung findet sich hier (ab Zeile 177).

Das Argument, der Antrag sei eine halbe Stunde verfristet intern eingereicht, ist zwar formal zutreffend – mir sei jedoch die Anmerkung erlaubt, dass bislang über alle vor der Sitzung eingereichten Anträge auch abgestimmt worden ist, selbst wenn sie erst am Dienstag mittag Minuten vorher, oder gar nur als Papiervorlage während der Sitzung vorlagen. Meine Abwesenheit zu der Sitzung war im Vorfeld bekannt und begründet entschuldigt. Der zuständige Referent war eingebunden, und der NRW-Bezug ist hergestellt, da u.a. das NRW-Innenministerium das Markenrecht bereits bemüht hat. Über das Argument, das Thema sei nicht aktuell, kann man vermutlich streiten (jedenfalls war das der Aufreger des Sommers, und die Afghanistan-Papiere sogar Pressemitteilungen der Fraktion wert). Immerhin bleiben die Grünen am Thema dran.

Insgesamt sind Ablehnungen aus formalen Gründen bei internenen Anträgen bislang unüblich gewesen, sondern sie wurden inhaltlich bewertet. Das ist hier leider unterblieben. Dass möglicherweise persönliche Animositäten zu dieser formalistischen Ablehnung geführt haben, finde ich ganz besonders traurig.

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Der Konvent kuscht: Ein Gefallen für den Koalitionspartner

Foto: Arne Müseler / arne-mueseler.de  Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Foto: Arne Müseler / arne-mueseler.de
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist am 27.06. in der Tageszeitung „neues deutschland“ in der Rubrik „Meinung“ erschienen.

Vergangenen Samstag hat der SPD-Parteikonvent den Antrag der Parteispitze zur Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten in Deutschland mehrheitlich angenommen. Hinter verschlossenen Türen berieten 250 Delegierte über die Zukunft der Privatsphäre in Deutschland, während die versammelte Presse vor den Türen, und wir alle vor den Fernsehgeräten mit Phoenix-TV-Programm warteten.

Der Parteivorsitz hatte sich zuvor eindeutig für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen: Nur zwei der 35 Führungsmitglieder stimmten letztlich dagegen. Ganz anders die Parteibasis: Über 100 Gliederungen der SPD, darunter 11 Landesverbände, hatten sich gegen die Vorratsdatenspeicherung positioniert. Widerspruch kam von SPD-Netzpolitikern. Auch aus der Jugendorganisation der SPD rumorte es gewaltig.

Gabriel und Fahimi holten die große Keule der „Regierungsfähigkeit“ heraus, Rücktrittsdrohungen standen im Raum, und auf dem Konvent wurden Kritiker und Befürworter in geschickter Reihenfolge orchestriert: Und der Konvent kuschte. Letztlich sprachen sich 124 der Delegierten für, 88 gegen den Vorstandsantrag aus. Mit knapp 60% setzt die SPD ihre Beschlusslage auf Bundesebene Pro Vorratsdatenspeicherung fort. Überraschend ist das also im Grunde nicht.

Große Keulen geschwungen

Es wackelt der Schwanz mit dem Hund: Wie kommt es, dass die Delegierten all dieser SPD-Gliederungen entgegengesetzt stimmen? Wenn sich sämtliche politischen Schwergewichte eindeutig positionieren, so sorgt das offenbar in der offenen Abstimmung für Eindruck. Womöglich hat aber auch das Dauerfeuer polemischer Argumentation für Überwachung zu langsamer Gehirnerosion geführt. So twitterte der baden-württembergische SPD-Innenminister Reinhold Gall am Abend nach der Abstimmung: „Ich verzichte gerne auf vermeintliche Freiheitsrechte wenn wir einen Kinderschänder überführen“ (Das Komma fehlt bereits im Original). Sehr schön ist erkennbar, wie nachhaltig erfolgreich die unbewiesene Behauptung ist, Vorratsdatenspeicherung würde Kinderleid verhindern, ebenso wie das Mantra, man müsse auf Freiheiten verzichten, um Sicherheit zu gewinnen. Es traut sich offenbar niemand, diese Behauptungen zu hinterfragen – wenn man sich dann im Ruf eines Kinderschänderfreundes wiederfinden muss.

