Dreister Verfassungsbruch und dünne Ausreden: Der Bundestrojaner

In den letzten Tagen ging es in der Netzgemeinde hoch her: Der Chaos Computer Club veröffentlichte vergangenen Freitag eine Untersuchung, in der er ihm zugespielte Software analysierte, den er für einen Trojaner einer staatlichen Institution hielt.

Hatten zunächst noch Zweifel bestanden, ob es sich tatsächlich um eine Software einer staatlichen Überwachung handelt, so sind diese mittlerweile ausgeräumt. Das Innenministerium Bayern hat bereits zugegeben, diese Software verwendet zu haben. Auch die Quelle der Software hat sich mittlerweile geoutet: Ein Anwalt eines in Bayern überwachten Verdächtigen hat die Software dem CCC übergeben. Dies unterstreicht die Annahme, dass die Software in dieser Form vom Bundesland Bayern eingesetzt wurde. Aber auch mehrere andere Bundesländer haben mittlerweile erklärt, die Schnüffelsoftware einzusetzen, darunter auch Nordrhein-Westfalen.

Worum geht es bei dieser Software eigentlich genau?

Während die telefonische Überwachung von Verdächtigen genau geregelt ist, und einem richterlichen Vorbehalt unterliegt, hatten die Strafverfolgungsbehörden Schwierigkeiten, Chats und Internettelefonie wie beispielsweise Skype abzuhören. Diese sind nämlich oftmals während des Transports zwischen den Teilnehmern verschlüsselt, und lassen sich nicht dazwischen anzapfen. Daher wurde gefordert, die Kommunikation an der Quelle anzapfen zu dürfen, also unmittelbar auf dem Computer des Verdächtigen, noch bevor die Verschlüsselung einsetzt.

In den feuchten Träumen einiger Sicherheitspolitiker wurden noch andere Maßnahmen ersonnen: Etwa die Durchsuchung des Computers aus der Ferne, das Anfertigen von Screenshots während des Betriebes bei beliebigen Programmen, sowie die Nutzung von Mikrofon und Webcam zur Überwachung des Raumes rund um den Computer herum. Hier aber hat der Gesetzgeber ganz klare Grenzen aufgezeigt, und das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Februar 2008 geregelt, dass der Computer zur privaten Lebenssphäre des Menschen gehört, und nicht aus der Ferne durchsucht werden darf. Das Abhören der Wohnung ist im sog. großen Lauschangriff geregelt, der für diese Form der Überwachung ganz klare Grenzen und Verbote nennt.

Während also die Überwachung von Telekommunikation an der Quelle, also unmittelbar auf dem Computer, nach richterlicher Erlaubnis möglich ist, ist die Online-Durchsuchung sowie der Zugriff auf Mikrofon und Webcam untersagt.

Es zeigte sich aber, dass das vom Freistaat Bayern eingesetzte Programm hier keine Grenze zieht. Nicht nur, dass solche illegalen Funktionen bereits möglich sind, auch das Nachladen von weiteren Programmen und Dateien aus dem Internet erlaubt dieser Trojaner. Es ist also für die Überwacher per Mausklick, und ohne richterlichen Vorbehalt möglich, die Quellenüberwachung auf eine Online-Durchsuchung und einen großen Lauschangriff auszudehnen. Mehr noch, die Überwacher können zu jeder Zeit Dateien auf dem überwachten Computer hinzufügen, ändern oder löschen.

Hier liegt also bereits ein eklatanter Verfassungsbruch, und eine Missachtung der Anordnung des höchsten Gerichtes Deutschlands vor.

Damit aber noch nicht genug, die Experten vom CCC stellten fest, dass die Kommunikation zwischen den Überwachern und dem überwachten Computer nicht ausreichend geschützt ist. Der überwachte Computer ist für Befehle von außen offen wie ein Scheunentor. Die Software prüft nicht, ob die Befehle von den legitimen Überwachern, oder von einer anderen Stelle kommen. Nur unzureichend Verschlüsselt ist die Kommunikation vom überwachten Rechner zu den Abhörern. Hier ist das Mithören ohne besondere Entschlüsselungssoftware möglich. Die Ergebnisse der Überwachung werden also ohne Not auf dem Wege durch das Internet preisgegeben.

