„Waffenfähiges Plutonium“: Ein dummer Scherz und schon ist man Terrorist?

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Das ist Euch allen sicher schon mal passiert: Da will man seine sauer ersparten Groschen einmal in etwas Plutonium investieren, und dann passiert das…

Jetzt mal ohne Flachs: Banken sind rechtlich zur Überwachung des Geldverkehrs verpflichtet, welchen sie durch ihr Haus leiten. Geldwäsche und illegale Aktivitäten müssen sie zur Anzeige bringen. Dazu wird offenbar auch der Verwendungszweck von Überweisungen routinemäßig nach kritischen Worten durchsucht. Ein Münchener geriet vergangenes Jahr wegen einer Überweisung in Höhe von 480 Euro, die er an einen Freund in der Schweiz veranlasste, unter Terrorverdacht. Im Verwendungszweck hatte er den Text „weil du so lecker schmeckst danke für die nacht kommune 1 ak47 bin laden“ angegeben, so der Bayrische Rundfunk. In den sozialen Medien kursiert ein Foto, wo eine Bank wegen eines Verwendungszwecks „waffenfähiges Plutonium“ dem Bankkunden ankündigte, diesen Verwendungszweck „nicht tolerieren zu können“ und Meldung an die Behörden zu machen.

Ein schlechter Scherz, und man könnte als Terrorverdächtiger bei den Behörden registriert sein. Die Auswirkungen, die das bei Grenzübertritten haben könnte, wären fatal. Gleichzeitig erscheint es absurd, dass ein tatsächlicher Terrorist bei einer Geldüberweisung einen solchen, sprechenden Verwendungszweck angeben würde. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht in übertriebener Hysterie agiert wird. Laut Bankenverband werden „verdächtige Schlagworte“ von Behörden vorgeschlagen und in die Filterprogramme eingespeist, so berichtet es die Süddeutsche Zeitung.

Ich habe der Landesregierung in einer kleinen Anfrage die folgenden Fragen gestellt:

  • Wie viele Verdachtsmeldungen haben die Landeskriminalbehörden in NRW von Banken aufgrund verdächtiger Verwendungszwecke erhalten? Geben Sie die Zahlen aufgeschlüsselt nach Jahren, beginnend mit 2010 bis zum heutigen Jahr, und der Angabe des Grundes an.
  • Welche Daten wurden in jedem dieser Fälle gespeichert? Geben Sie Umfang der Datenspeicherung sowie Speicherdauern und –fristen an.
  • Inwieweit wurden Zielpersonen dieser Erfassung über die Datenspeicherung informiert? Geben Sie für alle Fälle an, wann und inwieweit informiert worden ist.
  • Welche der gemeldeten Fälle haben sich als begründet herausgestellt?
  • Hält die Landesregierung die Überwachung der Verwendungszwecke von Überweisungen mit einem Wortfilter dieser Art für ein geeignetes Mittel? Gehen Sie bitte auch darauf ein, ob ein Terrorist für den Geldverkehr einer terroristischen Aktion einen solchen, sprechenden Verwendungszweck verwenden würde.

Vielleicht wäre es an der Zeit, von dieser Hysterie Abstand zu nehmen.

Quelle des Bildes: @Z4PP3D bei twitter

Politischer Frühschoppen am 4.10. in Köln: Mit dem Smartphone in den Überwachungsstaat?

Was tun gegen Überwachung?

Diesen Sonntag, am 04.10. bin ich ab 11 Uhr im Wahlkreisbüro des Kölner Bundestagsabgeordneten der Linken, Matthias W. Birkwald, und rede gemeinsam mit Matthias Birkwald und dem Vorstandsmitglied der Kölner Linken Thomas Steffen mit den Besuchern über die Spionageaffäre durch westliche Geheimdienste, durch NSA, GCHQ und den BND – und was man dagegen tun könnte, wenn man das denn wollte. Ich freue mich auf Euch!

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Bitte plant wegen des gleichzeitig stattfindenden Köln-Marathon etwas mehr Zeit für die Anreise ein.

Schwer(d) informiert! Radio-Interviews zur Vorratsdatenspeicherung und Transparenz durch soziale Medien

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Hallo liebe Blogleser_innen,

vor einigen Tagen führte das Campusradio Köln, der Studentensender aus Köln, ein Interview mit mir. Der Redakteur Andreas Jansen vom Campusradio besuchte mich im Landtag und führte mit mir ein Gespräch zum Thema Vorratsdatenspeicherung. Es entwickelte sich ein Dialog, welcher die Pro- und Contraargumente anschaulich darstellt und den vermeintlichen Nutzen der massenhaften Vorratsdatenspeicherung entlarvt. Der Link zur Datei ist unterhalb dieses Textes.

 

Ein weiteres Interviews habe ich mit Hauke van Göns (@hauke_vg) geführt, der für das Campusradio Wilhelmshaven und das unabhängige Münchener Radio Lora 924 das Interview aufgezeichnet hatte. Schwerpunkt war hierbei die Frage, ob und welche Möglichkeiten der Digitale Wandel mit sich bringt um Politik transparenter, responsiver und direkter zu gestalten. Das Interview wurde noch nicht ausgestrahlt, ist aber fertig produziert, ich verlinke es ebenfalls unten.