Schmallippig diktiert der Bundesvorsitzende auf der Pressekonferenz kurz nach der Abstimmung den Journalisten in den Block, dass Freiheit und Sicherheit sich nicht ausschließen – und das unmittelbar nach den Diskussionen, die gerade das eine gegen das andere erfolgreich ausgespielt haben. Angesprochen auf die Terroranschläge von Paris weist er darauf hin, niemals die Vorratsdatenspeicherung in diesem Fall angeführt zu haben, die in Frankreich bestand und die ganz offensichtlich keinen Beitrag zur Verhinderung dieser Taten leistete. Leider spricht ihn keiner der anwesenden Journalisten auf den Anschlag durch Anders Breivik an, zu dem Gabriel schon mehrfach behauptete, die Vorratsdatenspeicherung wäre in diesem Fall erfolgreich gewesen, obgleich sie in Norwegen technisch zu diesem Zeitpunkt gar nicht umgesetzt war, also keinen Beitrag geleistet haben kann.

Linke Positionen ohne Not geräumt

Derweil ist es seitens der CDU auffallend still: Weder wurde vorher erkennbar Druck auf den Parteikonvent ausgeübt, noch wurde anschließend die Entscheidung genüsslich kommentiert – die CDU kann sich hier vollkommen zurücklehnen, denn der ganze Empörungssturm geht ausschließlich auf die SPD nieder. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft soll nach Medienberichten gesagt haben, sie ärgere sich, dass die SPD das Thema auf sich gezogen habe. Und damit hat sie Recht: Die SPD hat ohne Not ein polarisierendes Thema durchgekämpft, in dem sie dem großen Koalitionspartner einen Gefallen tut und bei dem sie nichts gewinnen kann. Umso unverständlicher, warum der große Vorsitzende sein gesamtes Gewicht dafür in die Waagschale warf. Merkel ist da geschickter, sich aus unangenehmen Themen vollkommen herauszuhalten.

Die Hoffnungen liegen erneut auf dem Bundesverfassungsgericht. Denn an der grundsätzlichen Konstruktion, dass Daten massenhaft, flächendeckend und anlasslos gespeichert werden, hat auch der neue Gesetzentwurf nichts geändert. Darüber wird der neue Name „Mindestspeicherfrist“ nicht hinwegtäuschen. Amüsantes Detail am Rande: Selbst Gabriel nennt die Maßnahme immer wieder „Höchstspeicherfrist“ – die Unsinnigkeit dieser Sprachverwirrung wird deutlich, wenn beide Begriffe synonym verwendet werden können. Von glaubwürdiger Netzpolitik hat die SPD jedenfalls Abstand genommen.

Übrig bleibt eine innen- und bürgerrechtspolitisch deutlich nach rechts gerückte SPD: Da, wo die CDU bereits ist. Das ist keine profilschärfende Maßnahme, im Gegenteil: Eine CDU „light“ braucht niemand. Ohne Not räumen die Sozialdemokraten reihenweise Positionen links der Mitte. Sie erledigen damit die schmutzige Arbeit der Union, der nachher die Früchte zufallen werden – der SPD wird das niemand danken. Ich sehe jedenfalls schwarz für die nächsten Wahlen.

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Liebe verdient Respekt: Ehe für alle!

rainbowLiebe verdient Respekt. Alle Menschen sollen ungeachtet ihres Geschlechtes das gleiche Recht haben, einander zu heiraten. Auch andere, auf dauerhafte Verantwortung angelegte Partnerschaften und Lebensgemeinschaften müssen berücksichtigt werden.

Durch das irische Referendum ist die Forderung, Heiraten und Ehe für alle Menschen ungeachtet ihres Geschlechtes zu ermöglichen, wieder in den Fokus gerückt. 62,1% aller Abstimmenden waren dafür, dass auch homosexuelle Paare heiraten können sollen. Die Wahlbeteiligung war mit 60,5% beeindruckend hoch.

Eines Volksentscheids bedarf es im Grunde nicht: Der Grundsatz der Gleichstellung aller Menschen ungeachtet ihres Geschlechts gebietet die Gleichbehandlung auch in Bezug auf die Ehe. Dies umfasst dann nicht nur auch homosexuelle Paare, sondern ausdrücklich Menschen aller Geschlechter und Orientierungen.

