Videospot der Piraten zu Nebeneinkünften

Die SG Trailerpiraten haben einen Spot zu Nebeneinkünften produziert, an dem ich mitmachen durfte. Vielen Dank!

Die Abgeordneten der Piratenpartei machen das! Sie legen alle ihre Nebeneinkünfte vollständig offen. Dieser Clip ist ein Appell an alle anderen Politiker, dies genauso zu machen.

(Lizenz: CC-BY Trailerpiraten)

Teilnehmer am Video:

– Daniel Schwerd (NRW)
– Angelika Beer (Schleswig-Holstein)
– Fabio Reinhardt (Berlin)
– Torge Schmidt (Schleswig-Holstein)
– Alexander Spieß (Berlin)
– Patrick Breyer (Schleswig-Holstein)
– Martin Delius (Berlin)
– Wolfgang Dudda (Schleswig-Holstein)
– Oliver Bayer (NRW)
– Heiko Herberg (Berlin)

Die Würde des Menschen

Stell Dir vor, nachts um drei kommt die Polizei und nimmt Dir die Decke weg.

Stell Dir vor, Du stehst nach mehreren Tagen Fußmarsch im eiskalten Regen, und darfst Dich nicht unter einer Plane schützen.

Ganz egal, ob die Demonstration genehmigt ist oder nicht, ganz egal, ob die Flüchtlinge ihre Aufenthaltsgenehmigung bekommen oder nicht – so behandelt man keine Menschen. Das ist unwürdig.

GG Artikel 1 (1)
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Schämt Euch

Ich kotze: Menschenrechte sind unwichtig, über Brüste würden sie berichten. Es war offenbar tatsächlich die BILD-Zeitung, die Piratinnen zum Brüste-Entblößen aufgefordert hat. Ich bin wütend, dass diese Journallie junge Frauen, die ein Anliegen transportieren wollen, zum blankziehen zwingen wollen. Meines Erachtens ein Fall für den Presserat.

Glücklicherweise haben die Damen die Presse getrollt und sich nicht entblößt.

BILD und der Rest vom Boulevard: Schämt Euch. Berichtet über die unmenschliche Behandlung der Flüchtlinge, denen man Decken und Isomatten wegnimmt, die im Stehen übernachten, die ihre Rücksäcke ständig tragen müssen. Das ist nämlich wichtig.

Foto: CC BY-NC-SA 2.0 von handverbrennung

Beschwerde an Bezirksbürgermeister Hanke, Berlin-Mitte, wegen der Vorgänge um das Flüchtlingscamp

Angeregt von Zoqz habe ich eine Email gesendet, in der ich mich wegen der Vorgänge um das Flüchtlingscamp beschwere.

E-Mail: christian.hanke@ba-mitte.verwalt-berlin.de

Sehr geehrter Herr Dr. Hanke,

wie den Medien zu entnehmen ist, wurden den hungerstreikenden Asylbewerbern am Pariser Platz Decken, Isomatten und Schlafsäcke von der Polizei weggenommen. Selbst das Ausstopfen der Kleidung mit Zeitung wird untersagt. Sie als Bezirksbürgermeister sind meines Erachtens nach mit verantwortlich für diese Vorkommnisse. Außerdem sind Sie Mitglied bei Amnesty International, für mich ein bitterer Widerspruch.

Die Proteste am Pariser Platz verlaufen seit Tagen komplett gewaltlos. Bei den Protestierenden handelt es sich um Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben in unser Land gekommen sind. Erst am 27. Juni hat die Bundestagsfraktion Ihrer Partei bessere Bedingungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber gefordert. Den Anspruch, auch diesen Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, wurde mit diesem Polizeieinsatz mit Füßen getreten.