Die Programmierung dieser Schnüffelsoftware darf man also in der Hinsicht als stümperhaft und fahrlässig bezeichnen. Ich frage mich, welche Beweiskraft solchermaßen erlangte Informationen überhaupt haben sollen, wenn deren Abfangen und deren Veränderung auf dem Wege durch das Internet so einfach gemacht wird. Ein gefundenes Fressen für die Verteidigung der Überwachten. Das von den Sicherheitsbehörden gewünschte Instrument der Quellenüberwachung wurde durch Dilettantismus zerstört.

Gleichermaßen wird es um die Beweiskraft von Dateien und Unterlagen stehen, die auf einem Computer aufgefunden werden, der zuvor durch diese Schnüffelsoftware kompromittiert war. Wenn jeder von außen problemlos Dateien zufügen und abändern kann, welchen Beweiswert sollen dort vorgefundene Dateien überhaupt noch haben? Hier werden ohne Not eventuelle Beweismittel schon im Vorfeld zerstört.

Besonders empört bin ich, dass die Kommunikation zwischen dem überwachten Rechner und den Abhörern über einen Computer in den Vereinigten Staaten geleitet wird. Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber hier den US-amerikanischen Behörden den kompletten Zugriff auf in Deutschland überwachte Computer zu geben finde ich höchst alarmierend. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die USA eine sehr andere Auffassung von Datenschutz und Privatsphäre hat, und im Umgang mit Verdächtigen es mit der Rechtstaatlichkeit nicht immer so genau nimmt. Warum wurde hier ohne Not den US-Behörden ein Zugang eröffnet? Mir kann niemand erzählen, dass dies vollkommen unabsichtlich geschieht.

Der ganze Skandal wird garniert mit dünnen Ausreden. Was soll uns die Aussage bringen, die Software entspreche den Sicherheitsbedingungen des Bayerischen Landeskriminalamt? Das kann nur bedeuten, dass diese nicht ausreichend sind. Und Gesetze sind mit diesen Bedingungen offenbar auch noch keine eingehalten.

Entspricht es geltenden Sicherheitsbedingungen, solche Software von einem Unternehmer zu kaufen, der rechtskräftig wegen Bestechung verurteilt ist?

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister und CSU-Mitglied, behauptet, mit der Software sei nichts illegales gemacht worden, und im Übrigen sei alles schon bekannt gewesen. Herr Herrmann, war auch bekannt, dass die Software durch seine lausige Konstruktion die erlangten Beweise quasi umgehend vernichtet?

Herr Herrmann, was ist das denn für eine Ausrede, dass die illegalen Funktionen nicht genutzt worden sind? Kann das der Kerl dem Richter erklären, der im Kofferraum seines Autos Handschellen und Klebeband hat, während er vor dem Kindergarten wartet? Das ist ja wohl eine der dümmsten und lebensfremdesten Ausreden, die man je gehört hat. Hängen Sie mal einen roten Klingelknopf mit der Aufschrift „Nicht Drücken“ an die Wand und warten Sie ab, wie lange es bis zum ersten Klingeln dauert.

Wie glaubhaft ist diese Ausrede, wenn bereits der Hersteller der Software diese -illegalen- Funktionen als besonderes Merkmal seiner Software darstellt

Sie behaupten, Screenshots seien nur für die vom Verfassungsgericht vorgesehenen, besonders schweren Straftaten angefertigt worden. Fakt ist aber, dass diese Software in Fällen von Arzneimittelschmuggel oder Kleidungsdiebstahl eingesetzt wurde, hier bezweifle ich, ob die vom Verfassungsgericht vorgesehene Schwere der Straftat überhaupt vorliegt. Damit wäre der Einsatz definitiv illegal.

Besonders dünne Ausrede: Der CCC solle erst mal Beweise vorlegen, denn man sei sich einig gewesen, diese Software gar nicht einsetzen zu wollen, so behauptete Wolfgang Bosbach, seines Zeichens Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses. Nach den Geständnissen der Überwacher nun hinfällig. Dennoch bezeichnend.