Am 12. Juni 2015 hat der Bundesrat eine Entschließung zur vollständigen Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare verabschiedet. Die Bundesregierung wird darin gebeten, die verfassungswidrige Ungleichbehandlung eingetragener Lebensgemeinschaften homosexueller Paare zu beenden. Dies stellt einen ersten, begrüßenswerten Schritt zur Öffnung der Ehe für alle dar.

Ehen erster und zweiter Klasse darf es nicht geben.

Artikel 1 des Grundgesetzes basiert auf der freien Selbstbestimmung über Angelegenheiten des persönlichen Lebens. Der Vielfalt aller Lebensstile muss daher diskriminierungsfrei und in voller Gleichberechtigung entsprochen werden. Eine tatsächlich diskriminierungsfreie Öffnung der Ehe muss eine einseitige Bevorzugung traditioneller Rollen-, Familien- und Arbeitsmodelle wirksam überwinden. Die wirklich freie Entscheidung für die individuell gewünschte Form des Zusammenlebens muss ermöglicht werden, um der möglichen Vielfalt aller Lebensentwürfe gleichberechtigt gerecht zu werden.

Das Eheversprechen ist eine persönliche Entscheidung. Niemand soll berechtigt sein, die Ausgestaltung der Eheform festzulegen oder auf bestimmte Geschlechter oder Lebensmodelle zu begrenzen.

Alle Formen der homosexuellen, heterosexuellen, queeren und polyamourösen Partnerschaften sowie Lebensgemeinschaften, die eine auf Dauer angelegte Verantwortung füreinander enthalten, müssen vollumfänglich gleichgestellt werden.

Durch die Ehe für alle wird weder die klassische Ehe zwischen Mann und Frau diskriminiert, noch die Familie benachteiligt.

In unserem Land leben viele tausend Regenbogenfamilien, denen bislang die volle rechtliche Anerkennung verwehrt ist, oder Familien mit anderen Beziehungs- und Verantwortungsmodellen. Die Ehe für alle sorgt dafür, Diskriminierungen dieser Familien abzubauen. Dies dient unmittelbar auch dem Kindeswohl der in diesen Familien aufwachsenden Kinder.

Schutz und Förderung von Familien darf nicht im Wesentlichen allein von der steuerlichen Förderung einer Verbindung von Mann und Frau abhängig sein. Die steuerliche Förderung der „Hausfrauenehe“ sichert Familien nicht.


Die Piratenfraktion hat einen entsprechenden Antrag unter der Drucksachennummer 16/8972 eingereicht, der am 26. Juni 2015 im Plenum behandelt werden wird.

Der WDR und die Gottschalk-Millionengage

thomas-gottschalk-749858_640     „Nur wer etwas leistet, kann sich etwas leisten.“
     Michail Gorbatschow

Der WDR hat bestätigt, dass Honorarzahlungen insgesamt in Millionenhöhe an Thomas Gottschalk auch nach dem vorzeitigen Ende der ARD-Vorabendshow „Gottschalk live“ geflossen sind. In dem Vertrag, den die ARD-Tochter Degeto mit der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment über die Produktion der Sendung abgeschlossen habe, sei die Fortzahlung des Moderatorenhonorars bis zum Auslaufen des Vertrags zum Jahresende 2012 enthalten gewesen. Summen nannte der WDR nicht, offenbar war trotz des Endes aufgrund zu geringer Quoten nach etwa der Hälfte der vereinbarten Sendungen die gesamte Summe in Höhe von 4,6 Millionen Euro vertraglich fällig, so dass womöglich über 2 Millionen Euro ohne Gegenleistung flossen.

Der Vertrag erscheint ungünstig verhandelt, wenn die komplette Summe auch bei vorzeitigem Ende fällig ist: Mindestens sollten wenigstens die Gottschalk durch den Nicht-Auftritt ersparten Kosten abgezogen werden können.

Derartige Summen für Fernsehstars im Zusammenhang mit Gebührengeldern sind den Gebührenzahlern heutzutage kaum noch zu vermitteln.

Der WDR betont, dass die Sendung im von Werbung getragenen Vorabendprogramm des Ersten ausgestrahlt wurde, diese also ausschließlich über Werbeeinnahmen und nicht über Gebührengelder finanziert worden sei. Überdies hält sich der WDR zugute, dass das Honorar für Thomas Gottschalk an seinem Marktwert und seiner Bekanntheit als einem „der beliebtesten Moderatoren in Deutschland“ orientiert habe. Insofern sei der Vertrag in branchenüblicher Weise für ein erfolgversprechendes Format abgeschlossen worden.

