Der NSU und ein 20 Jahre alter Mord in Schloß Holte-Stukenbrock

Pistole

Am 7. September 1996 wurde in Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) ein Familienvater türkischer Nationalität auf offener Straße erschossen, während er mit seiner kleinen Tochter auf dem Fahrrad unterwegs war. Der Täter sprang aus einem Gebüsch, feuerte sechs Schüsse auf das Opfer ab und entkam unerkannt. Der Vater starb vor den Augen seiner Tochter. Der Fall wurde nie aufgeklärt.

Nach dem Bekanntwerden der Terror- und Mordserie des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) wurde eine Reihe von ungeklärten Altfällen zur Überprüfung eines möglichen rechtsterroristischen bzw. rassistischen Hintergrundes wieder aufgenommen, darunter auch der genannte Fall. Durch die Arbeitsgruppe Fallanalyse des „Gemeinsamen Extremismus-/Terrorismusabwehrzentrums“ (GETZ) wurde dieser Fall identifiziert und durch das BKA den Landesbehörden zur Überprüfung und Bewertung übermittelt. Unsere LINKEN-Bundestagsabgeordnete im NSU-Untersuchungsausschuss Martina Renner hatte die Bundesbehörden nach dem Stand der Untersuchungen gefragt.

Der Mord in Schloß Holte-Stukenbrock erinnert fatal an die NSU-Mordserie, obwohl die – nach heutiger Kenntnis – erst im Jahre 2000 begann. Auch dort wurden ausländische, ansonsten völlig unauffällige und harmlose Mitbürger mit Schusswaffen getötet, auch diese Morde geschahen ohne erkennbares Einzelmotiv, wirkten gewissermaßen unmotiviert und zusammenhanglos.

Ich möchte erreichen, dass dieser Fall im Lichte des NSU-Terrorismus neu untersucht wird – und zwar ernsthaft. Dazu könnte zum Beispiel gehören, neue Zeug/innen zu vernehmen, alte Zeug/innen nochmal zu vernehmen, oder Asservate neu zu untersuchen, dies auch ggf. mit Methoden, die damals noch nicht zur Verfügung standen. Oder wurden gar Asservate bereits vernichtet, obwohl der Fall ungeklärt blieb?

Und ich möchte natürlich wissen, ob derselbe Fehler wie in den Fällen des NSU-Terrorismus gemacht wurde: Die Möglichkeit einer rechtsmotivierten Tat von vorneherein auszuschließen. Schloß Holte-Stukenbrock ist nicht gerade ein weißer Fleck, was rechtsradikale Organisationen und Personen aus dem rechtsextremen Umfeld angeht: Auch Mitte der 90er Jahre gab es hier eine rege rechte Szene. Auch gibt es Anzeichen von Verbindungen aus dieser Szene zu NSU-Unterstützern. Lassen sich möglicherweise Hinweise darauf finden, dass Mitglieder dieser Szene in den Mord verwickelt waren?

Daher habe ich der Landesregierung in einer kleinen Anfrage (Landtagsdrucksache 16/12730) die folgenden Fragen gestellt:

  1. Welche Ermittlungen bzw. Überprüfungen haben die Landesbehörden in der Sache genau vorgenommen bzw. werden noch unternommen?
    Bitte nennen Sie jede einzelne Maßnahme der Ermittlung bzw. Überprüfung mit jeweiligem Zeitrahmen bzw. mit geplanten Zeitpunkten des Beginns oder der Fertigstellung sowie die daran beteiligten Behörden.
    Soweit z.B. alte oder neue Zeugen vernommen wurden bzw. alte oder neue Asservate untersucht wurden (ggf. mit neuen Methoden, die 1996 noch nicht zur Verfügung standen), oder Asservate nicht untersucht werden können, weil sie zwischenzeitlich vernichtet wurden, nennen Sie das bitte ebenfalls.
  2. Wie weit sind Überprüfung und Bewertung inhaltlich fortgeschritten? Erläutern Sie jedes der zwischenzeitlich erreichten Ergebnisse und nennen Sie den Termin des geplanten Abschlusses des Falles.
  3. Inwieweit konnte ein rechtsterroristischer bzw. rassistischer Hintergrund bestätigt bzw. ausgeschlossen werden?
  4. In welche Richtungen wurde im ursprünglichen Verfahren ermittelt? Sagen Sie auch, inwieweit bei den ursprünglichen Ermittlungen ein rechtsterroristischer bzw. rassistischer Hintergrund der Tat überprüft wurde und begründen Sie die Auswahl der Ermittlungsrichtungen.
  5. Welche schriftlichen Berichte und Bewertungen des Falls (abschließende oder Zwischenbewertungen bzw. Zwischenberichte) liegen vor? Legen Sie jeden Bericht / jede Bewertung (ggf. soweit notwendig anonymisiert/geschwärzt) vor und nennen Sie das Datum der Erstellung.

Über Antworten werde ich auf die gewohnte Weise berichten.

Berichterstattung zur Anfrage gab es in verschiedenen Lokalmedien, so zum Beispiel im Westfalen-Blatt, in der Neuen Westfälischen und bei Radio Gütersloh.

Rechts motivierter Brandanschlag in Altena: Ermittlungen gegen Polizeibeamte

Feuerwehrleute

Am 3. Oktober vergangenen Jahres brannte eine Geflüchtetenunterkunft in Altena. Die Täter waren schnell gefasst, zwei junge Männer aus der Nachbarschaft. Die Polizei teilte zunächst mit, ein rechter Hintergrund sei nicht feststellbar, die Täter hatten aus „Besorgnis“ gehandelt, und ermittelte wegen Brandstiftung.

Dabei war die Tat selbst mit hoher krimineller Energie ausgeführt: Eine Notrufleitung zur Feuerwehr wurde vorher durchtrennt, und die Dachbalken mit hoher Fach- und Sachkenntnis angezündet; einer der Täter war Feuerwehrmann. Im Haus lebten sieben Personen, die sich glücklicherweise in Sicherheit bringen konnten. Man kann also gut und gerne davon ausgehen, dass die Täter die Tötung der Geflüchteten mindestens billigend in Kauf genommen haben, man hätte also wegen eines versuchten Tötungsdeliktes ermitteln müssen.

Mehr noch: Erst die Opferanwälte fanden bei eigenen Recherchen auf den Mobiltelefonen der Täter rassistische und rechtsextreme Bilder, darunter Abbildungen Adolf Hitlers und von Hakenkreuzen. Die Behauptung, keinen rechtsextremen Hintergrund feststellen zu können, war also falsch.

Wie konnte es zu dieser unfassbaren Schlamperei und Fehleinschätzung kommen, wie bewertet die Landesregierung diese Vorkommnisse? Das wollte ich in einer kleinen Anfrage, die ich der Landesregierung zustellte, wissen. Die Antwort bestätigte den schlampigen Umgang mit den Telefonen und enthüllte, dass es neben Dienstaufsichtsbeschwerden jetzt auch strafrechtliche Ermittlungen gegen zwei ermittelnde Beamte wegen Strafvereitelung im Amt gebe. Das ist schon starker Tobak.

Unter anderem haben die WELT und WDR Lokalzeit berichtet (Video mit einem Interview mit mir (bis zur Depublizierung in etwa 10 Tagen verfügbar), ab Minute 3:30).

Die ermittelnden Behörden waren den Tätern gegenüber wohl zu nachsichtig. Es waren eben die „netten Jungs“ aus der Nachbarschaft, die diesen Brand- und auch versuchten Mordanschlag verübten, gestandene junge Männer mit renommierten Zivilberufen. Das zeigt allerdings, wie tief gruppenbezogener Menschenhass und Rassismus in die Mitte unserer Gesellschaft vorgedrungen ist, wie alltäglich Rechtsterrorismus ist. Doch Nazis haben nicht immer Springerstiefel an – die Ermittlungsbehörden haben sich erneut als auf dem rechten Auge blind erwiesen.

Breitbandausbau: Wirtschaftsminister Duin startet Ablenkungsmanöver – Netze gehören in Bürgerhand

Duin

Gestern fand das 4. Breitbandforum des Landes NRW in den Räumen der NRW.Bank in Düsseldorf statt. Verschiedene Referenten stellten dort auf Einladung des Wirtschaftsministeriums Möglichkeiten der Breitbandförderung vor. Eingeladen waren Wirtschafts- und kommunale Vertreter aus ganz NRW. Am Rande des Forums kündigte NRW-Wirtschaftsministers Garrelt Duin in einer Pressekonferenz an, bis 2026 ein flächendeckendes Glasfasernetz in NRW errichten zu wollen.

Endlich ist vom Infrastrukturziel Glasfaser die Rede! Nachdem Minister Duin noch vor ein paar Monaten von „technologieneutraler Förderung“ sprach, ist er in seiner Planung jetzt endlich dort angekommen, wovon wir schon seit Jahren sprechen. Damit ist der Weg zu einem echten Gigabit-Netz offen, um unsere Gesellschaft an das 21 Jahrhundert anzuschließen.

Allerdings fürchte ich, dass es sich bei Duins Ansage um ein Ablenkungsmanöver handelt. Ich befürchte, dass damit klammheimlich das bei Beginn der Legislaturperiode vollmundig gegebene Versprechen, bis 2018 ganz NRW an ein lückenloses Breitbandnetz anzuschließen, vergessen gemacht werden soll. Duin scheint jetzt deutlich geworden zu sein, dass die Landesregierung ihr Ziel meilenweit verfehlen wird. Das wäre dann nicht megastark, das wäre megadreist.

Zudem ist bei den Förderungsbedingungen des Netzausbaus das Primat des Marktes zu bemängeln. Öffentliche Förderung von bürgerschaftlichen oder kommunalen Initiativen soll es nämlich nur dort geben, wo es keine privaten Investitionen gibt. Weiterhin gilt die Bündelung alter Kupferkabel durch die Deutsche Telekom mittels sogenanntem Vectoring ebenfalls als Ausbau. Alle rentablen Netzbereiche gehen damit an Privatunternehmen – für Kommunen und gemeinnützige Initiativen bleiben nur unrentable Gebiete. So wird in Zukunft noch mehr Infrastruktur privatisiert als ohnehin schon. Und wenn die Telekom sagt, einen Bereich in den nächsten drei Jahren mit Vectoring ausstatten zu wollen, ist dort keine Förderung von Ausbauprojekten mehr erlaubt. Damit wird Vectoring ganz klar zu einem Innovationshemmnis. Vectoring ist ohnehin Remonopolisierung der letzten Meilen zum Kunden in die Hand der Deutschen Telekom.

Der Netzausbau in Nordrhein-Westfalen sollte doch besser durch ein Investitionsprogramm vorangetrieben werden, bei welchem sich anschließend die Netze in Bürgerhand befinden.

Eine Förderung ist auch nur da möglich, wo die derzeitige Bandbreite unter 30 MBit/s liegt. Eine flächendeckende Förderung bleibt unmöglich. Anekdote am Rande: Minister Duin sprach in seiner Rede von 50 MBit in der Stunde – das wäre die Geschwindigkeit eines alten analogen Modems aus der Mitte der 90er Jahre. Hoffen wir, dass es nur ein Versprecher war – natürlich ist bei der Angabe in MBit/s Megabit pro Sekunde gemeint.

Kein Versprecher war seine Darstellung, eine instabile Netzanbindung könne bei der neuen vernetzten Fabrik (Stichwort „Industrie 4.0“) zur Produktion von Schrott führen oder gar die vernetzten Maschinen beschädigen. Hoffen wir doch sehr, dass das nicht so ist – dass solche Maschinen bei abreißender Internetverbindung im schlimmsten Falle (nach der Fertigstellung des in Bearbeitung befindlichen Werkstücks) einfach stehen bleiben. Maschinen sollen sich unter allen Umständen nur in definierten, sicheren Zuständen befinden! Denn sonst wäre eine solche Fabrik Cyberangriffen vollkommen schutzlos ausgeliefert. Mit gleichen Argumenten wird auch stets der Anspruch nach Netzneutralität im Internet unterhöhlt. Hoffen wir, dass sich der Wirtschaftsminister in dieser Sache in Zukunft besser beraten lässt.

§175: Opferakten vernichtet, Landesregierung untätig

queer

Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches, den es bis zum 11. Juni 1994 gab, stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Erst 1994 wurde dieser schwulenfeindliche Paragraf endgültig aufgehoben, vorher wurden insgesamt rund 140.000 Männer nach dieser Rechtsvorschrift verurteilt. Eine Entschädigung für dieses Unrecht in der Bundesrepublik Deutschland hat es bis heute noch nicht gegeben.

Die derzeitige Bundesregierung plant nun endlich eine Entschädigung der Opfer, die bislang allerdings nicht von der Stelle kommt. Eine Nachweispflicht der Verurteilung durch die Betroffenen ist ebenfalls vorgesehen. Für teils jahrzehntealte Verurteilungen werden die Opfer oft keine Unterlagen mehr besitzen.

Ich habe der Landesregierung Fragen gestellt, wieviele Opfer in NRW betroffen sind und wieviele der Gerichtsakten noch existieren, und ob NRW anhand der Akten von sich aus Schritte unternimmt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Landesregierung seit Jahren tatenlos zusieht, wie Aufbewahrungsfristen ablaufen und Akten vernichtet werden. Schritte, die Akten vor der Vernichtung zu retten – oder irgendwelche Schritte zur Sicherung der Ansprüche der Opfer – hat sie auch in den letzten vier Jahren nicht unternommen, obwohl der Landtag schon 2012 die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer in NRW beschlossen hat. Ein Skandal.

Wer Unterdrückung aufarbeiten will, darf Akten nicht vernichten lassen und muss sich einen Überblick über vorhandene Aktenbestände verschaffen. Ich erinnere daran, dass es schon bei der Entschädigung für Zwangsarbeit für die Betroffenen nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern nahezu unmöglich war, die notwendigen Nachweise zu erbringen. Eine nicht erfüllbare Nachweispflicht darf es nicht geben.


Berichtet wurde u.a. in den Männermagazinen „Männer“ und „Queer“:

22.08.2016 Queeer:Paragraf 175: Fast alle Opferakten in NRW vernichtet
22.08.2016 Männer:175er: Gerichtsakten vernichtet – Die Entschädigung der Opfer könnte deswegen sehr erschwert werden

Drucksachen:

Die kleine Anfrage „Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des §175 StGB“
Die Antwort des Justizministeriums

Ich danke der LAG Queer der LINKE.NRW für ihre Arbeit und Frank Laubenburg und Jasper Prigge für die Formulierung dieser Kleinen Anfrage!

Faktisches Verbot eines kurdischen Kulturfests in Köln

Stadion

Ein für den 3. September geplantes internationales kurdisches Kulturfestival im Kölner Rhein-Energie-Stadion kann nicht stattfinden. Der Stadionvermieter, die Sportstätten Köln GmbH (eine 100%ige Tochter der Stadt Köln), hat ihre Zusage vor Abschluss des Mietvertrages wieder zurückgezogen, nachdem die Kölner Polizei empfohlen hatte, den Veranstaltungsvertrag nicht zu unterzeichnen.

Angemeldet hatte die Veranstaltung der eingetragene Verein „Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland“, kurz „Nav-Dem“, welcher ein demokratischer Dachverband kurdischer Kultur und Gesellschaft in Deutschland ist. Das kurdische Kulturfestival wird bereits seit vielen Jahren ohne Zwischenfälle durchgeführt und hat in der Vergangenheit schon friedlich im Kölner Stadion stattgefunden.

Polizeipräsident Jürgen Mathies begründet die „Empfehlung“ mit Sicherheitsbedenken. Die jüngsten gewalttätigen Konflikte in der Türkei führten zu einer hohen Emotionalisierung auch der in Köln lebenden Kurden und Türken, er halte gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden rund um das Stadion für wahrscheinlich.

Es stellt sich die Frage, warum die Kölner Polizei sich nicht in der Lage sieht, ein legales, friedliches und demokratisches Kulturfest vor eventuellen Auseinandersetzungen im Umfeld schützen zu können, und angesichts dieser Bedenken nicht etwa Gegendemonstrationen fernhalten will, sondern die ursprüngliche Veranstaltung verhindert. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint das Versammlungsrecht in NRW ausgehöhlt und brüchig. Zudem erscheint ein Kulturfestival im Stadion am Stadtrand sehr viel einfacher zu sichern als eine Kundgebung in der Innenstadt.

Die Sportstätten Köln GmbH hatte die Veranstaltung zunächst verteidigt. In einer Mitteilung dazu hieß es: „Bei dieser Organisation handelt es sich um einen in Deutschland eingetragenen Verein, der sich mit seinen Tätigkeiten am Meinungsbildungsprozess der deutschen demokratischen Gesellschaft beteiligt.“ Der anschließenden „Empfehlung“ der Kölner Polizei konnte sich der Vermieter jedoch faktisch nicht entziehen, da er natürlich auch weiterhin auf die Unterstützung und Kooperation der Polizei angewiesen ist und eine enge Bindung an die Stadt Köln besteht. Es steht außer Frage, dass eine solche „Empfehlung“ der Polizei einem faktischen Verbot nahekommt.

Die türkische Generalkonsulin Sule Gürel hatte zuvor die geplante Veranstaltung „terroristische Propaganda“ genannt und ein Verbot gefordert. Eine Großdemonstration nationalistischer Türken in Köln-Deutz hatte die Kölner Polizei am 31. Juli ungehindert stattfinden lassen. Der Polizei war es an diesem Tage gelungen, ein Aufeinandertreffen von feindlichen Gruppen zu verhindern. Auch in diesem Falle war schon im Vorfeld mit möglichen Auseinandersetzungen zu rechnen, auch diese Demonstration fand in emotional aufgeheizter Stimmung statt. Die kurdische Gemeinde hatte sich an diesem Tag außerordentlich diszipliniert gezeigt und war überwiegend zu Hause geblieben.

Es drängt sich der Eindruck auf, die Polizei des Landes sei hier servil dem Wunsch der Türkei nach einem Verbot der Veranstaltung gefolgt, indem sie durch die „Empfehlung“ ein Verbot durch die Hintertür erreicht hat. Der Vermieter konnte sich der Empfehlung aus naheliegenden Gründen nicht entziehen. Für ein tatsächliches Verbot fehlt der Polizei die rechtliche Basis. Man könnte meinen, zwischen kurdischen und türkischen Veranstaltungen wird in NRW mit zweierlei Maß gemessen. Es erscheint, als würde sich die Polizei geäußerter Kritik und drohenden gewalttätigen Angriffen durch türkische Nationalisten beugen. Kurdische Verbände hingegen werden in Deutschland weiter kriminalisiert.

Die ehemalige Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete und Autorin Lale Akgün kritisierte die Absage gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger scharf. Als Gesellschaft müssen wir dringend diskutieren, was an Politik von Außen in unser Land hereingetragen werden darf, sagte sie. Wenn die Demokratie wie Ende Juli dazu in der Lage sei, eine Demonstration türkischer Nationalisten am Deutzer Rheinufer zu ertragen, dann müsse sie auch ein kurdisches Kulturfest im Kölner Stadion ertragen.

Die Bundesregierung sieht Verbindungen zwischen der Türkei sowie Präsident Erdogan und islamistischen und terroristischen Organisationen im Nahen und Mittleren Osten. Diese Zusammenarbeit sei nach Einschätzung der Bundesregierung seit Jahren bewusste Politik der Regierung in Ankara und werde von Erdogan aktiv unterstützt.

Ich habe daher der Landesregierung NRW heute die folgenden Fragen gestellt:

  1. Warum sah sich die Polizei nicht in der Lage, das geplante Kulturfestival von den befürchteten Störungen auf andere, grundrechtsschonende Weise zu schützen als durch eine faktische Unterbindung der Veranstaltung selbst?
  2. Inwieweit unterscheidet sich diese Situation von der des 31. Juli in Köln so grundsätzlich, dass hier die Verhinderung der Veranstaltung, und damit die Einschränkung des Versammlungsrechts, angezeigt ist? Belegen Sie, dass die Landesregierung zwischen Türken und Kurden nicht mit zweierlei Maß misst.
  3. Welchen Stellenwert hat die Versammlungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen, wenn man mit der Verhinderung eines friedlichen und demokratischen Kulturfestes auf Bedrohungen von außen bzw. im Umfeld reagiert, anstatt es vor genau diesen Bedrohungen zu schützen?
  4. Welche Forderungen der Türkei bzw. des Generalkonsulates waren den Behörden des Landes bzw. der Landesregierung bezüglich des geplanten kurdischen Kulturfestes vom 3. September bekannt? Geben Sie auch an, inwieweit diese sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben, einen Nichtabschluss der Vertragsverhandlungen zu empfehlen.
  5. Welche Folgen hat die bekannt gewordene Einschätzung der Bundesregierung zur Türkei für die Landesregierung?

Über die Antworten werde ich berichten.