Eine dreiste Lüge ist übrigens die Behauptung, der CCC habe das Innenministerium nicht vorab informiert. Das ist schlicht falsch. Genauso billig die Vorwürfe an den CCC, falsche Behauptungen aufzustellen. Was für eine Frechheit, den Überbringer der schlechten Nachricht auch noch zu belasten!

Für diese dreisten Verfassungsverstöße, die Missachtung des Verfassungsgerichtes, und nicht zuletzt für die Sabotage der Überwachung von tatsächlichen, schweren Straftaten müssen Köpfe rollen. Rücktritte sind fällig!

Die Software darf so nicht mehr eingesetzt werden. Eine Quellenüberwachungssoftware darf keinerlei erweiterte Funktionen enthalten, die Kommunikation muss verschlüsselt sein und darf nicht über ausländische Server geleitet werden. Wobei bereits in Frage gestellt ist, ob der Einsatz solcher Software überhaupt rechtlich einwandfrei möglich ist.

Foto „Mülleimer“: Daniel Schwerd Lizenz: CC-BY-NC-SA 3.0 & Backlink.

Wer wissen möchte, wie das mit dem Trojaner so funktioniert, dem sei dieses Video von wortfeld empfohlen: Der Staatstrojaner in dreieinhalb Minuten:

Spitzen-Kandidat! Christopher Lauer in der Tagesschau

Und das freut mich besonders: Christopher Lauer – nein, nicht DER Spitzenkandidat der Piraten, aber unser Spitzenkandidat der Herzen – hat es heute in die Tagesschau gebracht. Das Interview in Gänze findet ihr hier: http://www.tagesschau.de/multimedia/video/ondemand100_id-video975324.html (bis es wieder depubliziert wird).

Eine gigantische Watsche für diejenigen, die ihn nicht zum Vorsitzenden gewählt bzw. zum Pressesprecher gemacht haben.

Datenskandal: Vorratsdatenspeicherung trotz Verbot

Heute berichtet der AK Vorratsdatenspeicherung in einer Pressemitteilung, dass Telekommunikationsunternehmen massiv Bewegungs- und Funkzellendaten speichern und für längere Zeit aufbewahren, obwohl diese Speicherung gegen das Telekommunikationsgesetz verstößt und durch das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung am 2. März 2010 klare Grenzen der Speicherung aufgezeigt wurden.

Eine im Internet veröffentlichte als Verschlusssache bezeichnete Aufstellung der Generalstaatsanwalt- schaft München offenbart, dass Bewegungsdaten in Funkzellen, inklusive der Daten von angerufenen Nutzern, wochenlang gespeichert bleiben, obwohl diese für Abrechnungszwecke keineswegs notwendig sind – und damit deren Speicherung verfassungs- und rechtswidrig ist.

Ich habe heute dem Datenschutzbeauftragten der Telekom einen Brief geschrieben, diese Praxis einzustellen, und mir anschließend eidesstattlich zu versichern, dass keine Bewegungsdaten mehr gespeichert werden. Diesen bilde ich unten ab, wer mag, kann sich anschließen.

In diesem Rahmen möchte ich alle Mitleser dringend auffordern, sich der ePetition zum Verbot der Vorratsdatenspeicherung anzuschließen. Bitte hier klicken und teilnehmen – es kostet nichts, bringt aber doch so viel für unsere Privatsphäre.

Datenschutzbeauftragter der
Deutschen Telekom AG bzgl. T-Mobile
53184 Bonn

(Ort), den (Datum)

Speicherung personenbezogener Daten in Ihrem Hause

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Bundesverfassungsgericht hat am 2. März 2010 die sog. Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt (1). Im Rahmen dieses Urteils erklärte es, dass die Unternehmen lediglich jene Daten erfassen und speichern dürfen, die sie für Abrechnungszwecke dringend benötigen. Alle anderen Daten müssten unverzüglich gelöscht werden. Dies sieht auch der §97 des Telekommunikationsgesetzes vor.

Aus der Presse konnte ich heute entnehmen, dass Sie umfangreich Verkehrsdaten erfassen und für einen Zeitraum von 30 Tagen speichern (2). Dazu liegt der Generalstaatsanwaltschaft München eine Aufstellung vor. Dazu zählen offenbar Orts- und Bewegungsdaten über Mobiltelefone in Funkzellen, wohl auch für angerufene Anschlüsse.

Zu Abrechnungszwecken sind Funkzellen- und Bewegungsdaten jedoch überhaupt nicht erforderlich. Ebenso ist es nicht erforderlich, angerufene Mobilfunkanschlüsse zu speichern, da für Anrufe in Deutschland für den Angerufenen keine Kosten entstehen.

Ich darf Sie daher auffordern, die verfassungswidrige Speicherung von Bewegungsdaten unverzüglich zu unterlassen, sowie keine Daten über angerufene Anschlüsse bei diesen zu speichern. Weiter fordere ich Sie dazu auf, mir anschließend eidesstattlich zu versichern, dass diese rechtswidrige Praxis eingestellt worden ist, und dass keine Bewegungsdaten in Mobilfunknetzen mehr gespeichert werden.

Mit freundlichen Grüßen
(Ort, Datum)
(Unterschrift)

(1) https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html
(2) http://www.fr-online.de/politik/spezials/datenschutz/telefonanbieter-im-speicherwahn/-/1472644/10801778/-/index.html

Frau Künast möchte die Piraten resozialisieren

Ich traue meinen Augen nicht. Die Spitzenkandidatin der Grünen in Berlin, Frau Renate Künast, sagte heute in der Kandidatenbefragung der IHK zur Landtagswahl in Berlin im Ludwig Erhard Haus, sie wolle die Piraten „resozialisieren“, damit diese bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten. (1)

Frau Künast, sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Wie soll ich das denn verstehen? Unterstellen Sie tatsächlich den Mitgliedern der Piratenpartei Deutschland, sie seien resozialisierungsbedürftig? Sehen Sie die Piraten außerhalb der Gesellschaft stehen, so dass sie wie Kriminelle zurück in die Gesellschaft geführt werden müssen? Ich bin sprachlos.

Welche geistige Haltung verbirgt sich hinter der Idee, die (über 10.000) Mitglieder einer demokratischen Partei pauschal als quasi kriminell, mindestens aber asozial zu bezeichnen? Welche Einstellung zur Demokratie offenbart sich hier? Welche Einstellung zur Demokratie haben Sie, mit diesen Mitteln die Abschaffung der größten kleinen Partei Deutschlands zu fordern?

Und wie kommen Sie auf das schmale Brett, ausgerechnet Sie, gerade die Grünen könnten das leisten? Was qualifiziert eine Partei von Opportunisten und Grün-Konservativen (2), ausgerechnet den Piraten etwas von Freiheit und demokratischer Mitwirkung erzählen zu wollen?

Frau Künast, Sie denken, Sie haben es nur mit jugendlichen Raubkopierern zu tun – Sie sind im Irrtum. Meine Sozialisierung ist lange abgeschlossen – ich danke meinen Eltern dafür. Auf Ihre Resozialisierung kann ich verzichten.

(1) Mail an Renate Künast
(2) Glaubt Ihr nicht, liebe Grünen-Wähler? Dann schaut mal hier:
Renate Künast wollte schon 2009 eine Koalition mit der CDU auf Bundesebene.

Update:
Wer die Originaläußerung von Renate Künast hören will, der kann das hier tun:
Renate Künast will die Piraten resozialisieren. Das Audio-Zitat. by Resocializer

Update 2:
Ja, ich weiß, es sollte ein Witz sein. Verzeiht, wenn ich nicht lache – nennt mich humorlos, oder „Drama Queen“ – ich muss über schlechte Witze nicht lachen. Erst recht nicht, wenn sie von humorbefreiten grün angestrichenen Konservativen stammen.

Randbemerkungen.

Korrupte Klientelpolitik ist nicht liberal.

Enteignung und Bürokratie sind nicht sozial.

Die Aushöhlung von Bürgerrechten ist nicht konservativ.

Ökodiktatur ohne gesunden Menschenverstand ist kein Umweltschutz.

Scheinsicherheit durch Überwachung ist keine Freiheit.