Demgegenüber hat die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm darauf hingewiesen, dass von der WDR-Programmplanung selbst im Vorfeld eine Marktstudie unternommen worden sei, bei der achthundert Fernsehzuschauer telefonisch befragt wurden. Diese Studie habe zu dem Ergebnis geführt, dass 39 Prozent der Befragten im Vorhinein angaben, sie würden die geplante Sendung „wahrscheinlich nicht“ oder „bestimmt nicht“ ansehen, weil ihnen der ausgewählte Moderator nicht zusagte.

Bei der Programmplanung und den Vertragsverhandlungen fehlte es an Transparenz und nach Bekanntwerden der Missstände an Aufklärung: Die Konstruktion der Auftragsvergabe über Tochterfirmen des WDR sorgt für gezielt beabsichtigte Intransparenz und verunmöglicht demzufolge bewusst die Kontrolle durch die zuständigen Aufsichtsgremien.

Die Trennung zwischen Gebühren- und Werbegeldern, wie der WDR argumentiert, erscheint zudem mehr als fragwürdig. Denn Werbezeit ist auf die Vorabendzeit begrenzt, die dort erzielten Einnahmen sollen bestimmungsgemäß dem ganzen Sendebetrieb zu Gute kommen.

Nicht zuletzt sollte über Konsequenzen für die anstehende Novelle des WDR-Gesetzes nachgedacht werden, damit sich solche fragwürdigen Fälle nicht wiederholen können.

Ich habe heute an die Landesregierung zwei kleine Anfragen gestellt, um mehr Transparenz einzufordern, und die Bewertung der Landesregierung einzuholen. Die Anfragen sind unter der Dokumentennummer 16/9021 (Themenblock Transparenz und Aufklärung) sowie der Dokumentennummer 16/9022 (Themenblock Bewertung und Konsequenzen) veröffentlicht.

Folgende Fragen habe ich gestellt:

Zum Themenblock „Transparenz und Aufklärung“:

  • Welche Summen sind an Thomas Gottschalk aufgrund dieses Vertrages geflossen bzw. fällig geworden? Schlüsseln Sie die Beträge auf nach Summen, die aufgrund ausgestrahlter Sendungen fällig waren und Summen, die auch nach dem vorzeitigen Ende der Produktion noch fällig wurden.
  • Warum hat sich die Sendeanstalten auf derart hohe Ausfallzahlungen festgelegt, obwohl nach den vorliegenden Erkenntnissen des Controlling aus dem eigenen Haus an Warnungen über mangelndem Zuspruch nicht gefehlt hat und ein vorzeitiges Ende der Show daher bereits vorhersehbar war?
  • Sind die Einnahmen aus den Werbeeinahmen des Vorabendprogramms nach Ansicht der Landesregierung tatsächlich losgelöst vom allgemeinen Gebührenaufkommen zu betrachten?
  • Ist die Landesregierung der Ansicht, dass die Aufsichtsgremien und zur Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verpflichteten und berechtigten Stellen ihrer Aufgabe ausreichend nachkommen konnten, wenn von Tochterunternehmen des Senders geschlossene Verträge dort nicht vorgelegt werden bzw. deren Kontrolle nicht unterliegen?
  • Seit wann ist die Landesregierung in Kenntnis über den Vertrag und die Umstände seines Zustandekommens?

Zum Themenblock „Bewertungen und Konsequenzen“:

  • Ist der Abschluss von Verträgen mit persönlichen Honoraren in Millionenhöhe durch öffentlich-rechtliche Sender, wie hier mit Thomas Gottschalk, angemessen? Begründen Sie Ihre Antwort.
  • Sind der Vertragsschluss und dessen Geheimhaltung durch ein Tochterunternehmen angemessen? Begründen Sie dies, gehen Sie auf die Fragestellungen der Transparenz gegenüber Gebührenzahlern und den Aufsichtsgremien bzw. den zur Aufsicht berechtigten und verpflichteten Stellen ein.
  • Ist die Vereinbarung einer vollständigen, ungekürzten Zahlung auch im Falle einer vorzeitigen Beendigung angemessen? Begründen Sie Ihre Antwort.
  • Welche Konsequenzen sind aus diesen Vorkommnissen für die Novelle des WDR-Gesetzes zu ziehen? Gehen Sie darauf ein, ob Transparenzerfordernisse ausgedehnt werden müssen, zum Beispiel auf Tochterunternehmen.
  • Welche Konsequenzen sind aus diesen Vorkommnissen durch die Landesregierung zu ziehen? Nennen Sie geplante und bereits ergriffene Maßnahmen.