Ihrem Lebenslauf entnehme ich, dass Sie im Fach Philosophie promoviert haben. Haben Sie sich Gedanken gemacht, ob nicht eben dieser Polizeieinsatz und aktiv praktizierte Exklusion dieser Menschen vom politischen Diskurs kontraproduktiv, womöglich sogar moralisch verwerflich sein könnte? Es handelt sich um die Ärmsten der Armen, die dort in klirrender Kälte ausharren. Auch diese Menschen haben Rechte, für die Sie sich persönlich mit Ihrer Mitgliedschaft bei Amnesty International engagieren.

Denken Sie bitte auch an die Gewissensnöte, welche Polizisten ausgesetzt sind, die diese Anweisungen umsetzen müssen, sowie an das Bild, welches die Behörden und Organe der Bundesrepublik Deutschland in der Weltöffentlichkeit dadurch abgeben.

Ich möchte Sie herzlich bitten, innezuhalten und nachzudenken, ob nicht ein menschenwürdiger Umgang mit den Hungerstreikenden möglich wäre, ob nicht ein offenes Ohr statt eine verschlossene Tür das bessere Signal an die Asylbewerber wäre, ob nicht alternatives Handeln möglich wäre.

Die Werte, für die Sie – persönlich, aber auch mit Ihrer Partei – stehen, werden momentan eklatant verletzt. Meine Solidarität gilt den dort ausharrenden Asylbewerbern, und auch Sie sollten ihnen friedlichen, menschenwürdigen Protest ermöglichen.

Ich bitte Sie, diese Nachricht an die ggf. zuständigen Stellen weiterzuleiten.

Um Antwort wird gebeten.

Mit freundlichen Grüßen,

Daniel Schwerd MdL

Daniel Schwerd
Piratenfraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen
Sprecher für Wirtschaft, Netz- und Medienpolitik
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf

Update 13:15h:
Es gibt mittlerweile auch eine eindeutige Positionierung durch den Vorstand der Piratenpartei Deutschland. Danke!
PIRATEN unterstützen Protestcamps in Berlin und Frankfurt am Main

Update 17:30h:
Die vier Piratenfraktionen haben eine gemeinsame Pressemitteilung herausgegeben:
Wir fordern menschlichere Asylpolitik

Pressemitteilung zum Wahlrecht

Ich habe am Freitag eine Pressemitteilung veröffentlicht, die ich hier nochmal wiedergeben möchte. Es geht um den absurden Vorschlag des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU im Bundestag Krings, die Verfassung dem Wahlrecht anzupassen (anstatt umgekehrt).


Wahlrecht: Absurder Angriff der CDU auf das Verfassungsgericht

Mit einer Grundgesetzänderung möchte die Union erreichen, dass auch im zukünftigen Wahlrecht Überhangmandate möglich werden. Durch Ausgleichsmandate könnte ein Bundestag im Extremfall auf fast 900 Abgeordnete anwachsen.

Daniel Schwerd, Abgeordneter der Piratenfraktion im Landtag NRW, lehnt diesen Vorschlag von CDU-Politiker Günter Krings kategorisch ab, der Regelungskompetenzen beim Wahlrecht vom Verfassungsgericht zum Bundestag übertragen will. „Der CDU ist das Verfassungsgericht wohl zu anstrengend geworden. Was Krings hier andeutet, ist nichts anderes als eine unsägliche Attacke auf ein politisch bewährtes System“, sagt Schwerd mit Blick auf zahlreiche Entscheidungen der Karlsruher Richter gegen Gesetze der Bundesregierung.

„Gerade im Wahlrecht ist es unverzichtbar, dass Kontrolle bei einer neutralen Stelle wie dem Verfassungsgericht liegt. Dass Karlsruhe wiederholt die in Berlin verfassten Regelungen als verfassungswidrig abgelehnt hat, beweist dies.“ Auch die jüngst durch die schwarz-gelbe Bundesregierung erfolgte Revision des Wahlrechts wurde vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft.

Schwerd fordert die Berliner Bundestagsparteien auf, endlich ein verfassungskonformes Wahlrecht zu erarbeiten. „Krings‘ Idee ist völlig absurd. Man kann nicht die Verfassung ändern, damit sie zu einem völlig misslungenen Wahlrecht passt – um damit Überhangmandate mit negativem Stimmrecht erlauben. „Wenn man auf einem toten Pferd sitzt, hilft es nicht, ihm Räder zu montieren“, so Schwerd.

