TTIP & Co.: Kein kritisches Begleiten möglich

Dieser Text ist anlässlich des TTIP-Aktionstages 18. April 2015 bei Freitag Online veröffentlicht worden.

dock-441989_640Welthandel ist grundsätzlich eine gute Sache. Welthandel kann Bauern in Entwicklungsregionen emanzipieren, wenn sie ihre Produkte unter Umgehung von möglichst vielen der bisherigen Zwischenstationen weltweit verkaufen können, um einen möglichst fairen Preis zu erhalten. Werktätige, Dienstleisterinnen und Dienstleister, Produzentinnen und Produzenten können ihr Angebot an dem Ort der Welt anbieten, wo die Nachfrage einen für sie attraktiven Erlös verspricht. Gerade das Internet verstärkt und unterstützt diese Form des Handels.

Der Abbau von Handelsschranken, die Schaffung eines gemeinsamen Handelsraumes ist ein Weg, um Grenzen zu überwinden und Menschen zusammenzuführen. Ein freier Handel wirkt gegen Monopole und die Macht weniger Konzerne in abgeschotteten Wirtschaftsräumen.

Abkommen, die den Freihandel fördern, können also sinnvoll und wünschenswert sein. Dazu müssen sie so konstruiert sein, dass sie in erster Linie den Menschen dienen: Die Interessen der Menschen müssen an erster Stelle solcher Vereinbarungen stehen.

Die aktuellen, in Verhandlungen befindlichen Abkommen wie TTIP, CETA, TISA und TPP erfüllen diese Grundforderung jedoch gerade nicht. Zudem erleben wir in den letzten Jahren einen sich verstärkenden Trend, Kosten zu sozialisieren und Gewinne zu privatisieren. Das Versprechen von sich durch den Freihandel erhöhendem Wirtschaftswachstum basiert zum großen Teil auf diesem Effekt. Doch was nützt Wirtschaftswachstum, wenn es mit steigenden Kosten für die Allgemeinheit finanziert wird? Das stellt lediglich eine sich verstärkende Umverteilung von unten nach oben dar.

Standards auf dem höheren Niveau harmonisieren

Wir haben in den unterschiedlichen Regionen der Erde unterschiedlich hohe Standards in Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz und Umweltschutz erreiche, oft erst nach jahrzehntelangem Kampf. Das Bewusstsein, dass Kosten von Umweltverschmutzung, sozialer Sicherung und Verbraucherschutz von denjenigen zu tragen sind, die sie verursachen, hatte dazu geführt, dass bislang sozialisierte Produktionskosten stärker den Produzierenden auferlegt worden sind. Diese Bemühungen waren aber national höchst unterschiedlich von Erfolg gekrönt.

Die Handelsabkommen wie TTIP und CETA begreifen solche Bemühungen nur als Handelshemmnis. Wenn unterschiedliche Standards in den Regionen existieren, oder wenn an einem Ort ein neuer, höherer Schutz erkämpft wird, bieten diese Abkommen Instrumente an, mit welchen Unternehmen Schutzstandards zerstören können. Der in den Verträgen formulierte sogenannte Investorenschutz bietet mit den umstrittenen Schiedsgerichtsverfahren ein gefährliches, außergesetzliches Werkzeug zum Angriff auf diese Rechte.

Der Ansatz, Schutzstandards aus Umweltschutz, Bürgerrechten, Arbeitnehmerrechten oder Verbraucherrechten als Hindernis zu sehen, ist grundfalsch. Im Gegenteil: Überall dort, wo die Schutzstandards niedrig sind, stellt dies eine Subvention der Wirtschaft dar, denn die mit niedrigen Standards verbundenen Kosten für Sozialsysteme, für Abfallentsorgung, für Umweltschutz trägt die Allgemeinheit, und nicht das verursachende Unternehmen. Geringerer Verbraucherschutz geht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die auf diese Weise erhöhte Gewinnspanne ist eine unmittelbare Subvention der Wirtschaft, und daher eine Wettbewerbsverzerrung.

Niedrige Schutzstandards wirken wie versteckte Subventionen. Ein Handelsabkommen sollte darauf gerichtet sein, solche Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Ein Klagerecht für Gewerkschaften, für Verbraucherverbände, für Umweltverbände gegen niedrige Schutzstandards verbunden mit einem Recht, die jeweils höheren Schutzstandards der Handelspartner auch bei sich durchzusetzen, könnte eine Lösung sein. Der Handel findet dann auf beiden Seiten gleiche Bedingungen vor, und die Chancengleichheit ist hergestellt. Das höhere Schutzniveau wurde von dem einen Land in das andere exportiert.

Grenzen nach innen und außen abbauen

Ein bilaterales Handelsabkommen baut Grenzen im inneren ab, verstärkt diese jedoch nach außen. Eine solche Vereinbarung zwischen stärker entwickelten Regionen schwächt und benachteiligt außenstehende Entwicklungs- und Schwellenländer. So mag das bilaterale Abkommen helfen, Menschen der betroffenen Länder einander näher zu bringen – schließt die übrigen jedoch aus.

Daher muss jedes Handelsabkommen zwischen stärker entwickelten Ländern eine Fairnessklausel enthalten: Schwächer entwickelte Regionen dürfen nicht ausgeschlossen werden, sie müssen von den gleichen Vorteilen des freien Handels profitieren dürfen. Die vertraglich verbundenen Länder dürfen ihre gemeinsame Macht nicht nach außen wenden, sie müssen sich solidarisch mit den außenstehenden Ländern zeigen, die nicht mit solcher Macht ausgestattet sind. Ein derartiger Vertragsschluss ist die einmalige Gelegenheit, sich zu diesem Handeln zu verpflichten.

Nicht zuletzt darf ein internationales Handelsabkommen nicht von der Exekutive und einzelnen Interessengruppen hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Der postdemokratische Trend, zivilrechtliche Verträge zwischen Ländern und Unternehmen zu schließen, und dabei demokratische Prozesse außer Kraft zu setzen, muss gestoppt werden. Es sind die demokratisch gewählten Volksvertreter, die diese Verhandlungen führen müssen, es sind zivilgesellschaftliche Gruppen und Verbände, es sind die Menschen, die mit am Verhandlungstisch sitzen müssen. Und das ganze muss transparenter, demokratischer Kontrolle unterzogen werden. Jeder Schritt, jede Verhandlung muss öffentlich sein

Solange die Verträge weit von solchen Anforderungen entfernt sind, solange darf man ihnen nicht zustimmen. Man muss die Gegenposition einnehmen: TTIP, CETA, TISA, TPP müssen unbedingt abgelehnt werden. Es ist erforderlich, die Verhandlungen jetzt zu beenden, ein neuer internationaler Ansatz, ein neuer Vertrag mit dem Menschen im Zentrum ist notwendig. Ein lediglich „kritisches Begleiten“ der TTIP-Verhandlungen, so wie es der Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen im Februar 2014 beschlossen hatte, ist jedenfalls deutlich zu wenig.

ʥ

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3 Gedanken zu „TTIP & Co.: Kein kritisches Begleiten möglich

  • 21. April 2015 um 17:02 Uhr
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    Ja, die 150 Jahre alte „Tante“ SPD, die bekanntlich „, die „Sozialität“, „das Soziale“ nicht nur mit den große Löffeln gegessen sondern das bereits angeblich per Geburt“ (Parteieintritt) muttermilchig aufgenommen haben will, repräsentiert mit ihrem Erzengel Gabriel den Nächsten, der sich diese Partei auch wieder unter seinen eigenen Nagel reißen will, um so Masse weich zu kochen und zu instrumentalisieren, die Asozialität angeblicher „Handelsabkommen“ als schönes Geschenk aus Übersee und letztlich eh unverzichtbar hin zu stellen – allerdings ohne zu sagen / nachzuweisen, für WEN unverzichtbar.

    Von der verMerkelten „an Sässigen“ CDU ganz zu schweigen: Wer sich gern und vorauseilend als Wunsch-Wurmfortsatz des „US-Freihandels“ der dort regierenden Millionärsgilde verhält, kommt nicht einmal ansatzweise auf die Idee, daß es mit diesen derzeitigen Vorstellungen (wie von dir treffend beschrieben) nicht mit rechten (oder sehr wohl mit „rECHTEN“) Dingen zugehen könnte, daß damit die Erfordernisse einer deutschen rsp. europäischen Politik sich per Unachtsamkeit erledigt, da das nun diese (!) „Handelsabkommen“ gleich mit übernehmen, samt der Aushebelung unserer deutschen / europäischen Gerichtsbarkeit, für deren Ersatz gleich (natürlich entsprechend „geeignet“) auf „privat“ umgestellt wird.

    Nun haben wir eine große Koalition dieser beiden, die beide – enthoben jeweils einer eventuellen oppositionellen Verbalschlacht – seltsamerweise in Kenntnis deiner Ausführungen diese (!) Art von Handelsabkommen samt ihrer verdeckten intransparenten Enstehung unterstützen, dazu noch etwas „Grün“ als Schnittlauch dieser Partei dazu erhalten, obwohl sich – rein äußerlich – Grün mächtig zu sträuben scheint, jedoch angesichts der Kenntnis sonstiger Ambitionen eines Parteichefs Cem nur wie Stroh(mann)feuer ausnimmt.

    So, lieber netnrd, an wen der dann noch verbleibenden politischen Aktiven mag sich deine hervorragende Darstellung nun noch richten, wer von den Etablierten mag sie sich in gegenwärtiger Situation zu eigen machen, in einer ungeheuren Flut von Aktionismen zur Flüchtlingssituation fällt JEDES Handelsabkommen glatt unter (besser auf) jeden Tisch, ohne daß da jemand richtig und mit Resonanz und Power meckert – die Kraft des Protestpotenzials ist wie von unsichtbarer Hand zu großen Teilen umgelenkt auf das Ertrinken im Mittelmeer …

    Damit ich hier richtig verstanden werde: Ich bin nicht für ein Ertrinken im Meer, in welchem auch immer, ich argumentiere hier nicht gegen Flüchtlingshilfe, aber wenn die Flüchtlingsproblematik in 10 oder 20 Jahren sich etwas gelegt hat, werden uns überall in der Welt die neuen Flüchtlingsströme „überraschen“:
    Die Ankömmlinge alle wieder zurück, da keine Existenz-Chancen mehr, und die eigentlich „Einheimischen“ gleich mit als Neoflüchtlingswelle, die den Folgen dieser asozialen Handelsabkommen nun entkommen müssen, ohne irgendeine Kraft der Demokratie, des Rechtes oder der Vernunft noch ansprechen zu können …

    Es wäre nicht das erste Mal, daß gewissermaßen im Vorbeigehen die demokratischen Errungenschaften der letzten 100 Jahre mit Wirkung für die nächsten 100 mal im „leisen Streifen“ der Politik außerhal eine großen aktuellen Sturmes beschnitten und unterhöhlt werden, eigenartigerweise eindeutig zum Vorteil derer, die über die großen Millionen verfügen, und nicht derer, die diese erarbeiteten.

    Wie darf man nun deine Überschrift werten, in der du sagst:
    „Kein kritisches Begleiten möglich“ ?
    Stimmt das?
    Oder muß nur dieses „Gleiten“ dabei zum „Begleiten (wenn dazu nötig: deformier)t werden?

    Das gliche dann allerdings einem Piratenakt – oder wie sollte das noch anders gehen?

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  • 21. April 2015 um 17:55 Uhr
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    Mal was zum direkten Vergleich: CARTA
    in
    http://www.carta.info/78191/warum-amerika-ttip-nicht-fuerchtet/

    Da gibt es eine seltsame Schönfärbung für „Mehr Arbeitsplätze, Angleichung der sozialen und rechtlichen wie ökologischen und ökonomische4n Strandards nach dem jeweils „höheren“ Niveau …“
    Was für ein Holywoodfilmchen, das Problem besteht nicht darin, daß viele Deutsche und Franzosen solches nicht wollten oder nicht verstehen, sondern vielmehr darin, daß deiese Verheißungen völlig intransparent und verheimlicht zustande kommen sollen und erst nach Verabschiedung (teil)veröffentlicht werden sollen.
    Wenn also Obama noch während seiner Amtszeit diese Handelsabkommen mit D und F haben will, brauch er nur sofort die unverzügliche und unbegrenzte Transparenz der jeweiligen Verhandlungsstäne wörtlich zu veröffentlichen – wenn er dann diese Abkommen übehaupt noch will.
    Da hilft auch keine „wohlmeinende“ aber auffallend apolitische CARTA-Veröffentlichung, um die Deutschen und französischen Widersacher an den Rand der „vernunftorientierten“ Obama-Anhänger zu drängen:
    Intransparenzund GEheimniskrämerisches Verhandeln sind die größten Feinde eines jeden Fortsch und der Schaffung von neuen (!) Arbeitsplätzenritts, einer jeden Humanität und Sozialität, eines jeden VERTRAUENS und deshalb auch Feind des FREIEN Welthandels, womit niemand erklären kann, daß nach diesen Abkommen nun mehr Konsum folgen soll und so auch zu mehr neuen Arbeitsplätzen führen soll – es sei denn, diese Kausalität is vor dem Abschluß öffentlich diskutierbar erklärbar, die Untergrabung bewährter Standards eindeutig ausschließbar.

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