Der Konvent kuscht: Ein Gefallen für den Koalitionspartner

Foto: Arne Müseler / arne-mueseler.de  Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Foto: Arne Müseler / arne-mueseler.de
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist am 27.06. in der Tageszeitung „neues deutschland“ in der Rubrik „Meinung“ erschienen.

Vergangenen Samstag hat der SPD-Parteikonvent den Antrag der Parteispitze zur Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten in Deutschland mehrheitlich angenommen. Hinter verschlossenen Türen berieten 250 Delegierte über die Zukunft der Privatsphäre in Deutschland, während die versammelte Presse vor den Türen, und wir alle vor den Fernsehgeräten mit Phoenix-TV-Programm warteten.

Der Parteivorsitz hatte sich zuvor eindeutig für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen: Nur zwei der 35 Führungsmitglieder stimmten letztlich dagegen. Ganz anders die Parteibasis: Über 100 Gliederungen der SPD, darunter 11 Landesverbände, hatten sich gegen die Vorratsdatenspeicherung positioniert. Widerspruch kam von SPD-Netzpolitikern. Auch aus der Jugendorganisation der SPD rumorte es gewaltig.

Gabriel und Fahimi holten die große Keule der „Regierungsfähigkeit“ heraus, Rücktrittsdrohungen standen im Raum, und auf dem Konvent wurden Kritiker und Befürworter in geschickter Reihenfolge orchestriert: Und der Konvent kuschte. Letztlich sprachen sich 124 der Delegierten für, 88 gegen den Vorstandsantrag aus. Mit knapp 60% setzt die SPD ihre Beschlusslage auf Bundesebene Pro Vorratsdatenspeicherung fort. Überraschend ist das also im Grunde nicht.

Große Keulen geschwungen

Es wackelt der Schwanz mit dem Hund: Wie kommt es, dass die Delegierten all dieser SPD-Gliederungen entgegengesetzt stimmen? Wenn sich sämtliche politischen Schwergewichte eindeutig positionieren, so sorgt das offenbar in der offenen Abstimmung für Eindruck. Womöglich hat aber auch das Dauerfeuer polemischer Argumentation für Überwachung zu langsamer Gehirnerosion geführt. So twitterte der baden-württembergische SPD-Innenminister Reinhold Gall am Abend nach der Abstimmung: „Ich verzichte gerne auf vermeintliche Freiheitsrechte wenn wir einen Kinderschänder überführen“ (Das Komma fehlt bereits im Original). Sehr schön ist erkennbar, wie nachhaltig erfolgreich die unbewiesene Behauptung ist, Vorratsdatenspeicherung würde Kinderleid verhindern, ebenso wie das Mantra, man müsse auf Freiheiten verzichten, um Sicherheit zu gewinnen. Es traut sich offenbar niemand, diese Behauptungen zu hinterfragen – wenn man sich dann im Ruf eines Kinderschänderfreundes wiederfinden muss.

Schmallippig diktiert der Bundesvorsitzende auf der Pressekonferenz kurz nach der Abstimmung den Journalisten in den Block, dass Freiheit und Sicherheit sich nicht ausschließen – und das unmittelbar nach den Diskussionen, die gerade das eine gegen das andere erfolgreich ausgespielt haben. Angesprochen auf die Terroranschläge von Paris weist er darauf hin, niemals die Vorratsdatenspeicherung in diesem Fall angeführt zu haben, die in Frankreich bestand und die ganz offensichtlich keinen Beitrag zur Verhinderung dieser Taten leistete. Leider spricht ihn keiner der anwesenden Journalisten auf den Anschlag durch Anders Breivik an, zu dem Gabriel schon mehrfach behauptete, die Vorratsdatenspeicherung wäre in diesem Fall erfolgreich gewesen, obgleich sie in Norwegen technisch zu diesem Zeitpunkt gar nicht umgesetzt war, also keinen Beitrag geleistet haben kann.

Linke Positionen ohne Not geräumt

Derweil ist es seitens der CDU auffallend still: Weder wurde vorher erkennbar Druck auf den Parteikonvent ausgeübt, noch wurde anschließend die Entscheidung genüsslich kommentiert – die CDU kann sich hier vollkommen zurücklehnen, denn der ganze Empörungssturm geht ausschließlich auf die SPD nieder. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft soll nach Medienberichten gesagt haben, sie ärgere sich, dass die SPD das Thema auf sich gezogen habe. Und damit hat sie Recht: Die SPD hat ohne Not ein polarisierendes Thema durchgekämpft, in dem sie dem großen Koalitionspartner einen Gefallen tut und bei dem sie nichts gewinnen kann. Umso unverständlicher, warum der große Vorsitzende sein gesamtes Gewicht dafür in die Waagschale warf. Merkel ist da geschickter, sich aus unangenehmen Themen vollkommen herauszuhalten.

Die Hoffnungen liegen erneut auf dem Bundesverfassungsgericht. Denn an der grundsätzlichen Konstruktion, dass Daten massenhaft, flächendeckend und anlasslos gespeichert werden, hat auch der neue Gesetzentwurf nichts geändert. Darüber wird der neue Name „Mindestspeicherfrist“ nicht hinwegtäuschen. Amüsantes Detail am Rande: Selbst Gabriel nennt die Maßnahme immer wieder „Höchstspeicherfrist“ – die Unsinnigkeit dieser Sprachverwirrung wird deutlich, wenn beide Begriffe synonym verwendet werden können. Von glaubwürdiger Netzpolitik hat die SPD jedenfalls Abstand genommen.

Übrig bleibt eine innen- und bürgerrechtspolitisch deutlich nach rechts gerückte SPD: Da, wo die CDU bereits ist. Das ist keine profilschärfende Maßnahme, im Gegenteil: Eine CDU „light“ braucht niemand. Ohne Not räumen die Sozialdemokraten reihenweise Positionen links der Mitte. Sie erledigen damit die schmutzige Arbeit der Union, der nachher die Früchte zufallen werden – der SPD wird das niemand danken. Ich sehe jedenfalls schwarz für die nächsten Wahlen.

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Generalangriff auf freie #WLAN-Netzwerke stoppen: Verschärfung der #Störerhaftung verhindern!

dead-end-206862_640Die von der Bundesregierung geplante verschärfte Störerhaftung schadet dem Internet-Standort NRW. Die neuen Regeln widersprechen dem gemeinsamen Entschlussstand im Landtag NRW. Ich fordere in der nächsten Plenarsitzung in einem Antrag die Landesregierung auf, sich gegen diese schädliche Neuregelung einzusetzen und die Verschärfung der Störerhaftung zu verhindern.

Die geplante Neuregulierung der Haftung von WLAN-Anbietern versetzt Freifunk-Initiativen den Todesstoß. Sie stellt eben keine rechtliche Klarstellung dar, sondern eröffnet neue Felder für die Abmahnindustrie. Der Entwurf ist ein Rückschritt auf dem Weg zur Informationsgesellschaft und steht dem digitalen Wandel im Weg. Das schadet dem Internet-Standort Deutschland und insbesondere NRW und passt so gar nicht zur gerade von der Landesregierung ausgerufenen ´Digitalen Reform´ NRW 4.0.

Dienstanbieter haften bislang nicht ohne Kenntnis

Im §8 des Telemediengesetzes (TMG) ist das sogenannte Providerprivileg von Internet-Diensteanbietern geregelt. Hierin ist niedergelegt, dass Dienstanbieter für fremde Informationen, die durch ihre Netze und Angebote durchgeleitet werden, ohne eigene Kenntnis oder Mitwirkung grundsätzlich nicht verantwortlich sind.

In der deutschen Rechtsprechung gab es bisher unterschiedliche Interpretationen, ob derjenige, der einen drahtlosen Netzwerkzugang bereitstellt, ebenso als Internet-Diensteanbieter zu gelten hat, und inwieweit er von der Haftung für fremde Inhalte freigestellt ist. Aufgrund dieser Unklarheiten hat sich eine Abmahnindustrie darauf spezialisiert, Betreiber von WLAN-Netzwerken abzumahnen, indem ihnen Verantwortung für fremde Inhalte aufgrund einer angenommenen Störerhaftung zugewiesen wird.

Die Bundesregierung plant, den §8 des Telemediengesetzes zu überarbeiten. Es sollen zwei weitere Absätze hinzugefügt werden, die zur rechtlichen Klarstellungen dienen sollen. Ein entsprechender Entwurf ist an die Öffentlichkeit gelangt. Dieser gibt Anlass zu Besorgnis, denn er führt zu einer Verschlechterung der Lage von WLAN-Anbietern und ruft neue rechtliche Unsicherheiten hervor.

Zwar wird im Entwurf die Haftungsfreistellung explizit auf Betreiber von WLAN-Netzwerken ausgedehnt. Gleichzeitig wird dem Netzwerkbetreiber auferlegt „zumutbare Maßnahmen“ zu ergreifen, um Missbrauch zu verhindern. Es soll, so der Entwurf, „in der Regel durch Verschlüsselung oder vergleichbare Maßnahmen“ verhindert werden, dass sich „außenstehende Dritte“ unberechtigten Zugriff auf das jeweilige WLAN verschaffen.

Auferlegte Maßnahmen sabotieren Freifunk

Damit ist der Betrieb eines echten Freifunknetzes nicht mehr möglich. Dieses richtet sich ausdrücklich an jedermann im Netzbereich, ohne dass die Identität jedes Nutzers bekannt ist. Gerade durch den Verzicht auf Verschlüsselung oder Zutrittskontrolle steht ein solches Netz jedem Menschen im Einzugsbereich zur Verfügung, auch Passanten und Besuchern. Es ist schlichtweg nicht möglich, jeden im Einzugsbereich eines Freifunknetzes zu registrieren und zu identifizieren. Der „digitale Schluck Wasser“, den man seinen Nachbarn und Passanten seines Hauses anbieten möchte, wird dadurch faktisch ausgeschlossen.

Dies ist ein fatales Signal für den Standort Deutschland: In nahezu allen Ländern Europas ist ein freier WLAN-Zugang an allen Orten eine Selbstverständlichkeit. Man kann sich überall in den Städten und öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen und findet an vielen Orten freie Netzwerkzugänge ohne Registrierung und Namenspflicht. Nur in Deutschland kann es solche Zugänge dann nicht mehr geben. Damit schließt sich Deutschland selbst vom digitalen Fortschritt, Partizipation und Teilhabe im Netz aus. Die Breitbandstrategie von Bund und Ländern wird konterkariert. Breitbandzugang, der laut Bundesgerichtshof Teil der materiellen Lebensgrundlage der Menschen ist, wird verkompliziert und verwehrt.

