LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
|
Drucksache 16/9591 |
|
25.08.2015 |
Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Ohne Glasfaser-Strategie verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft
I. Sachverhalt
Die Entwicklung einer leistungsfähigen und flächendeckenden digitalen Infrastruktur ist für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Nordrhein-Westfalen von entscheidender Bedeutung im digitalen Zeitalter. Gesellschaftliche Teilhabe, die Attraktivität des ländlichen Raums sowie die Umstellung auf digitale Wertschöpfung hängen direkt von der Existenz eines schnellen Netzzugangs ab.
Die kupfer-basierte Breitbandinfrastruktur genügt in einigen Landesregionen bereits heute nicht mehr den Ansprüchen von Bürgern und Unternehmen. Einem Anstieg der Standard-Downstream-Bandbreiten auf mindestens 170 Mbit/s beziehungsweise 105 Mbit/s im Upload bis 2020, wie der Kommunikationsverband BREKO prognostiziert, ist das heutige Breitbandnetz nicht gewachsen.
Vor dem Hintergrund der immer weiter anwachsenden Datenmengen raten Experten seit Jahren zum Aufbau eines nachhaltigen Glasfasernetzes, welches Daten im Gigabit-Bereich transportieren kann. Im Gegensatz zu anderen Technologien sind dabei symmetrische Bandbreiten möglich. Während Glasfaseranschlüsse (FTTH/B) in Deutschland noch weitgehend unbekannt sind, haben andere Länder bereits auf diese Schlüsseltechnologie umgestellt. In Japan und Südkorea basieren 2 von 3 stationären Breitbandanschlüssen auf Glasfaser, Schweden liegt mit knapp über 40 Prozent auf Rang drei des OECD-Rankings. Dagegen belegt Deutschland nur Platz 29.
Aber auch im innerdeutschen Vergleich gibt es Vorbilder. Das Bundesland Schleswig-Holstein hat eine Glasfaser-Strategie verabschiedet und ist deshalb führend im FTTB/H-Ausbau. Bereits heute sind 23 Prozent der Haushalte im nördlichsten Bundesland mit Glasfaser angeschlossen. Ziel der Strategie in Schleswig-Holstein ist es, 90 Prozent der Haushalte bis 2025 und die verbleibenden Haushalte bis 2030 anzuschließen.
In Nordrhein-Westfalen fehlt hingegen eine Strategie für den Aufbau eines Hochleistungsnetzes. Die Landesregierung strebt eine 50 Mbit/s Breitbandversorgung bis ins Jahr 2018 an. Doch beinhaltet dieser Ansatz weder den Aufbau eines Gigabit-Infrastruktur, noch stellt die Landesregierung sicher, dass das Ziel bis 2018 überhaupt erreicht wird (siehe Beratungen zu Antrag 16/2280). Im ländlichen Raum müssen noch 60 Prozent der Haushalte an ein 50 Mbit/s-Netz angeschlossen werden, im halbstädtischen Raum sind es noch ca. 50 Prozent der Haushalte (Quelle: Breitbandatlas).
Experten raten zu einem Umdenken in der Breitbandpolitik. Anstatt Übergangslösungen zu fördern, sollten die zur Verfügung stehenden Mittel „volkswirtschaftlich sinnvoll und effizient in leistungsfähige, nachhaltige Infrastrukturen investiert werden“, so der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Investitionen müssten sich auf Netzausbauten konzentrieren, die hinreichende Reserven für die nächsten Jahrzehnte bieten.
Da Tiefbauarbeiten einen großen Teil der Kosten des Glasfaserausbaus darstellen, ist es sinnvoll, den Ausbau zu planen und Synergieeffekte bei Arbeiten mit anderen Infrastrukturträgern (Straßen, Strommasten, Kanalisation, etc.) zu nutzen.
Nach Angaben des BREKO wird der Glasfaserausbau hauptsächlich von alternativen lokalen bzw. regionalen Netzbetreibern bewältigt. Diesen gehören rund 76 Prozent der zwei Millionen FTTB/H-Anschlüsse in Deutschland.
II. Der Landtag stellt fest:
1) Schleswig-Holstein hat eine Glasfaser-Strategie verabschiedet und ist mit einer Anschlussquote von bereits 23 Prozent führend in Deutschland.
2) Der Landesregierung NRW fehlt eine Glasfaser-Strategie. Dadurch verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1) Eine Glasfaser-Strategie für Nordrhein-Westfalen zu erstellen, die folgende Punkte beinhaltet:
a. Bis 2020 muss die Hälfte der Haushalte an das Gigabit-Netz angeschlossen werden, bis spätestens 2025 ist ein möglichst flächendeckendes Netz aufzubauen.
b. Der Glasfaserausbau ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. In Regionen, in denen marktorientierte Unternehmen nicht ausbauen, stellt das Land ausreichend Mittel zur Verfügung, um für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen.
c. Die Fördermittel werden auf OpenAccess-Betreibermodelle, wie z.B. das Modell „Nachhaltige Netzerneuerung“ (Micus-Studie der NRW.BANK), konzentriert.
d. Da die Vermietung der digitalen Infrastruktur an Telekommunikationsunternehmen Erträge einbringt, kann ein Teil der Förderung aus langfristigen Darlehen bzw. Bürgschaften bestehen.
e. Durch die Erstellung eines Landes-Netzplans können Synergien mit anderen Infrastrukturträgern gezielt genutzt werden bei der Verlegung von Leerrohren.
f. Eine Re-Monopolisierung der Netze wird verhindert.
g. Die Glasfaser-Strategie versteht sich nicht in erster Linie als Wirtschaftsförderprogramm. Eine Priorisierung für Gewerbegebiete ist deshalb abzulehnen.
Michele Marsching
Marc Olejak
Daniel Schwerd
und Fraktion