Bankenrettung ist kein Wohlstand.

Ein Kampfeinsatz ist keine Friedensmission.

Ein Kreuz auf dem Wahlzettel alle vier Jahre ist keine Demokratie.

Denke selbst! Wähle Piraten.

Christopher Street Day: Liebe ist…

…verboten? Zumindest dann, wenn es nach der Gesetzgebung der weltweit insgesamt 80 Länder geht, in denen laut des Berichts der „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association“ (ILGA) aus dem Jahr 2009 homosexuelle Handlungen immer noch illegal sind. In Mauretanien, Saudi Arabien, Sudan, Iran und Jemen, sowie in Teilen Nigerias und Somalias können homosexuelle Handlungen sogar mit dem Tode bestraft werden.

In Deutschland waren homosexuelle Handlungen bis 1968 (DDR) bzw. 1969 (BRD) wie in vielen anderen Ländern der Welt noch illegal. Seither schafften unter anderem zwei Dutzend weitere europäische Länder ihre Gesetze gegen homosexuelle Handlungen ab. Die international nicht anerkannte Türkische Republik Nordzypern ist das letzte verbleibende europäische Land mit derartigen Gesetzen, was umso unverständlicher erscheint, da solche Gesetze in der Türkei bereits 1858 abgeschafft wurden.

Gewaltsame Übergriffe auf homosexuelle Menschen und Unterdrückung sind aber auch heute noch an der Tagesordnung, selbst vor unserer Haustür im aufgeklärten Europa. Ein Beispiel hierfür ist Russland, wo der Verwaltungsbezirk Archangelsk, in dem immerhin rund 1,2 Millionen Menschen leben, jegliche öffentliche Diskussion über Homosexualität unter Strafe stellen will – es wäre der zweite Verwaltungsbezirk nach Rjasan, wo in den vergangenen Jahren Menschen verurteilt wurden, weil sie für ihre Rechte eingetreten sind. Das sind leider keine Einzelfälle, im Gegenteil: Obwohl Gesetze gegen homosexuelle Handlungen in Tschechien und Bulgarien schon vor Jahrzehnten abgeschafft wurden, mussten dort noch im Jahr 2008 die ersten Demonstrationen für rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz mit massiven Polizeiaufgeboten vor rechtsradikalen Angriffen geschützt werden.

Dies soll so nicht bleiben. Homophobie ist inakzeptabel.

Wir setzen uns als Bürgerrechtspartei dafür ein, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender rechtlich gleichgestellt und gesellschaftlich akzeptiert werden.

Die Piratenpartei nimmt an zahlreichen Christopher Street Day Aktivitäten im gesamten Bundesgebiet teil. Eine Übersicht der Aktivitäten gibt es im Wiki der Piratenpartei unter http://wiki.piratenpartei.de/CSD. Die mit Abstand größte und bedeutendste Christopher Street Day Demonstration ist die von über 800.000 Menschen aus aller Welt besuchte Cologne Pride CSD-Parade in Köln am 03.07., an der die Piratenpartei gemeinsam mit Piraten aus Belgien und Luxemburg teilnehmen wird, um sich für diese Ziele einzusetzen.

(PM der Piraten Köln)

Wir stellen uns quer – kein Rassismus bei uns in Köln!

Morgen am 7. Mai plant die rechtsextreme „Pro Köln“ einen sogenannten „Marsch für die Freiheit“.

Ich finde sowohl die Bezeichnung des Marsches als auch die Wahl des Termines widerlich. Der Marsch steht nicht für Freiheit, sondern das genaue Gegenteil: Diskriminierung, Rassismus und Hetze – gegen alles, was „anders“ erscheint. Er soll unberechtigte gesellschaftliche Ängste vor einer angeblichen Überfremdung schüren. Die Wahl des Termins am Vorabend des Jahrestags der Kapitulation Deutschlands verhöhnt die Opfer von Krieg und nationalsozialistischer Verfolgung.

Ein breites Bündnis aus Parteien, Organisationen, Gewerkschaften, Kirchen und gesellschaftlichen Gruppen stellt sich quer, darunter auch die Piratenpartei Köln. Wir wollen den Aufmarsch der Nazis in die Kölner Innenstadt verhindern.

Ich möchte daher alle Kölner bitten, morgen um 10:30 Uhr in die Kirche St. Heribert, Deutzer Freiheit zu einem ökumenischen Gottesdienst zu kommen, von dort aus werden wir versuchen, diesen Aufzug zu stoppen. Setzt ein Zeichen gegen jegliche Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und rechtsradikales Gedankengut.

Köln ist bunt, nicht braun! Und soll es auch bleiben!

Köln hat keinen Platz für Rassismus – die Piraten stellen sich quer!

Termine:

Was? – Ökumenischer Gottesdienst
Wo? – Kirche St. Heribert, Deutzer Freiheit, 50679 Köln
Wann? – 7. Mai, 10:30 Uhr

Als Twitter-Hashtag benutzt bitte #kssq als Abkürzung für „Köln stellt sich quer“.

Link:
Pressemitteilung der Piraten Köln.

Die Tötung Bin Ladens und die Moral

Mir tut er nicht leid. Ich bedaure keine Sekunde, dass er tot ist. Mehr noch, ich fühle mich erleichtert, ich fühle sogar eine gewisse Genugtuung über seinen Tod. Bin ich jetzt ein schlechter Mensch? Aber froh bin ich nicht. Ich kann keine Freude beim Tod dieses Menschen empfinden.

Vergeltung und Rache sind zutiefst menschliche Gefühle. Ich habe vollstes Verständnis für jubelnde Feuerwehrleute vor Ground Zero – denn sie haben den feigen Anschlag, für den Osama Bin Laden meiner Überzeugung nach verantwortlich ist, hautnah miterleben müssen. Auch für feiernde Manhattaner habe ich Verständnis, denn praktisch alle dürften Menschen kennen, die Angehörige oder Freunde in den Twin Towers verloren haben, oder sind selbst betroffen. Wenn ich in dieser Art beteiligt gewesen wäre, würde ich vermutlich auch ein Fass aufmachen, wenn es den Killer zerlegt.

Mir fällt es schwer, die USA für die Ermordung Bin Ladens zu verurteilen. Man muss sich vor Augen halten, was das Attentat vom 11. September mit der Seele der Amerikaner gemacht hat – es wurde eine tiefe Wunde geschlagen, die Amerikaner fühlten sich quasi körperlich verletzt und verunsichert. Dieser grausame Anschlag hat die ganze Nation tiefgreifend verändert (und das dürfte auch Bin Laden bei der Planung durchaus bewusst gewesen sein, wenn er das nicht sogar erhofft und beabsichtigt hatte). Wer derartig tiefgreifend verletzt und gedemütigt wurde, für den sollte man Verständnis aufbringen, wenn er sich über ausgeübte Rache und Vergeltung freut. Erahnen kann dieses Gefühl vielleicht derjenige, der sich an die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers im „deutschen Herbst“ 1977 erinnern kann, als nach der brutalen Entführung, bei der alle Fahrer und Polizisten von Kugeln durchsiebt wurden, später der Arbeitgeberpräsident tagelang in seinen gestelzten Worten um sein Leben bat, und schließlich doch ermordet wurde.

Die Todesstrafe gehört zum Repertoire der amerikanischen Justiz. Auch vor US-Gerichten wäre Bin Laden zum Tode verurteilt worden. Er selbst wird sich im Klaren gewesen sein, dass ihm Vergeltung dieser Art droht, und ein Märtyrertod wird für ihn womöglich sogar reizvoll gewesen sein. Für die unmittelbar beteiligten Parteien ist dieses Ende des Al Qaida-Gründers daher vermutlich moralisch in Ordnung.

Sehr problematisch sehe ich aber die Durchführung der Tötung. Auch im amerikanischen Rechtssystem hätte die Tötung nur durch ein Urteil eines Richters nach einem Gerichtsverfahren angeordnet und durchgeführt werden dürfen – und nicht von einem Navy Seal-Kommandoführer oder vom amerikanischen Präsidenten. Die korrekte Vorgehensweise wäre also gewesen, zumindest seine Festnahme zu versuchen. Dass die Aktion von vorneherein als Tötung angelegt war stößt mich ab. Rechtsstaatlich gedeckt ist sie nicht. Es handelt sich um einen reinen Racheakt, ausserhalb des Völkerrechts und des Menschenrechts – er wird weder den Krieg noch den Terror beenden – aber wo kein Kläger, da kein Richter.

Die Bündnispartner haben den USA nach dem 11. September ihre volle Unterstützung versprochen – ich akzeptiere daher und kann es nachvollziehen, dass man die US-Regierung für diese Kommandoaktion öffentlich nicht kritisiert. Ich würde mir wünschen, dass man diesen Vorfall als Anlass nimmt, die Einschränkungen der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit, die in den letzten Jahren zugenommen haben, jetzt wieder abzubauen. Insbesondere Guantanamo sollte zügig geschlossen werden und die Gefangenen freigelassen oder vor ordentlichen Gerichten verurteilt werden.

Angeekelt haben mich aber Äußerungen aus unseren „christlichen“ Regierungsparteien. Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte wörtlich: „Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten“. Hat Frau Merkel etwa Angehörige im Tower verloren? Ist es für einen Christen angemessen, sich über die Tötung eines Menschen zu freuen? Wie sieht es mit dem 5.Gebot der Bibel aus?

In unserem Rechtssystem gibt es nicht mal die Todesstrafe, kann man daher eine geplante Ermordung begrüßen? Sollte man als Regierungschef grundrechtswidriges Vorgehen gutheißen?

Dass sie keine unmittelbaren Vorwürfe an die USA äußert, ist vollkommen in Ordnung – aber eine neutralere Form hätte es schon sein dürfen.

Hochachtung in diesem Zusammenhang für den Vatikan. Dessen Sprecher Federico Lombardi sagte, dass der Tod eines Menschen für einen Christen „niemals Grund zur Freude“ sein könne. Da darf sich unsere Pfarrerstochter eine Scheibe von abschneiden.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer bezeichnet die Tötung als „Erfolg der Gerechtigkeit“ – er offenbart damit eine sehr archaische Vorstellung von Gerechtigkeit, die mir Angst macht. Vergeltung, Rache – ja. Aber Gerechtigkeit? Von einem Regierungschef würde ich mir eine differenziertere Betrachtung wünschen.

Das Highlight der re:publica 2011

Gestern bin ich von der re:publica 2011 zurückgekommen. Ich bin eigentlich ganz zufrieden, auch wenn ich die allgemeine Kritik nachvollziehen kann: Sicher, die Kalkscheune ist für die Besuchermassen nicht mehr ausreichend. Mich hat es auch geärgert, dass ich in manche Vorträge schlicht nicht hereingekommen bin, weil die Plätze zu schnell voll gewesen sind. Die Veranstalter haben auch schon zugesagt, sich um die Ortfrage zu kümmern, warten wir mal ab, welcher Rahmen nächstes Jahr gewählt wird.

Ich hatte den Vorteil, vollkommen ohne Erwartungen zur re:publica gefahren zu sein – dafür habe ich mich mit einer Menge netter und interessanter Leute unterhalten, eine ganze Reihe davon zum ersten Male im “wirklichen” Leben. Und das hat sehr viel Spaß gemacht. Die Beschreibung als “digitales Klassentreffen” ist schon sehr zutreffend.

Und das die Qualität der Vorträge höchst unterschiedlich waren, ist nachvollziehbar, schließlich handelt es sich um sehr unterschiedliche Personen. Vielleicht sollten die Veranstalter Feedback zu den einzelnen Sessions einholen, damit sie wissen, wen man für das nächste Jahr buchen kann, und wer vielleicht an seiner Technik und seinen Inhalten besser noch mal feilt?

Mein persönliches Highlight war Gunter Dueck mit seinem Vortrag “Das Internet als Gesellschaftsbetriebssystem” – vieles davon spricht mir aus der Seele – und auch wenn er die Piratenpartei nicht explizit erwähnt, man kann seinen Vortag in weiten Teilen als Aufforderung an uns verstehen, aktiv zu werden. Ansehen lohnt sich!