Ein Wahlrecht ohne Überhangmandate wäre verfassungskonform und würde einen aufgeblähten Bundestag verhindern – ganz ohne Verfassungsänderung. Konstruktive Vorschläge dazu liegen vor, beispielsweise vom Verein „Mehr Demokratie e. V.“ mit dessen Vorschlag zum Bundeswahlrecht „Wählen ohne Überhang“. „Dieser Vorschlag ist deutlich zu unterstützen“, so Schwerd.


In diesem Zusammenhang: Danke, Schafi!

Beschneidungsdebatte, Fortsetzung

Im Grunde bin ich nicht überrascht, dass die Debatte unvermindert anhält – eigentlich wollte ich zu dem Thema vorerst nicht mehr bloggen. Allerdings hat der Gegenwind, den ich erfahren habe, durchaus vergleichbar mit den religiös motivierten Beschimpfungen in diesem Thema zu tun, samt justiziablen Beleidigungen, Bedrohungen und natürlich jeder Menge Polemik, nur das diese aus der anderen Richtung stammt.

Daher habe ich das Bedürfnis, mich erneut zu erklären, auch wenn ich etwas enttäuscht bin, wie sehr man mich falsch verstanden hat, und wie wenig man meine Einstellungen offenbar kennt.

Beschneidungen halte ich grundsätzlich für zumutbar. Man bemerke das Wort „Grundsätzlich“. Es bedeutet eben nicht „alternativlos“, oder „unbedingt“, sondern „im Grunde, es kann aber Ausnahmen geben, die dann ihrerseits gut begründet sein sollen“. Das heißt, es gibt Beschneidungsformen und -Arten, die eben nicht zumutbar sind.

Was für mich auf keinen Fall hinnehmbar ist sind Kindesmisshandlungen. Daher verurteile ich auch jede Beschneidung, die mit Gewalt oder Zwang zu tun hat. Kleine Jungs mit mehreren Erwachsenen festzuhalten und gewaltsam zu beschneiden ist absolut nicht zu tolerieren. Man kann sich vorstellen, dass ärztliche Sorgfalt bei einem zappelnden Kleinkind nicht anzuwenden ist. Solche Situationen können schwere, lebenslange Traumata auslösen. Genauso unakzeptabel halte ich Beschneidungen ohne Betäubung. Es ist in der Beschneidungszeremonie sicher hinzunehmen, dass der Schmerz des Kindes soweit wie möglich gelindert wird.

Sichergestellt werden muss auch Ausbildung und Hygiene. Eine Beschneidung auf dem Küchentisch des Rabbi oder des Imam ist unakzeptabel. An eine Beschneidung müssen dieselben Anforderungen gestellt werden wie an jede andere Operation auch.

Schließlich ist die Information und Belehrung der Eltern unabdingbar. Eltern müssen über die Gefahren, Risiken und Spätfolgen eindringlich informiert werden. Ihnen muss vor Augen geführt werden, dass sie die Sexualität ihres Sohnes möglicherweise auf Dauer beeinträchtigen. Dazu sollte man Zahlenmaterial erheben und vorlegen, welches die Risiken verdeutlicht. Eine Regelung, über die Belehrung zu „schlafen“, kann auch sinnvoll sein.

Man halte sich aber auch vor Augen, dass die Beschneidung in aller Regel ohne Folgen oder Nebenwirkungen verläuft. Man verbietet ja nicht grundsätzlich alle risikogeneigten Tätigkeiten oder Operationen, sondern man wägt den Vorteil und das Risiko gegeneinander ab. Eine Automatik, dass Beschneidung zu Kindesleid führt, gibt es nicht.

Gewiss ist es sinnvoller, mit der Beschneidung zu warten, bis der Junge einwilligungsfähig ist, und über seine Religion und den dazu notwendigen Ritus selbst entscheiden kann. Ich weiß nicht, wie das in den Strömungen des Islam ist, aber für das Judentum stellt dieser Wunsch offenbar keine Lösung dar. Eventuell abweichende Riten wären wünschenswert, der Eingriff von Staatswegen in die Ausübung der Religion halte ich aber für kritisch. Für die absolute Mehrzahl der gläubigen Juden führt kein Weg an der Beschneidung am achten Tag vorbei.

Um es an dieser Stelle auch ganz deutlich zu sagen: Ich selbst bin gar nicht religiös. Religiöse Riten selbst sind mir egal. Ich bin nicht beschnitten, und bin auch sehr froh, es nicht zu sein. Ich halte Beschneidungen für ein nicht mehr zeitgemäßes Ritual, sie in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr angezeigt oder wünschenswert.

Was mir aber nicht egal ist, das ist die Freiheit. Jeder hat die Freiheit, sich für oder gegen eine Religion zu entscheiden. Wir haben nicht darüber zu entscheiden, ob wir das für richtig oder sinnvoll halten – Religion ist Privatsache. Dazu gehört auch die Freiheit, dumme oder unverständliche Riten zu vollziehen.

Kleine, nicht einwilligungsfähige Kinder haben die notwendige Entscheidungsfreiheit nicht. Das liegt in der Natur – Kinder erlangen ihre Entscheidungsfreiheit erst im Laufe der Jahre. Bis dahin sind die Eltern dafür zuständig, solche Entscheidungen zum Wohle ihrer Kinder zu treffen.

Und hier liegt für mich der Hase im Pfeffer: Dürfen wir Eltern untersagen, eine Religionsentscheidung für ihre Kinder zu treffen? Darf diese Entscheidung auch die körperliche Unversehrtheit umfassen? Dürfen Eltern ihre Kinder Risiken aussetzen?

Hier nehme ich den Standpunkt der Eltern ein: Ich treffe jeden Tag Entscheidungen für meine Kinder. Ich entscheide, wo sie wohnen, was sie essen, ich entscheide, wo sie zur Schule gehen. Ich steige mit ihnen in ein Flugzeug oder ein Auto ein. Selbstverständlich setze ich meine Kinder tagtäglich Risiken aus. Die Entscheidung, welches ihr Schulweg ist, wird von mir getroffen. Wenn ich den Job wechsle, umziehe, oder mich scheiden lasse, dann beeinflusst und beeinträchtigt das meine Kinder auf vielerlei Hinsicht, und nicht immer positiv, aber auch nicht immer vermeidbar.

Meine Entscheidungen beeinflussen das Wohl der Kinder auf vielfältige Weise. Ich verwehre mich aber dagegen, von der Gesellschaft, dem Staat, den Gesetzen entmündigt zu werden – ich trage die Verantwortung und das Risiko, bis meine Kinder alt genug sind. Wenn ich dazu nicht in der Lage bin, hat der Staat mich in Bezug auf meine Kinder zu entmündigen. In einzelne Regelungen eingreifen ist jedoch stets ein Eingriff in meine Freiheit. Das darf nur dann geschehen, wenn Eltern nicht mehr das Wohl ihrer Kinder im Blick haben.

Um den Bogen zurück zur Religion zu spannen: Ich bin überzeugt davon, dass muslimische und jüdische Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollen. Sie sind der Ansicht, ihren Kindern gerecht zu werden, wenn sie sie beschneiden, und sie Mitglied einer gläubigen Gemeinde werden lassen. Die Entscheidung, das richtig zu halten, muss man den Eltern überlassen. Wichtig ist allerdings, dass sie in der Lage versetzt sind, das Risiko und die Folgen abzuschätzen.

Religionsfreiheit ist die Freiheit, sich für oder gegen Religion entscheiden zu können. Für nicht einwilligungsfähige Kinder bedeutet das, dass diese Freiheit den Eltern zufällt, bis die Kinder sich selbst entscheiden können. Wir haben nicht das Recht, in die Religionsfreiheit der Eltern einzugreifen, um Kinder vor ihren eigenen Eltern zu schützen und sie religionsfrei zu halten – dies ist eine Bevormundung, die ich nicht akzeptieren möchte. Dann ist jede drohende, mögliche Beeinträchtigung von Kindern ein Grund, Entscheidungsfreiheit von Eltern zu begrenzen.

Gleichwohl sollte man eine gesellschaftliche Debatte in den Religionen anregen, wie man mit Beschneidungen umgehen will. Ist es möglich, auf mittlere oder lange Sicht auf Beschneidungen zu verzichten, bzw. den Ritus den Kindern selbst freizustellen im einwilligungsfähigen Alter? Ist es möglich, wenn jemand sich partout nicht beschneiden lassen will, ihn dennoch als Mitglied der Gläubigen und Gemeinden zu akzeptieren? Diese Debatten kann man aber nicht mit Gesetzen und Sanktionen befördern, das wird nur zu Ausweichbewegungen in die Illegalität führen.

Derzeit wird ein Kompromiss erarbeitet, den ich charmant finde: Verbot von Beschneidungen bei nicht einwilligungsfähigen Jungen bei gleichzeitiger Straflosigkeit, und Fristenregelung zur Beratung. Dies verdeutlicht unsere gesellschaftliche Position, von Beschneidungen abzugehen, respektiert aber, wenn Religionen vorerst nicht darauf verzichten wollen.

Ich bin zu diesem Thema vom Krähennest interviewt worden, wer das nachhören möchte, kann das hier tun:
https://blog.piratenpartei-nrw.de/kraehennest/2012/08/26/daniel-schwerd-zur-pm-situation-in-der-fraktion-bzgl-der-beschneidungsdebatte/

Noch ein Wort zu Bedrohungen, die gegen Ali ausgesprochen worden sind: Androhung von Gewalt, Bedrohungen und Beschimpfungen Andersdenkender verurteile ich auf das Schärfste. Man kann anderer Meinung sein, aber man hat eine gut begründete Meinung seines Gegenübers zu respektieren, genauso wie die Person als Mensch. Ali hat unser aller vollste Unterstützung und unser vollstes Mitgefühl. Gegen Diffamierung und Bedrohung sprechen wir uns entschieden aus! Da sind wir vollkommen auf seiner Seite. Ich habe Ali Unterstützung, Unterschlupf, Begleitung und Gesellschaft angeboten. „Ich mag anderer Meinung sein als Du, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass Du sie äußern darfst.“

Zu Pressemitteilungen: Ich möchte gar keine Pressemitteilungen zu diesem Thema herausgeben. Es gibt keinen Konsens in dieser Frage, weder in der Fraktion, noch in der Partei. Daher möchte ich auch verhindern, dass eine einseitige Pressemitteilung herausgeht – es ist einfach nicht angemessen, hier vorzupreschen und eine einseitige Meinung mithilfe der medialen Aufmerksamkeit als Fraktionsmitglied zu transportieren. Sollte das jedoch geschehen, ist es mir wichtig, die Pluralität in dieser Frage darzustellen.

Und wer bis hierhin gelesen hat, dem bin ich besonders dankbar. Ich möchte jetzt wieder Landespolitik machen.

Bild: Autor Sgerbic http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Sgerbic – Lizenz CC-BY-SA-3.0

Meine persönliche Meinung zur Beschneidungsdebatte

Beschneidung stellt einen irreversiblen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Jungen dar. Gleichwohl ist das Recht auf freie Wahl und Ausübung der Religion und seiner Bräuche ein Menschenrecht. Bei der Abwägung zwischen beiden Rechten ist es nötig, größte Sorgfalt walten zu lassen. Ein erhobener Zeigefinger und die moralische Keule ist in keinem Fall angebracht. Der Staat hat nicht das Recht, Eltern die Freiheit der religiösen Erziehung zu entziehen. Der Staat hat nicht die Aufgabe, über Zeitgemäßheit von religiösen Bräuchen zu richten.

Auch muslimischen und jüdischen Familien geht es um das Kindeswohl. Sie sind davon überzeugt, dem Wohl ihrer Jungen dadurch gerecht zu werden, sie in einer gläubigen Gemeinschaft aufwachsen zu lassen, bis sie sich selbst für oder gegen eine Religion entscheiden können.

Ich bin der Ansicht, dass die Rechte von Kindern und Gläubigen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.

Grundsätzlich halte ich die Beschneidung von männlichen Säuglingen oder Kleinkindern aus religiösen Gründen für zumutbar, wenn medizinische Sorgfalt beachtet wird, und Aufklärung sichergestellt ist. Beschneidungen sollen nur von medizinisch geschultem Personal unter den Regeln der ärztlichen Kunst und hygienischen Bedingungen erfolgen, eine Betäubung muss selbstverständlich sein. Zumutbar ist auch, dass der Beschneidung eine Beratung der Eltern über Folgen und Risiken vorausgeht. Eine Aufklärungskampagne in den religiösen Gruppen, die für Akzeptanz derjenigen sorgt, die sich gegen die Beschneidung entscheiden, ist denkbar, gleichwohl muss die letzte Entscheidung stets bei den Eltern liegen.

Dies ist meine private Meinung, innerhalb der Piratenpartei gibt es in dieser Frage keinen Konsens.

Noch viel lernen Du musst, junger Padawan.

Politiker sein ist ein Beruf. Ich stelle immer mehr fest, dass parlamentarische Politik nach eigenen Regeln läuft, die man erst erlernen muss. Wie der frische Azubi, der „den Spannungsabfall wegwerfen“ soll, oder den man „100 Gramm Lotrecht“ kaufen schickt, fühlt man sich bisweilen als frischer Abgeordnete.

Es ist offenbar üblich, bei Redebeiträgen des politischen Gegners nicht zu klatschen, egal wie gut sie waren. Man muss den Parlamentspräsidenten ansprechen zu Beginn einer Rede. Redebeiträge sind minutengenau ausgehandelt, das Verlassen und Wiederbetreten des Saals kurz vor und nach Abstimmungen folgt gewissen Regeln.

Das kann man blöd finden oder nicht – man muss damit leben. Man muss zwar nicht jeden Mist mitmachen, aber an gewisse Gepflogenheiten muss man sich halten, oder vielmehr: Man muss lernen, sie sich zunutze zu machen.

Ein Beispiel parlamentarischen Geschäfts sind die sogenannten Kleinen Anfragen, die jeder Abgeordnete an die Regierung richten darf. Die Regierung übergibt diese zur Beantwortung an die zuständigen Ministerien, von denen die Antworten innerhalb von vier Wochen erfolgen sollen.

Mit den Kleinen Anfragen adressiert der Abgeordnete oftmals Probleme aus seinem Wahlkreis oder aus seinem politischen Wirkungsbereich. Ziel soll sein, Informationen aus der Administration herauszukitzeln, oder ein Bekenntnis oder eine Aussage der Regierung zu einem Thema zu erlangen.

Es gehört offenbar auch zu den politischen Gepflogenheiten, mit kleinen Anfragen zu provozieren, indem man die Administration damit flutet (indem man z.B. nach den Lehrerzahlen diverser Gemeinden fragt – für jede Gemeinde einzeln in einer eigenen Anfrage) oder populistische, nahezu beleidigende Überschriften wählt (z.B. „Gefährdet die Rot-Grüne Landesregierung die Sicherheit und Ordnung im Kreis Paderborn„). An diesen Gepflogenheiten möchte ich mich übrigens nicht beteiligen.

Umgekehrt ist es üblich, um exakte Antworten herumzulavieren, indem man Fragen möglichst spitzfindig interpretiert und nur genau das daraus beantwortet, was man verstanden haben will.

Ich durfte das bei der Antwort zu meiner Anfrage „Berücksichtigung des Haftungsrisikos der West-LB gegenüber Kommunen“ erfahren.

Um kurz auszuholen, worum es in dieser Anfrage ging: Derzeit klagen Städte und Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen wegen Derivatgeschäften gegen die West-LB, welche ihnen zur Zinsoptimierung angeboten und verkauft wurden. Dazu wurden Zins-Swap-Geschäfte abgeschlossen, welche eine Wette auf ein Zinsdifferenzverhältnis verschiedener Währungen darstellten. Die Kommunen beklagen, unzureichend über Risiken aufgeklärt und beraten worden sein.

In einem ersten Verfahren hat die Stadt Ennepetal am 11. Mai 2012 vom Landgericht Düsseldorf in erster Instanz Recht bekommen, Verluste in Höhe von rund 10 Millionen Euro aus solchen Derivaten muss die West-LB tragen.

Ich wollte wissen, welches Haftungsrisiko durch laufende Prozesse auf die WestLB zukommt. Dazu fragte ich, welche und wie viele Gemeinden gegen die WestLB klagen, welche Ansprüche die Gemeinden anmelden, und welche Vorsorge die WestLB dafür getroffen hat. Natürlich geht es mir darum, festzustellen, ob diese Summen ausreichen berücksichtigt worden sind.

Die Antwort erhielt ich diese Woche. Ich muss feststellen, dass sich das Wirtschaftsministerium erfolgreich um eine konkrete Antwort herumgedrückt hat, indem sie meine Fragen geschickt interpretiert hat.

So antwortete man beispielsweise auf meine Frage nach den Ansprüchen, die die Gemeinden angemeldet haben:

Die von den 26 klagenden Kommunen geltend gemachten Schadenersatzforderungen betragen insgesamt 11.811.733,51 EUR. Darüber hinaus klagen die Kommunen auf die Rückabwicklung der zugrunde liegenden Geschäfte.

Dass es mir natürlich in erster Linie um das Volumen der rückabzuwickelnden Geschäfte geht, hat das Ministerium erfolgreich „übersehen“ – die Angabe des Risikos dieser Geschäfte fehlt. Ich habe es ja nicht exakt so gefragt. Stattdessen antwortet man nur mit den Schadenersatzzahlen – die aber nur einen (kleineren) Teil der Forderung darstellen. Das Rückabwicklungsrisiko ist deutlich größer, was man an den zu tragenden Verlusten in Höhe von 10 Millionen Euro für die Stadt Ennepetal sehen kann – bei 25 Gemeinden wird das Risiko insgesamt also ein Vielfaches davon sein.

Danke, liebes Wirtschaftsministerium, für diesen Azubi-Initiationsritus. Mich lehrt das, die Fragen in Zukunft noch viel präziser zu stellen, das weniger Ausweichmöglichkeiten verbleiben.

Besonders schön ist die Antwort auf meine Frage, welche Risikovorsorge die WestLB denn getroffen habe. Man antwortet:

Die WestLB AG, die seit dem 01.07.2012 als Portigon AG firmiert, hat für die genannten Rechtsrisiken bei diesen Geschäften eine entsprechende Risikovorsorge vorgenommen, die sie für derzeit angemessen hält.

Auch hier bin ich selbst schuld. Ich habe ja nicht nach der Höhe gefragt.

Rede zum Mittelstandsförderungsgesetz

Gestern habe ich im Landtag eine Rede zum geplanten Mittelstandsförderungsgesetz gehalten, hier zum nachschauen:

Den Vorwurf, die Landesregierung mit dem Hinweis auf die „Ermächtigung“ diskreditieren zu wollen, habe ich zurückgewiesen. Es handelt sich um ein Zitat aus dem vorliegenden Gesetz. Die Angewohnheit, konkrete Regelungen in Verordnungen zu verschieben, wo sie freihändig von der Regierung festgesetzt werden, während die Gesetze wolkig und unverbindlich bleiben, finde ich intransparant und undemokratisch.