Wenn die Antworten eintreffen, werde ich sie hier bekanntgeben.

Ausufernde mobile Überwachung in NRW: Detaildaten angefragt

2015-06-11 00_32_37-Kleine Anfrage - MMD16-8914.pdfVor einigen Wochen stellten Kollegin Birgit Rydlewski und Kollege Torsten Sommer mehrere kleine Anfragen, um einen Überblick über die mobile Telekommunikationsüberwachung in Dortmund und Düsseldorf zu erhalten. Gefragt wurde jeweils nach mobiler Überwachung durch örtliche Polizei, dem LKA und dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz.

Die Anfrage richtete sich explizit auf die Nutzung von

Aufgeschlüsselt nach Häufigkeit der Nutzung im Zeitraum ab 01.01.2014 zeichnete sich ein Bild ausufernder tausendfacher Überwachung.

In der Antwort wurde deutlich, dass es sich bei den Überwachungsinstrumenten nicht um ein Mittel handelt, welches mit Bedacht eingesetzt wird, sondern es wurden alleine in Dortmund über 100.000 Stille SMS versendet, um Personen zu orten. Eine inhaltliche Zuordnung zu Straftaten konnte die Landesregierung nicht liefern. Damit besteht im Nachhinein keine Kontrolle darüber, ob die Grundrechtseingriffe berechtigt waren oder nicht.

Vorausgegangen war eine große Anfrage der Piratenfraktion, in der wir nach detaillierten Daten gefragt hatten. Unsere Anfrage nach Erstellung einer Matrix, die die Daten detailliert auflistet und Gründen für die Überwachungsmaßnahmen der jeweiligen Straftat zuordnet, wurde abgelehnt.

Als Reaktion darauf haben wir uns dazu entschlossen, weitere gemeinsame kleine Anfragen nach den Daten aller weiteren Polizeibehörden in NRW zu versenden, um einen Überblick der Überwachungshäufigkeit im Land und damit die Detaildaten zu erhalten, die man uns zuvor verwehrt hat. Damit der Umfang einer kleinen Anfrage nicht gesprengt wird, haben wir für jede Kreispolizei separat gefragt. Von Aachen, Bielefeld und Bochum bis Warendorf, Wesel und Wuppertal. Die kleinen Anfragen findet Ihr alle auf meiner Kleinen-Anfragen-Seite (Nummern 124 bis 168).

Zudem habe ich für Köln und Bonn exemplarisch ebenfalls nach den Daten der Überwachung durch das Landeskriminalamt und des Verfassungsschutzes gefragt (Nummern 169 bis 172), wie sie die Kollegen für Dortmund und Düsseldorf erfragt hatten.

Die Landesregierung wird in etwa vier Wochen antworten. Wir dürfen gespannt sein.

Alan Turings Todestag – und was das für die Netzgemeinde bedeutet

Foto: cc-by-2.0 andreas_tw
Foto: cc-by-2.0 andreas_tw
Am 07.06.1954, vor 61 Jahren, hat sich Alan Turing das Leben genommen. Auf ihn geht die gesamte Computerwissenschaft zurück, für die er das theoretische Fundament gelegt hat. Wir Nerds und Netzmenschen sind heute gewissermaßen die Erben seiner Forschungen.

Er wurde Opfer einer Gesetzgebung, die Homosexualität unter Strafe stellte. Nachdem er zur chemischen Kastration verurteilt wurde, nahm er sich das Leben.

Das sollte uns eine Mahnung sein, dass wir uns nicht nur um die technologischen Aspekte des Netzes kümmern müssen, sondern auch um die Menschen, die täglich Opfer von Diskriminierung und Verfolgung werden. Das Internet ist davon nicht isoliert.

Ich habe dazu einen Video-Podcast gemacht, und freue mich über Verbreitung und Likes bei Youtube.

Foto von andreas_tw bei Flicker, Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic