Was wusste man über den Attentäter von Düsseldorf-Wehrhahn und welche waffenrechtliche Erlaubnisse besaß er?

17 Jahre nach dem Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn führte jetzt eine DNA-Spur zu einem Verdächtigen. Damals war eine mit TNT gefüllte Bombe am Bahnhof explodiert, tötete ein ungeborenes Kind und verletzte 10 Menschen. Die Opfer waren überwiegend jüdische Einwanderer, die vom Deutschunterricht an einer Sprachschule kamen.

Der mutmaßliche Täter Ralf S. soll ein bekannter Neonazi aus Ratingen gewesen sein, der über ein Arsenal von Waffen verfügte. Im Zuge der damaligen Ermittlungen wurde er befragt, konnte aber ein Alibi vorweisen, was sich erst später als falsch herausstellte.

Es stellen sich Fragen nach seinem Waffenbesitz und seinem Umgang mit Sprengstoff, sowie nach den Erkenntnissen, die über ihn bereits vorlagen.

Die Sprachschule selbst lag gegenüber dem Ladengeschäft des Ralf S. Von zwei Neonazis seien die Sprachschüler im Herbst vor dem Anschlag bedroht worden.

Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass ein Informant des Verfassungsschutzes für den Tatverdächtigen gearbeitet hat. Auch hier stellen sich Fragen nach Art und Umfang einer möglichen Zusammenarbeit zwischen Ralf S. und den Sicherheitsbehörden des Landes NRW.

Ich habe daher heute der Landesregierung in einer kleinen Anfrage (Drucksache 16/14243) die folgenden Fragen gestellt:

  1. Über welche waffenrechtliche Erlaubnisse und/oder Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Sprengstoff verfügt bzw. verfügte Ralf S.? Bitte nennen Sie für jede Erlaubnis
    • die ausstellende Behörde,
    • den Ausstellungszeitpunkt,
    • wann die Erlaubnis ggf. widerrufen wurde,
    • zu welchen Zeitpunkten die Erlaubnis jeweils überprüft worden ist,
    • von welchen Behörden die Überprüfung jeweils veranlasst wurde, sowie
    • mit welchem Ergebnis die Überprüfung jeweils abgeschlossen worden ist.
  2. Welche Erkenntnisse lagen der Landesregierung zu Ralf S. vor? Nennen Sie z.B. ggf. vorhandene Erkenntnisse aus NADIS, NADIS WN, vom Staatsschutz, vom Landesamt für Verfassungsschutz, ggf. vorhandene Quellenberichte etc. Nennen Sie die jeweils erfassenden Behörden und Datum der Erfassung. Geben Sie auch an, welche Informationen über die Vertrauensperson André M. kamen.
  3. Inwieweit war Ralf S. zu irgendeinem Zeitpunkt als Quelle, Mitarbeiter, Vertrau-ensperson o.vgl. einer nordrhein-westfälischen Polizeibehörde oder eines nordrhein-westfälischen Amtes tätig? Nennen Sie ggf. Amt, Zeitraum und Auftrag.
  4. Inwieweit sind im Zuge der ersten Wohnungsdurchsuchungen des Ralf S. Hinweise auf Sprengstoff bzw. dessen Verarbeitung gefunden worden? Nennen Sie Art und Umfang ggf. gefundener Spuren.
  5. Welche Schritte sind unternommen worden, die beiden die Sprachschüler bedrohenden Neonazis zu identifizieren? Nennen Sie ggf. Ergebnisse der Ermittlungen.

Anlässlich des 27. Januar: Gegen Revisionismus! Die Shoa wird nicht vergessen werden

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Primo Levi¹

Aus den Reihen der AfD mussten wir kürzlich wieder einmal widerliche, revisionistische Aussagen hören. Das Holocaust-Mahnmal sei ein „Denkmal der Schande“, hieß es, die Aufarbeitung der Schrecken der Nazi-Zeit „Umerziehung“ und Teil des Versuches, den Deutschen ihre „kollektive Identität“ zu rauben. Statt der Opfer von Krieg und Vernichtung solle der deutschen Opfer gedacht werden. Die Erinnerung an Krieg und Opfer der Shoa sei „Mies- und Lächerlichmachung deutscher Geschichte“. Auschwitz sei nicht Teil deutscher Geschichte, wurde behauptet, sondern Propaganda mit dem Ziel der Umerziehung. Die praktizierte Erinnerungskultur sei ein „Schuldkult“, den man für beendet erklären will.²

Anlässlich des Gedenkentages für die Opfer des Nationalsozialismus am heutigen 27. Januar³ ist es mir wichtig, festzustellen:

  • Der Holocaust ist eine historische Tatsache. Er ist unleugbarer Teil unserer Geschichte und in seiner Monstrosität unvergleichlich.
  • Es ist unsere Aufgabe, die Erinnerung an den von Deutschland entfesselten zweiten Weltkrieg und an die Verbrechen gegen die Menschlichkeit jener Zeit wachzuhalten und an die folgenden Generationen weiterzugeben, auf dass sich solche Geschehnisse niemals wiederholen mögen.
  • Wer den Holocaust leugnet oder relativiert, wer die Erinnerung an 6 Millionen getötete Juden und die unzähligen anderen Opfer abschaffen möchte, wer nationalsozialistische Begriffe und Kategorien wieder hoffähig machen will, der stellt sich außerhalb des demokratischen Konsenses in unserem Land und erntet unseren Widerstand.
  • Personen und Parteien mit diesen Ansichten und Absichten dürfen in Parlamenten keinen Platz finden. Mit ihnen kann es keine Zusammenarbeit geben.

„Man muss immer Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“ [Elie Wiesel]⁴


¹ Über Primo Levi.
² Ja, dafür gibt es Quellen, die ich auf Anfrage gerne weitergebe, aber ganz sicher nicht mit Namensnennung oder einem Link aus diesem Beitrag heraus adeln werde. Die Urheber dieser Aussagen habe ich angezeigt.
³ Am 27. Januar 1945 befreite die rote Armee Auschwitz.
Über Elie Wiesel.

WDR Westpol zu Reichsbürgern und Waffenhandel im Darknet

westpol

WDR Westpol hat einen Beitrag zu Reichsbürgern und dem Waffenhandel im Darknet gemacht, mit einem Statement von mir. Der Beitrag beginnt in der Sendung ab Minute 12:25.

WDR Westpol Sendung vom 4. Dezember

Wie immer bleibt von einem Interview nur noch ein einzelner Satz übrig. Das ganze bezieht sich auf eine kleine Anfrage vom mir im Landtag, über die ich hier berichtet hatte.

„Reichsbürger“ nicht im Zettelkasten der Landespolizei – Landesregierung setzt falsche Prioritäten

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Erst zwei Tage nach den tödlichen Schüssen eines sogenannten „Reichsbürgers“ auf Polizeibeamte im bayerischen Georgensgmünd wurde in NRW erstmals im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem IGVP das Schlagwort „Reichsbürger“ eingeführt. Zuvor waren „Reichsbürger“ in den polizeilichen Systemen unbekannt. Dies brachte eine Kleine Anfrage von mir zutage. Die Antwort wird morgen im Landtagssystem veröffentlicht, hier ist sie zum Download verfügbar..

Trotz der seit Jahren dokumentierten Straftaten dieser rechten Verschwörungstheoretiker und deren Schnittmenge mit Rechtsextremen bewegen sich die Polizeibehörden in NRW in dieser Angelegenheit auf dem Stand von 1937. Die polizeilichen Datenverarbeitungssysteme in NRW sind unfassbar veraltet.

Die Anfrage ergab, dass seit 2012 bis September 2016 gegen sogenannte „Reichsbürger“ in mehr als 65 Delikten in NRW ermittelt wurde. Diese reichten von Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamten und Verstößen gegen das Waffengesetz über Volksverhetzung bis hin zu Fällen von Nötigung und Erpressung.

Gleichwohl gab es bislang in NRW weder eine einheitliche Erfassung noch werden „Reichsbürger“ im Kriminalpolizeilichen Meldedienst „Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) oder im staatsanwaltlichen Registrierungssystem MESTA mit einem eigenen Schlagwort erfasst. Selbst in den Justizstatistiken kommen „Reichsbürger“ in NRW überhaupt nicht vor. Eine frühere Anfrage von mir belegte hingegen die Speicherung von Personen als HIV- oder hepatitisinfiziert.

Die Gefahren durch „Reichsbürger“ sind seit Jahren bekannt. Trotz zahlreicher Straftaten hat die Landesregierung auf deren Erfassung verzichtet. Stattdessen speichert man HIV- und Hepatitisinfizierte. Anstatt die eigene Verwaltung zu aktualisieren, setzt man auf immer neue esoterische Überwachungstechnologie. Diese vollkommen falsche Prioritätensetzung muss enden.

Strafbefehle gegen „Düsseldorf stellt sich quer“-Aktivisten: Zivilcourage wird bestraft?

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Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat Strafbefehle in Höhe von insgesamt 210 Tagessätzen à 50 Euro verhängt. Torsten Nagel, zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer der Falken Düsseldorf und Mischa Aschmoneit, Programmplaner im Kulturzentrum zakk werden anlässlich der Proteste am Oberbilker Markt gegen die extrem rechten „Republikaner“ am 19. März 2016 die „Störung einer Versammlung“ sowie – wegen einer Sitzblockade – „Landfriedensbruch“ vorgeworfen.

Torsten Nagel wird zusätzlich vorgeworfen, bei einer Veranstaltung der rechtspopulistischen AfD in der Düsseldorfer Messe in seiner Funktion als Anmelder und Leiter der Gegenkundgebung von „Düsseldorf stellt sich quer“ (DSSQ) gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben. Beide waren in der Vergangenheit vielfach Leiter verschiedener Kundgebungen und Presseverantwortliche des Bündnisses „Düsseldorf stellt sich quer“. Gegen die Strafbefehle haben die beiden Beschuldigten Widerspruch eingelegt.

Rassismus und Hetze auf der Straße und im Netz sind immens angestiegen. Rassismus führt zu Gewalt: Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte haben sich im Jahre 2015 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. In diesem Kontext sind Blockaden als Zivilcourage „Bürgerpflicht “ und werden in anderen Städten NRWs, z.B. in Köln, ohne Repressionen erfolgreich praktiziert.

Die – ansonsten vollkommen friedliche – Behinderung einer Versammlung der extremen Rechte, um sie am Verbreiten ihres rassistischen und rechtsextremen Giftes zu hindern, ist auch eine Form des Protestes und Widerstands, damit ein Akt von Zivilcourage. Sie schützt Minderheiten vor der Konfrontation mit sonst transportiertem Hass und Gewalt.

Die Landesregierung betont die Notwendigkeit von Zivilcourage gegen Rechts, beispielsweise mit dem Projekt „helpline“, oder im vor wenigen Tagen vorgestelltem „Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Ein Preis für Zivilcourage wurde durch das Innenministerium vergeben.

Die Verhängung eines Strafbefehls gegen Aktive und Anmelder von Demonstrationen gegen rechts macht die Organisation und Durchführung zu einem unkalkulierbaren Risiko. Gesellschaftlich erwünschter Widerstand gegen Rechts wird so behindert. Neonazis fühlen sich dadurch bestärkt.

Das „No Border Projekt“, welches die beiden Beschuldigten mit ihren Initiativen gestartet und geleitet haben, war im Februar 2015 Präventonsprojekt des Monats des Landespräventionsrates des Justizministeriums und wurde im Mai 2016 erneut auf den Webseiten des Justizministeriums präsentiert. Es fand auch überregional viel Beachtung und Anerkennung.

Es ist schizophren, wenn die Landesbehörden Menschen in unserem Land für ihr Engagement gleichzeitig würdigen und bestrafen. Zumindest hätte die Staatsanwaltschaft einen Entscheidungsspielraum nutzen können, soweit er besteht, um die damit verbundene Zivilcourage von aktivem Widerstand gegen Rechts zu honorieren.

Ich habe daher der Landesregierung in einer kleinen Anfrage (Drucksache 16/13222) die folgenden Fragen gestellt:

  1. Inwieweit bewertet die Landesregierung den Einsatz der Anmelder der Demonstration gegen Rechts als Zivilcourage?
  2. Welchen Ermessensspielraum hatte die Staatsanwaltschaft im zitierten Fall? Gehen Sie darauf ein, inwieweit das Engagement der Beschuldigten in Betracht gezogen wurde.
  3. Aus welchem Grund hat die Staatsanwaltschaft auf eine geringere Strafe bzw. auf eine Einstellung der Verfahren verzichtet?
  4. Inwieweit ist eine – ansonsten vollkommen friedliche – Blockade gegen rechtsextreme Demonstrationen ein Akt der Zivilcourage bzw. nicht?
  5. Welche Gefahren für die zivilgesellschaftliche Courage gegen Rechts stellt die Verhängung von Strafbefehlen gegen Anmelder solcher Gegendemonstrationen dar?

Über die Antworten werde ich an gewohnter Stelle berichten.

Videobeobachtung durch Dortmunder Polizei bei „Es reicht“-Demonstration rechtswidrig?

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Nach Angriffen von Neonazis auf junge Antifaschisten in Dortmund stellt sich eine breite Initiative von über 40 Organisationen der rechtsextremen Gewalt in der Stadt entgegen. Rund 2000 Demonstranten gingen am Samstag, den 24. September 2016 unter dem Motto „Es reicht“ auf die Straße.

Die Demonstration verlief „ausgesprochen friedlich“, so wird berichtet. Die Dortmunder Polizei unterstütze das Engagement ausdrücklich, hieß es im Vorfeld.

Beobachter berichteten, dass die friedliche Demonstration von Kamerawagen der Polizei beobachtet wurde. Dies wurde durch die Polizei Dortmund bestätigt, sie habe „reine Übersichtsaufnahmen für den Polizeiführer“ durchgeführt. Mir wurde übermittelt, es wäre keine Speicherung der Aufzeichnung erfolgt. Damit wurde die reine Beobachtung durch Kamerawagen bestätigt.

Das Verwaltungsgericht Münster hat in einem Urteil vom 21. August 2009 mit dem Az. 1 K 1403/08 eine Videobeobachtung einer Demonstration im Jahre 2008 für rechtswidrig erachtet.

Beamte des Polizeipräsidiums N. richteten sowohl bei der Auftaktkundgebung als auch bei dem Demonstrationszug von einem vorausfahrenden Polizeiwagen aus deutlich erkennbar eine Kamera auf die Demonstrationsteilnehmer, so heißt es im Urteil. Die auslösebereite Kamera übertrug die Bilder auf einen Monitor in einem Polizeifahrzeug (Beweissicherungsfahrzeug). Auf Proteste des Klägers sowie des Versammlungsleiters sowohl im Rahmen der Auftaktveranstaltung als auch später während des Aufzuges teilten die Polizeibeamten mit, eine Aufzeichnung erfolge gegenwärtig nicht und werde lediglich im Falle von Störungen bzw. Verstößen gegen das Versammlungsgesetz erfolgen. Zu solchen kam es nicht.

Das Gericht stellte fest, dass das „Richten einer aufnahmebereiten Kamera auf die Demonstrationsteilnehmer nebst Übertragung der Bilder auf einen Monitor … den Kläger in seinen Grundrechten“ verletze. Die Videobeobachtung beeinträchtige die innere Versammlungsfreiheit. Bürger könnten von der Teilnahme an der Versammlung abgeschreckt werden oder sich in dieser nicht frei bewegen. Auf eine tatsächliche Aufzeichnung oder Speicherung kommt es nicht an.

Eine Beobachtung sei aber nur vertretbar, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.“ Diese lagen im Urteilsfalle, aber auch im Falle der Dortmunder „Es reicht“-Demonstration erkennbar nicht vor. Die Versammlung in Dortmund war durchgängig friedlich und ohne Zwischenfälle, und es waren auch keinerlei Risiken im Vorfeld bekannt. Die Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten o.ä. schwache Gründe rechtfertige diesen Grundrechtseingriff jedenfalls nicht, so das Gericht in seinem Urteil.

Es ist ein Widerspruch, wenn die Dortmunder Polizei die Demonstration einerseits „unterstützt“, andererseits durch eine Videobeobachtung selbst einen Abschreckungseffekt auslöst. Sie wird ja wohl kaum eine Demonstration ausdrücklich unterstützen, von der sie erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erwartet. Anlässe für eine Neubewertung des Risikos der Demonstration hat es nachweislich nicht gegeben.

Man muss auf Basis dieses Urteils davon ausgehen, dass die Videobeobachtung in Dortmund offenbar rechtswidrig war, da die Vorbedingungen der beiden Demonstrationen offenkundig vergleichbar sind, und die Begründungen vollkommen analog verlaufen können.

Ich habe daher die Landesregierung heute in einer Kleinen Anfrage (DrsNr. 16/13020) gefragt:

  1. Auf welchen rechtlichen Grundlagen erfolgte die erkennbare und bestätigte Videobeobachtung der von Anfang an friedlichen Demonstration in Dortmund vom 24. September 2016?
  2. Inwieweit ist diese Beobachtung nach Auffassung der Landesregierung – unter Berücksichtigung des Urteils des VG Münster – rechtlich zulässig bzw. unzulässig gewesen?
  3. Inwieweit ist die Landesregierung der Auffassung, eine Beobachtung der von Beginn an friedlichen Demonstration verletze nicht die informationelle Selbstbestimmung der Demonstranten bzw. deren Recht auf Versammlungsfreiheit? Gehen Sie dabei auch auf den genannten Abschreckungseffekt eine Videobeobachtung ein.
  4. Welche Konsequenzen werden aus der – möglicherweise illegalen – Videobeobachtung in Verbindung mit dem genannten Urteil des VG Münster gezogen?
  5. Inwieweit und unter welchen Umständen ist die Videobeobachtung von friedlichen Kundgebungen polizeiliche Praxis? Nennen Sie alle bekannten Fälle, sowie entsprechende Dienstvorschriften.

Über die Antwort werde ich wie gewohnt berichten.

Weitere Hintergründe über „Es reicht“ kann man z.B. hier nachlesen.

Mit den Opfern wird nicht gesprochen: Ermittlungen zum Mord in Holte-Stukenbrock abgeschlossen

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Die Landesregierung möchte einen rechtsextremen Hintergrund des Mordes an einem türkischen Familienvater in Schloss Holte-Stukenbrock weder bestätigen noch dementieren. In seiner Antwort auf eine kleine Anfrage von mir (Drs.Nr. 16/12730) wollte der Innenminister auch nicht angeben, ob ein Bezug zum NSU ermittelt werden konnte. Ein Täter habe nicht ermittelt werden können. Die Untersuchungen seien abgeschlossen. Damit lässt sie reichlich Raum für Spekulationen.

Am 7. September 1996 wurde in Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) ein Familienvater türkischer Nationalität auf offener Straße erschossen, während er mit seiner kleinen Tochter auf dem Fahrrad unterwegs war. Der Fall wurde nie aufgeklärt. Im Rahmen der NSU-Untersuchungen wurde dieser Fall sowie weitere ungeklärte Altfälle zur Überprüfung eines möglichen rechtsterroristischen bzw. rassistischen Hintergrundes wieder aufgenommen und an die Landesbehörden zur Überprüfung übergeben. Ich hatte über den Fall bereits berichtet.

Das Innenministerium gab jetzt in seiner Antwort (Drs.Nr. 16/12957) an, dass im ursprünglichen Ermittlungsverfahren „sämtliche Ermittlungsrichtungen berücksichtigt“ worden wären. Ich halte das nicht für glaubhaft: Bei der gesamten NSU-Terrorserie sind Opfer und Angehörige mit Verdächtigungen terrorisiert worden. Auch beim Nagelbomben-Attentat in der Kölner Keupstraße wurde schon am Tag nach der Tat ein terroristischer Hintergrund ausgeschlossen. Warum sollte das ausgerechnet hier anders gewesen sein? Der Innenminister ist nicht willens, sich mit eventuellen Ermittlungsfehlern auseinanderzusetzen, selbst nachdem es zahlreiche Tote durch Rechtsterrorismus gegeben hat.

Und eine weitere Unterlassung ist meinen Informationen aus der Familie zufolge geschehen: Man hat nicht mit den Angehörigen gesprochen. Im Zuge der Neuermittlungen hat man es nicht für nötig befunden, mit der Familie des Mordopfers Kontakt aufzunehmen. Das ist beschämend.

Messer und Kühnengruß auf Dortmunder Demonstration: Polizei auf dem rechten Auge blind?

Edit 14.09.:
Es reicht uns mit der Nazi-Pest. Kommt zur Demonstration „Es reicht!“ gegen Nazi-Gewalt am 24.9. in Dortmund, 13 Uhr am Hauptbahnhof (Nordeingang/Steinwache)! Folgt auf Twitter, verbreitet den Aufruf bitte weiter:

Facebook: https://www.facebook.com/esreichtdo/
Twitter: @es_reicht_do

butterflymesser

Am 02. September 2016 marschierte in Dortmund wieder einmal die rechtsextreme Szene auf – glücklicherweise begleitet von vielen engagierten Antifaschisten, die sich ihnen in den Weg stellen wollten. Nicht so erfreulich war das Verhalten der örtlichen Polizei.

Bilder vom Protest gegen die Nazikundgebung dokumentieren, wie Benjamin G., eine Person aus dem Umfeld der Dortmunder Neonazi-Szene, mit einem Messer herumhantiert und den sog. „Kühnengruß“ zeigt. Beides geschah, wie die Aufnahmen nachweisen, in unmittelbarer Nähe und unter den Augen von Beamten der 3. Bereitschaftspolizeihundertschaft aus Dortmund, die jedoch von einer Strafverfolgung vor Ort absahen.

G. habe während eines Wortgefechts mit Aktivisten der Antifa im Bereich der U-Bahnhaltestelle Brunnenstraße ein Butterfly-Messer aus seiner Hosentasche gezogen, es geöffnet und damit gedroht. Sowohl die Klinge als auch die für das Öffnen typische Handbewegung seien auf einem Video deutlich zu erkennen, so wird berichtet. Im weiteren Verlauf zeigte G. den sogenannten “Kühnengruß”, eine an den Hitlergruß angelehnte Erkennungsgeste der verbotenen ehemaligen Neonazigruppierung ANS/NA.

Die laxe Haltung der Polizei Dortmund angesichts einer gefährlichen Situation mit einem Messer sowie dem Zeigen einer Erkennungsgeste einer verbotenen Organisation wirft Fragen auf. Ich habe daher der Landesregierung heute die folgenden Fragen gestellt:

  1. Warum wurde in der Demonstration nicht gegen G. eingegriffen, als er das Messer zog bzw. den Erkennungsgruß einer verbotenen Neonazi-Organisation zeigte?
  2. Welche Strafanzeigen bzw. strafrechtlichen Ermittlungen gibt es in Folge der Neonazi-Demonstration am 02. September 2016 in Dortmund?
  3. Welche Informationen über das Mitführen und Hervorholen von Waffen sowie über das Zeigen von Erkennungszeichen verbotener Organisationen auf der ge-nannten Neonazi-Demonstration liegen derzeit vor?
  4. Welche Anweisungen haben Polizeibeamte, wie sie damit umgehen sollen, wenn auf Demonstrationen Messer mitgeführt oder hervorgeholt werden, bzw. wenn Erkennungszeichen verbotener Organisationen gezeigt werden? Gehen Sie darauf ein, in welchen Fällen ein sofortiges Einschreiten vorgenommen werden soll.
  5. Welcher Eindruck wird in der Öffentlichkeit erweckt, wenn auf Nazi-Demonstrationen unter den Augen von Polizeibeamten Waffen gezogen, Erkennungsgrüße verbotener Organisationen gezeigt oder andere erkennbare Straftaten begangen werden, ohne dass die anwesende Polizei dagegen einschreitet? Gehen sie darauf ein, inwieweit dann der Eindruck erweckt wird, die Polizei sei auf dem rechten Auge blind.

Der NSU und ein 20 Jahre alter Mord in Schloß Holte-Stukenbrock

Pistole

Am 7. September 1996 wurde in Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) ein Familienvater türkischer Nationalität auf offener Straße erschossen, während er mit seiner kleinen Tochter auf dem Fahrrad unterwegs war. Der Täter sprang aus einem Gebüsch, feuerte sechs Schüsse auf das Opfer ab und entkam unerkannt. Der Vater starb vor den Augen seiner Tochter. Der Fall wurde nie aufgeklärt.

Nach dem Bekanntwerden der Terror- und Mordserie des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) wurde eine Reihe von ungeklärten Altfällen zur Überprüfung eines möglichen rechtsterroristischen bzw. rassistischen Hintergrundes wieder aufgenommen, darunter auch der genannte Fall. Durch die Arbeitsgruppe Fallanalyse des „Gemeinsamen Extremismus-/Terrorismusabwehrzentrums“ (GETZ) wurde dieser Fall identifiziert und durch das BKA den Landesbehörden zur Überprüfung und Bewertung übermittelt. Unsere LINKEN-Bundestagsabgeordnete im NSU-Untersuchungsausschuss Martina Renner hatte die Bundesbehörden nach dem Stand der Untersuchungen gefragt.

Der Mord in Schloß Holte-Stukenbrock erinnert fatal an die NSU-Mordserie, obwohl die – nach heutiger Kenntnis – erst im Jahre 2000 begann. Auch dort wurden ausländische, ansonsten völlig unauffällige und harmlose Mitbürger mit Schusswaffen getötet, auch diese Morde geschahen ohne erkennbares Einzelmotiv, wirkten gewissermaßen unmotiviert und zusammenhanglos.

Ich möchte erreichen, dass dieser Fall im Lichte des NSU-Terrorismus neu untersucht wird – und zwar ernsthaft. Dazu könnte zum Beispiel gehören, neue Zeug/innen zu vernehmen, alte Zeug/innen nochmal zu vernehmen, oder Asservate neu zu untersuchen, dies auch ggf. mit Methoden, die damals noch nicht zur Verfügung standen. Oder wurden gar Asservate bereits vernichtet, obwohl der Fall ungeklärt blieb?

Und ich möchte natürlich wissen, ob derselbe Fehler wie in den Fällen des NSU-Terrorismus gemacht wurde: Die Möglichkeit einer rechtsmotivierten Tat von vorneherein auszuschließen. Schloß Holte-Stukenbrock ist nicht gerade ein weißer Fleck, was rechtsradikale Organisationen und Personen aus dem rechtsextremen Umfeld angeht: Auch Mitte der 90er Jahre gab es hier eine rege rechte Szene. Auch gibt es Anzeichen von Verbindungen aus dieser Szene zu NSU-Unterstützern. Lassen sich möglicherweise Hinweise darauf finden, dass Mitglieder dieser Szene in den Mord verwickelt waren?

Daher habe ich der Landesregierung in einer kleinen Anfrage (Landtagsdrucksache 16/12730) die folgenden Fragen gestellt:

  1. Welche Ermittlungen bzw. Überprüfungen haben die Landesbehörden in der Sache genau vorgenommen bzw. werden noch unternommen?
    Bitte nennen Sie jede einzelne Maßnahme der Ermittlung bzw. Überprüfung mit jeweiligem Zeitrahmen bzw. mit geplanten Zeitpunkten des Beginns oder der Fertigstellung sowie die daran beteiligten Behörden.
    Soweit z.B. alte oder neue Zeugen vernommen wurden bzw. alte oder neue Asservate untersucht wurden (ggf. mit neuen Methoden, die 1996 noch nicht zur Verfügung standen), oder Asservate nicht untersucht werden können, weil sie zwischenzeitlich vernichtet wurden, nennen Sie das bitte ebenfalls.
  2. Wie weit sind Überprüfung und Bewertung inhaltlich fortgeschritten? Erläutern Sie jedes der zwischenzeitlich erreichten Ergebnisse und nennen Sie den Termin des geplanten Abschlusses des Falles.
  3. Inwieweit konnte ein rechtsterroristischer bzw. rassistischer Hintergrund bestätigt bzw. ausgeschlossen werden?
  4. In welche Richtungen wurde im ursprünglichen Verfahren ermittelt? Sagen Sie auch, inwieweit bei den ursprünglichen Ermittlungen ein rechtsterroristischer bzw. rassistischer Hintergrund der Tat überprüft wurde und begründen Sie die Auswahl der Ermittlungsrichtungen.
  5. Welche schriftlichen Berichte und Bewertungen des Falls (abschließende oder Zwischenbewertungen bzw. Zwischenberichte) liegen vor? Legen Sie jeden Bericht / jede Bewertung (ggf. soweit notwendig anonymisiert/geschwärzt) vor und nennen Sie das Datum der Erstellung.

Über Antworten werde ich auf die gewohnte Weise berichten.

Berichterstattung zur Anfrage gab es in verschiedenen Lokalmedien, so zum Beispiel im Westfalen-Blatt, in der Neuen Westfälischen und bei Radio Gütersloh.

Faktisches Verbot eines kurdischen Kulturfests in Köln

Stadion

Ein für den 3. September geplantes internationales kurdisches Kulturfestival im Kölner Rhein-Energie-Stadion kann nicht stattfinden. Der Stadionvermieter, die Sportstätten Köln GmbH (eine 100%ige Tochter der Stadt Köln), hat ihre Zusage vor Abschluss des Mietvertrages wieder zurückgezogen, nachdem die Kölner Polizei empfohlen hatte, den Veranstaltungsvertrag nicht zu unterzeichnen.

Angemeldet hatte die Veranstaltung der eingetragene Verein „Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland“, kurz „Nav-Dem“, welcher ein demokratischer Dachverband kurdischer Kultur und Gesellschaft in Deutschland ist. Das kurdische Kulturfestival wird bereits seit vielen Jahren ohne Zwischenfälle durchgeführt und hat in der Vergangenheit schon friedlich im Kölner Stadion stattgefunden.

Polizeipräsident Jürgen Mathies begründet die „Empfehlung“ mit Sicherheitsbedenken. Die jüngsten gewalttätigen Konflikte in der Türkei führten zu einer hohen Emotionalisierung auch der in Köln lebenden Kurden und Türken, er halte gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden rund um das Stadion für wahrscheinlich.

Es stellt sich die Frage, warum die Kölner Polizei sich nicht in der Lage sieht, ein legales, friedliches und demokratisches Kulturfest vor eventuellen Auseinandersetzungen im Umfeld schützen zu können, und angesichts dieser Bedenken nicht etwa Gegendemonstrationen fernhalten will, sondern die ursprüngliche Veranstaltung verhindert. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint das Versammlungsrecht in NRW ausgehöhlt und brüchig. Zudem erscheint ein Kulturfestival im Stadion am Stadtrand sehr viel einfacher zu sichern als eine Kundgebung in der Innenstadt.

Die Sportstätten Köln GmbH hatte die Veranstaltung zunächst verteidigt. In einer Mitteilung dazu hieß es: „Bei dieser Organisation handelt es sich um einen in Deutschland eingetragenen Verein, der sich mit seinen Tätigkeiten am Meinungsbildungsprozess der deutschen demokratischen Gesellschaft beteiligt.“ Der anschließenden „Empfehlung“ der Kölner Polizei konnte sich der Vermieter jedoch faktisch nicht entziehen, da er natürlich auch weiterhin auf die Unterstützung und Kooperation der Polizei angewiesen ist und eine enge Bindung an die Stadt Köln besteht. Es steht außer Frage, dass eine solche „Empfehlung“ der Polizei einem faktischen Verbot nahekommt.

Die türkische Generalkonsulin Sule Gürel hatte zuvor die geplante Veranstaltung „terroristische Propaganda“ genannt und ein Verbot gefordert. Eine Großdemonstration nationalistischer Türken in Köln-Deutz hatte die Kölner Polizei am 31. Juli ungehindert stattfinden lassen. Der Polizei war es an diesem Tage gelungen, ein Aufeinandertreffen von feindlichen Gruppen zu verhindern. Auch in diesem Falle war schon im Vorfeld mit möglichen Auseinandersetzungen zu rechnen, auch diese Demonstration fand in emotional aufgeheizter Stimmung statt. Die kurdische Gemeinde hatte sich an diesem Tag außerordentlich diszipliniert gezeigt und war überwiegend zu Hause geblieben.

Es drängt sich der Eindruck auf, die Polizei des Landes sei hier servil dem Wunsch der Türkei nach einem Verbot der Veranstaltung gefolgt, indem sie durch die „Empfehlung“ ein Verbot durch die Hintertür erreicht hat. Der Vermieter konnte sich der Empfehlung aus naheliegenden Gründen nicht entziehen. Für ein tatsächliches Verbot fehlt der Polizei die rechtliche Basis. Man könnte meinen, zwischen kurdischen und türkischen Veranstaltungen wird in NRW mit zweierlei Maß gemessen. Es erscheint, als würde sich die Polizei geäußerter Kritik und drohenden gewalttätigen Angriffen durch türkische Nationalisten beugen. Kurdische Verbände hingegen werden in Deutschland weiter kriminalisiert.

Die ehemalige Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete und Autorin Lale Akgün kritisierte die Absage gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger scharf. Als Gesellschaft müssen wir dringend diskutieren, was an Politik von Außen in unser Land hereingetragen werden darf, sagte sie. Wenn die Demokratie wie Ende Juli dazu in der Lage sei, eine Demonstration türkischer Nationalisten am Deutzer Rheinufer zu ertragen, dann müsse sie auch ein kurdisches Kulturfest im Kölner Stadion ertragen.

Die Bundesregierung sieht Verbindungen zwischen der Türkei sowie Präsident Erdogan und islamistischen und terroristischen Organisationen im Nahen und Mittleren Osten. Diese Zusammenarbeit sei nach Einschätzung der Bundesregierung seit Jahren bewusste Politik der Regierung in Ankara und werde von Erdogan aktiv unterstützt.

Ich habe daher der Landesregierung NRW heute die folgenden Fragen gestellt:

  1. Warum sah sich die Polizei nicht in der Lage, das geplante Kulturfestival von den befürchteten Störungen auf andere, grundrechtsschonende Weise zu schützen als durch eine faktische Unterbindung der Veranstaltung selbst?
  2. Inwieweit unterscheidet sich diese Situation von der des 31. Juli in Köln so grundsätzlich, dass hier die Verhinderung der Veranstaltung, und damit die Einschränkung des Versammlungsrechts, angezeigt ist? Belegen Sie, dass die Landesregierung zwischen Türken und Kurden nicht mit zweierlei Maß misst.
  3. Welchen Stellenwert hat die Versammlungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen, wenn man mit der Verhinderung eines friedlichen und demokratischen Kulturfestes auf Bedrohungen von außen bzw. im Umfeld reagiert, anstatt es vor genau diesen Bedrohungen zu schützen?
  4. Welche Forderungen der Türkei bzw. des Generalkonsulates waren den Behörden des Landes bzw. der Landesregierung bezüglich des geplanten kurdischen Kulturfestes vom 3. September bekannt? Geben Sie auch an, inwieweit diese sich auf die Entscheidung ausgewirkt haben, einen Nichtabschluss der Vertragsverhandlungen zu empfehlen.
  5. Welche Folgen hat die bekannt gewordene Einschätzung der Bundesregierung zur Türkei für die Landesregierung?

Über die Antworten werde ich berichten.