Aber selbst ein verschlüsseltes WLAN mit Zutrittskontrolle ist nicht sicher darstellbar. Wie Passanten eines WLANs in zumutbarer Weise identifiziert werden sollen, ist vollkommen unklar und wird auch wieder Gegenstand von juristischer Klärung und neuen Abmahnwellen sein. Die Erfassung und Speicherung von Nutzern stellt ihrerseits ein Datenschutzrisiko dar. Durch die Identifikation und Vorratsdatenspeicherung innerhalb der WLANs werden Bewegungsprofile möglich. Eine solche Speicherung auf Ebene der Netzwerke ist mit dem Gebot der Datensparsamkeit nicht zu vereinen.

Weiter sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Nutzer des WLAN explizit einwilligen sollen, in der Nutzung des Dienstes keine Rechtsverletzungen zu begehen. Eine solche Einwilligung ist ein rein formaler Akt und bestätigt eine Selbstverständlichkeit, welche niemand von Rechtsverletzungen abhält, der solche zu begehen plant. Sie ist inhaltlich unwirksam und stellt Zugangsanbieter vor Probleme, eine solche Zustimmung rechtssicher einzuholen und zu dokumentieren. Die Probleme der Störerhaftung werden mit den vorgesehenen Änderungen nicht aus dem Weg geräumt, sie werden verschärft.

Vorratsdatenspeicherung bei privat betriebenen WLAN

Im vorliegenden Entwurf findet sich ein Formulierungsvorschlag, der Anbietern, die den Zugang nicht „anlässlich einer geschäftsmäßigen Tätigkeit oder als öffentliche Einrichtung zur Verfügung stellen“, auferlegt, auch den Namen des Nutzers zu kennen. Dies beträfe dann neben allen Privatleuten auch alle Freifunk-Anbieter. Wie Privatleute und Freifunk-Anbieter den tatsächlichen Namen aller ihrer Besucher feststellen und speichern sollen, ist vollkommen unklar und technisch sowie rechtlich nicht sicher darstellbar.

Im Übrigen kann ein Rechtsverstoß ohnehin nicht einer einzelnen Person zugeordnet werden, da alle Nutzer in einem WLAN-Netzwerk unter derselben IP im Internet unterwegs sind, und die Aufzeichnung, wer dieser Benutzer wann, welche Inhalte im Netz abgerufen hat, gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Benutzer verstößt.

Zur rechtssicheren Erfüllung dieser Auflage wären sonst ausgerechnet gerade die privaten Betreiber von WLAN-Netzwerken zu einer sogenannten „Deep Packet Inspection“ sowie einer vollständigen Vorratsdatenspeicherung genötigt. Unter Deep Packet Inspection ist zu verstehen, Datenpakete inhaltlich zu überwachen und zu filtern. Es müssten sowohl der Datenteil als auch der Headerteil des Datenpaketes untersucht werden, um festzustellen und zu speichern, wer welche Inhalte wann aufgerufen hat. Ein tatsächlicher, vom Nutzer beabsichtigter Missbrauch eines offenen Netzzuganges würde damit in keinem Fall verhindert.

Spezialgesetz für Filehoster

§10 des Telemediengesetzes regelt, wann Provider für Daten haften, die sie für einen Nutzer speichern. Bislang tritt diese Haftung erst nach Kenntnis eines rechtswidrigen Vorgangs ein, auch hier profitiert der Provider von einem Haftungsprivileg für fremde Inhalte.

Dieses Privileg soll nun eingeschränkt werden. Der Entwurf sieht vor, „besonders gefahrgeneigte Dienste“ zu definieren, auf die das Privileg nicht anzuwenden ist. Ein solcher Dienst sei dadurch gekennzeichnet, dass

• „die Speicherung oder Verwendung der weit überwiegenden Zahl der gespeicherten Informationen rechtswidrig erfolgt“,
• „der Diensteanbieter durch eigene Maßnahmen gezielt die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert“,
• „in vom Diensteanbieter veranlassten Werbeauftritten mit der Nichtverfolgbarkeit bei Rechtsverstößen geworben wird“ oder
• „keine Möglichkeit besteht, rechtswidrige Inhalte durch den Berechtigten entfernen zu lassen“.

Was eine „weit überwiegende Zahl“ ist, wie diese festgestellt wird und welches eigene Maßnahmen sind, eine solche Gefahr zu fördern, ist vollkommen unklar und wird Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen und neuen Abmahnungswellen sein. Prinzipiell kann jeder Speicheranbieter genutzt werden, auch illegale Inhalte abzuspeichern – es kann aber nicht die Lösung sein, ganze Dienstklassen zu kriminalisieren.

Gerade Anbieter von Cloud-Dienstleistungen in Deutschland werden sich mit Problemen der Auslegung auseinandersetzen müssen, welches den digitalen Gründerstandort Deutschland erneut schwächt. Eine Haftung für fremde Inhalte auch ohne Kenntnis davon macht den Betrieb eines solchen Dienstes unmöglich.

Der NRW-Landtag ist gegen Störerhaftung

Mit Drucksache 16/4427 hat der Landtag NRW in einem gemeinsamen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenpartei die Landesregierung aufgefordert, auf die Beschränkung des Haftungsrisikos für die Betreiberinnen und Betreiber offener WLANs durch eine Ausweitung der Haftungsprivilegierung für Access-Provider gemäß §8 Telemediengesetz hinzuwirken sowie die stärkere Verbreitung offener Zugänge zum Internet zu fördern.

Der derzeitige Entwurfsstand des Telemedien-Änderungsgesetzes erfüllt diese Forderungen nicht nur nicht, er sorgt sogar für eine Verschlechterung der Lage. In ihrer Regierungserklärung vom 29.01.2015 hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Bedeutung des digitalen Wandels herausgestellt und erklärt, den notwendigen Beitrag leisten zu wollen, diesen Wandel zum Wohle des Landes, seiner Wirtschaft und seiner Bürgerinnen und Bürger zu gestalten. Gerade die konsequente Hinwendung zur Digitalisierung bietet Chancen für unsere Wirtschaft, wie sie die Ministerpräsidentin in ihrer Rede betonte. Auch die Bedeutung von frei zugänglichen WLAN für unser Land hat sie herausgestellt.

Der vorliegende Entwurf stellt einen Rückschritt auf dem Weg zur Informationsgesellschaft dar und steht dem digitalen Wandel im Weg.

Ich habe beantragt, dass der Landtag NRW folgende Feststellungen trifft:

• Der unbeschränkte Zugang zu freien Netzen an möglichst vielen Orten ist Voraussetzung eines erfolgreichen Wandels zur Informationsgesellschaft. So wird das Grundrecht auf breitbandigen Internetzugang unterstützt, welcher zur materiellen Daseinsvorsorge aller Menschen gehört.
• Betreiber offener Netzzugänge müssen dem Providerprivileg unterliegen, ganz gleich ob der Zugang per WLAN oder kabelgebunden erfolgt, ganz gleich ob der Zugang aus kommerziellen oder nicht geschäftsmäßigen Gründen zur Verfügung steht.
• Der Landtag begrüßt die Absicht, das Providerprivileg in §8 TMG grundsätzlich auch auf WLAN-Betreiber auszudehnen.
• Die vorgesehenen Kontroll-, Identifikations-, Belehrungs- und Aufzeichnungspflichten stellen Betreiber vor neue Haftungsrisiken und ungeklärte technische und rechtliche Probleme, ohne dass sie zu zusätzlicher Sicherheit vor Rechtsverletzungen führen.
• Hürden und Einschränkungen von offenen Netzwerkzugängen sind kontraproduktiv für den digitalen Wandel.
• Innovative Anbieter neuer Cloud-Dienstleistungen dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Folgende Aufforderungen an die Landesregierung soll der Landtag NRW richten:

• sich auf allen politischen Ebenen dafür einzusetzen, dass die Änderung des Telemediengesetzes auf die Klarstellung beschränkt bleibt, dass die Haftungsfreistellung gem. §8 TMG auch für Anbieter von WLAN-Zugängen gilt,
• sich gegen Kontroll-, Identifikations-, Belehrungs- und Aufzeichnungspflichten einzusetzen, die WLAN-Betreibern auferlegt werden sollen,
• sich gegen die Einführung neuer „besonders gefahrgeneigter Dienste“ in §10 TMG einzusetzen, welche für gespeicherte Inhalte ihrer Nutzer auch ohne Kenntnis haften sollen.


Runter vom toten Pferd! Angstmache beenden, Vorratsdatenspeicherung ablehnen!

man-358969_640Wir haben heute zu einem CDU-Antrag, der eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fordert, einen Entschließungsantrag eingereicht:

„Runter vom toten Pferd! Angstmache beenden, Vorratsdatenspeicherung ablehnen!“ (Drucksache 16/7849).

Dazu habe ich das folgende Pressestatement abgegeben:


Die Vorratsdatenspeicherung ist ein datenschutztechnischer Alptraum. Mit ihr
werden die Kommunikationsdaten und damit die persönlichen Informationen über
Millionen Bürger anlasslos, massenhaft und grundlos gespeichert. Demgegenüber
steht die anlassbezogene Datenspeicherung, bei der in einem Verdachts- oder
Ermittlungsfall selbstverständlich ganz gezielt Daten von bestimmten
Verdächtigen gesammelt werden.

In der Debatte gehen diese beiden Arten von Datenspeicherung wild durcheinander.
Die eine wird mit der anderen begründet. Diese absichtsvolle Vermischung darf
nicht toleriert werden. Verwerflich ist auch die Instrumentalisierung der Opfer
der Anschläge von Paris, um die Vorratsdatenspeicherun zu rechtfertigen.

Bisherige Versuche auf bundesdeutscher oder europäischer Ebene, eine anlasslose
Vorratsdatenspeicherung einzuführen, sind an verfassungsrechtlichen Bedenken
gescheitert. In Deutschland darf es keine Einführung der Vorratsdatenspeicherung
gegen die Grundrechte geben. Sicherheit gibt es nur durch mehr Freiheit, nicht
durch den Abbau von Freiheitsrechten. Der beste Datenschutz ist immer noch,
sowenig Daten wie möglich zu sammeln. Und Datenschutz erhöht unser aller
Sicherheit.

Landesregierung und die Geheimdienste: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

selfie-413162_640Der Spiegel berichtet, dass die Geheimdienste NSA und GCHQ im Rahmen des Spionageprogramms „Treasure Map“ Zugriff auf das Netz der Deutschen Telekom und der im Kölner Raum tätige Firma Netcologne haben. Vor einigen Wochen bereits wurde bekannt, dass auch die Satelliten-Kommunikationsanbieter Stellar und Cetel in Nordrhein-Westfalen Ziel von Geheimdienstangriffen waren. Beide Informationen stammen aus Unterlagen des US-Geheimdienstenthüllers Edward Snowden.

Im Rahmen einer „aktuellen Viertelstunde“ haben wir das Thema heute im Innenausschuss des Landtages besprochen, und Fragen an das Innenminísterium gestellt.

Nicht allzu viel kam dabei rum, sinngemäß: Wir wissen nichts, von dieser Angelegenheit haben wir erst durch die Presse erfahren, wir haben keine gesicherten Erkenntnisse, es ist Bundesangelegenheit. Solange Unternehmen nicht zu den Behörden kommen, könne man nichts tun, einen Anfangsverdacht auf weitere Einbrüche sähe man nicht. Eine absolute Sicherheit gegen Hacker gibt’s nicht, ein Angriff auf die Kommunikation der Kölner Polizei sei unwahrscheinlich.

Haarsträubend, wie die Landesregierung und die Landesbehörden den Kopf in den Sand stecken. Es drängt sich die Frage auf, ob Cyber-Kompetenzzentrum und NRW-Verfassungsschutz nicht als vertrauenswürdige und seriöse Partner für NRW-Unternehmen wahrgenommen werden. Vollkommen unverständlich ist, dass man immer noch keinen Anfangsverdacht für weitere Einbrüche in Nordrhein-Westfalens Unternehmen, bzw. für Spionage gegen Bürger unseres Landes sieht.

Dazu haben wir jetzt eine Pressemitteilung rausgegeben:
http://www.piratenfraktion-nrw.de/2014/09/online-einbruche-ignoranz-des-themas-kennt-keine-grenzen/

Auch die Piraten im Kölner Rat haben sich bereits diesem Thema angenommen, und unangenehme Fragen nach der Bedeutung für die Stadtverwaltung, die Kölner Polizei und die Bürger gefragt.
http://thomashegenbarth.wordpress.com/2014/09/16/weitergehen-hier-gibts-nichts-zu-sehen/

Ein parlamentarischer Antrag dazu ist auch in Planung, ich halte Euch auf dem Laufenden.

Busfahrt zur Freiheit statt Angst-Demo am 30.08. in Berlin

BerlinAm 30. August findet in Berlin wieder die alljährliche „Freiheit statt Angst“-Demonstration gegen Überwachungswahn und Sicherheitsparanoia statt.

Von NRW aus gibt es mehrere gesponserte Busfahrgelegenheiten.

Dieses Jahr hat sich das Bündnis #StopWatchingUs Köln bereiterklärt, einen Bus ab Köln zu organisieren:
http://cologne.stopwatchingus.info/fsa14.html
Vielen Dank dafür, daher muss ich dieses Jahr keinen Bus organisieren.

Mein Kollege Frank Herrmann sponsert Busfahrten von Düsseldorf und Bielefeld aus:
http://www.piratenfraktion-nrw.de/2014/07/fahr-mit-zur-freiheit-statt-angst-in-berlin/

Wer nicht in einer der genannten Städte ist, sollte bei den üblichen Fernbuslinien mal umschauen, möglicherweise eine Mitfahrzentrale nutzen, oder das Wiki des Bündnisses Freiheit statt Angst nach einer Mitfahrmöglichkeit durchsuchen.

Kommt zahlreich! Aufstehen statt Aussitzen – Freiheit statt Angst.

Strafanzeige wegen Spionage durch die NSA

Strafanzeige_NSABislang hat sich Generalbundesanwalt Range für die massenhafte Verletzung unserer Privatsphäre durch den Spionageangriff westlicher Geheimdienste nicht zuständig gefühlt. Tatsächlich sind auch die Landesanwaltschaften nach den Verfahrensregeln als erste zuständig.

Der Generalbundesanwalt könnte die Zuständigkeit aber an sich ziehen, denn zu seinem Aufgabenbereich gehören nicht nur Straftaten gegen die äußere, sondern auch Straftaten gegen die innere Sicherheit. Generalbundesanwalt Harald Range entzieht sich dieser Zuständigkeit und Verantwortung jedenfalls gegenwärtig.

Bis die oberste Instanz die Angelegenheit an sich zieht, wird die Landesanwaltschaft alleine auf Strafanzeige von Bürgern tätig. Und das kann sie gerne haben!

Nachdem die Bundesstaatsanwaltschaft sich nicht für zuständig hält, da das Staatswohl mit dem millionenfachen Ausspähen der Bürger des Landes offenbar nichts zu tun hat, habe ich heute Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft des Landes NRW gestellt. Vielleicht fühlt diese sich zuständig für die Bürger unseres Landes.

Die Strafanzeige kann man hier als PDF herunterladen.

Ein Jahr kaputtes Internet

Zum Jahrestag der NSA-Veröffentlichungen durch Edward Snowden.

car-accident-337764_640Man untertreibt mit Sicherheit nicht, wenn man festhält, dass das Internet seit dem 05. Juni 2013 nicht mehr dasselbe ist wie zuvor. Das Internet ist kaputt, und es sind westliche Geheimdienste, die es zerstört haben. Doch die schlimmsten Auswirkungen sind nicht technischer Natur, sondern die fatalen Folgen für unsere Wirtschaft, unsere Demokratie und unsere Freiheit.

An diesem Tag fanden die ersten Veröffentlichungen über den weltweiten Spionageangriff durch westliche Nachrichtendienste statt. Edward Snowdens Dokumente offenbarten einen ersten Blick auf die totalitäre Überwachung, die Geheimdienste der „Five Eyes“, allen voran der US-amerikanische Nachrichtendienst NSA sowie der britische GCHQ, im Internet errichtet haben.

Was vorher als Verfolgungswahn von leicht paranoiden Sicherheitsspezialisten verlacht wurde, hat sich als zutreffend, oder sogar als noch zu blauäugig erwiesen. Die Aluhüte hätten sehr viel größer sein dürfen.

Wir wissen heute, dass die Geheimdienste die Telefonate eines ganzen Landes speichern können, aus Glasfaserkabeln die gesamte Kommunikation mitlesen, unbegrenzten Zugriff auf private Google-, Facebook- und Microsoft-Konten haben. Wir wissen, dass sie Mobiltelefone in Wanzen verwandeln können, ohne sie berühren zu müssen – und sie selbst dann aktivieren können, wenn diese ausgeschaltet sind. Wir wissen, dass sie Privataccounts von Administratoren angreifen, um darüber die Netzwerke ihrer Arbeitgeber zu infiltrieren. Sie betreiben Wirtschaftsspionage zum Vorteil ihres eigenen Landes auf dem Boden ihrer angeblichen Freunde. Sie brechen in die Internetinfrastruktur weltweit ein und verwanzen diese. Sie hören Kommunikation aller Menschen auf der Welt ab, und speichern diese Informationen unbegrenzt. Auf Privatsphäre, auf schutzwürdige Daten wird nicht die geringste Rücksicht genommen.

Alles, was technisch möglich ist, wird auch gemacht. Schranken durch Moral oder Gesetz gelten nicht.

Wirtschaftsspionage per Formular

Wirtschaftsspionage ist eine Hauptaufgabe der Nachrichtendienste geworden. Nachweislich werden Unternehmen auch der befreundeten Länder angegriffen, um heimischer Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die NSA betreibt eine Internetseite, auf der US-amerikanische Unternehmen ihre Spionagewünsche online eingeben können. In den Fokus gerät dabei Know-how gerade auch kleiner und mittelständischer Unternehmen.

Absurderweise sind es die besten Absolventen der US-amerikanischen Eliteuniversitäten, welche die NSA für exorbitante Gehälter einstellt – und die dann der Wirtschaft in den USA verloren gehen. Die dadurch fehlende Brain Power muss dann offenbar durch Wirtschaftsspionage wieder ausgeglichen werden.

Auch internationale Organisationen und Konferenzen, wie die Europäische Union, die Vereinten Nationen oder die Weltklimakonferenz sind zum Spionageziel geworden. Indem man Positionen, Planungen und Absichten von Verhandlungspartnern ausspäht, gewinnt man einen strategischen Vorsprung in Verhandlungen. Dabei geht es nur um eines: Um Macht.

Geheimdienste entziehen sich dabei jeder Kontrolle. Sie agieren im Verborgenen, belügen die Parlamente, die sie kontrollieren sollen. Es wird nur zugegeben, was sich nicht leugnen lässt. Lokale Gesetze, wonach die eigenen Staatsbürger nicht ausgespäht werden dürfen, werden umgangen, indem man diesen Auftrag durch einen befreundeten Auslandsgeheimdienst der „Five Eyes“ ausführen lässt, und die gewonnenen Daten austauscht.

Ein unwürdiges Theater in Deutschland

hut-172789_640Auch Deutschland macht auf seine Weise mit. Obwohl Deutschland als besonders interessantes Ziel für Überwachung durch die NSA markiert worden ist, funktioniert der Datenaustausch reibungslos. Man stellt den westlichen Geheimdiensten Daten zur Verfügung, man bekommt offenbar auch hin und wieder interessante Daten – und stellt keine Fragen. Von Spionageabwehr, also der Abwehr gegen diese grundrechtswidrigen Angriffe durch „befreundete“ Nachrichtendienste gibt es keine Spur.

Vielleicht mag eine noch stärkere Verstrickung deutscher Geheimdienste in diese Affäre einer der Gründe sein, warum die deutsche Politik sich gegen eine Aufklärung mit Händen und Füßen wehrt. Übergroß ist jedenfalls die Angst vor dem Verlust der „transatlantischen Freundschaft“ mit den USA. So groß, dass Bundesstaatsanwalt Range sich nicht traut, in größerem Rahmen Ermittlungen einzuleiten – ein „Staatswohl“ postulierend, welches wohl wichtiger zu sein scheint als Bürgerrechte, Demokratie und Grundgesetz. Oder muss man gar annehmen, dass die totale Überwachung aller Menschen auch von der deutschen Politik genau so wie sie stattfindet erwünscht und befördert wird?

Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird derweil ein unwürdiges Theater aufgeführt: Seit Monaten ist unklar, ob man den Kronzeugen Edward Snowden überhaupt anhören will. Die Bundesregierung hat schon erklärt, ihre Informationen nur geschwärzt an den Ausschuss übergeben zu werden. Die Ausreden könnten kaum skurriler sein. Eine Aufklärung ist in diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss jedenfalls nicht zu erwarten.

Ungewisse Zukunft für Snowden

Überhaupt, Edward Snowden: Er sitzt seit einem Jahr in Russland fest – wahrlich kein Hort von Demokratie und Bürgerrechten. Sein Asyl läuft im Juli aus, seine Zukunft ist ungewiss. Nachdem mittlerweile die meisten Menschen der Ansicht sind, dass seine Leistung anerkennenswert ist, und dass er Schutz und sichere Zukunft verdient, ringt sich immer noch kein demokratisches Land dazu durch, ihn aufzunehmen. Eine Schande. Das Signal, welches dadurch an potentielle Whistleblower der Zukunft gesendet wird, ist fatal.

Edward Snowden – ein Mensch mit im Grunde konservativen Wertvorstellungen – konnte die täglichen Rechtsbrüche der Geheimdienste nicht hinnehmen, er verließ seine Heimat, seine Familie, eine langjährige Beziehung und einen gutdotierten Job, er begab sich unter Lebensgefahr in eine ungewisse Zukunft, um der Weltöffentlichkeit von diesem Skandal zu berichten. Er bewies damit Integrität, Aufrichtigkeit und Mut – landläufig nennt man jemanden, der große persönliche Last auf sich nimmt, um die Allgemeinheit zu schützen, einen Held. Leider jedoch sind das keine Merkmale, die wir von Politikern in unserem Land in dieser Angelegenheit erwarten dürfen.

Wo bleibt die Empörung?

auto-245447_640Warum fehlt jedoch der öffentliche Aufschrei angesichts eines täglichen, millionenfachen, fortgesetzten Grundrechtsbruchs? Wo sind die Massendemonstrationen, die öffentlichen Apelle? Wo schlägt sich die Besorgnis in Wählerstimmen nieder? Oder auch: Warum hört man von Piraten in der Angelegenheit nichts (obwohl diese seit einem Jahr ununterbrochen aus vollem Hals alarmieren)?

Offenbar ist das allgemeine Interesse doch nicht so hoch, wie es der Sache angemessen wäre. Das Thema scheint abstrakt, wird nicht ausreichend erklärt, und betrifft nach Meinung vieler wohl nur Menschen, die intensiv im Internet unterwegs sind. Es geht vermeintlich um „Internetkommunikation“, also im Internet fließende Daten, und im Grunde wusste man von der Überwachung auch vorher. Der Schutz vor Terrorismus oder dem Missbrauch von Kindern wird vorgeschoben. Man habe ja nichts zu verbergen. Mit der letzten Supermacht auf der Welt mag man es sich nicht verscherzen. Und gegen die Macht weltweit vernetzter Geheimdienste mit unbegrenzten technischen und finanziellen Mitteln könne man ohnehin nichts tun.

Doch ist das tatsächlich so? Beschränkt sich diese Überwachung einfach nur auf Internetkommunikation, auf Daten? Ist das ein Territorium unserer Welt, welches wir einfach „verloren geben“, und ansonsten weitermachen wie zuvor?

Das Internet wurde zerstört

Das Internet ist heute unsicherer als zuvor. Spezialabteilungen der NSA sammeln Sicherheitslücken in Hard- und Software und unterminieren Kryptografie allerorten. Anonymität wurde abgeschafft. Geheimdienste haben das Internet in ein Waffensystem verwandelt, um Menschen, Organisationen, Unternehmen und Staaten weltweit angreifen zu können. Und es sieht nicht so aus, als ob sie damit in absehbarer Zeit aufhören wollen. Die NSA ist wie ein Krebsgeschwür, das wuchert und den Wirt, das Internet, ständig weiter zerfrisst.

So wird das grundsätzliche Vertrauen in die Privatheit elektronischer Kommunikation fundamental zerstört. Und dabei handelt es sich nicht nur um Kommunikation zwischen Menschen, sondern auch Kommunikation über Menschen, die Unternehmen, Banken, Versicherungen oder Behörden untereinander austauschen.

Doch es ist eben nicht einfach nur Kommunikation, die bespitzelt wird. Es ist unser Leben, was damit ausgespäht wird. Es ist unser ganzes Leben, welches minuziös erfasst und gespeichert wird. Aus den Bewegungsdaten der Mobiltelefone ergibt sich ein Bild, wer wann wo war. Es ist erkennbar, wer mit wem spricht, also wer mit wem befreundet ist, wer Kollege, Vereinsmitglied, Liebhaber ist. Es ist erkennbar, welche Interessen jemand hat, welche Partei er wählt, welche Gesellschaftsauffassungen er vertritt. Man kennt seine Einkäufe. Natürlich auch, welche Krankheiten er hat, seine kompletten Finanzen, seine im Privaten ausgetauschten Fotos. Da ist das persönliche Tagebuch nur das Tüpfelchen auf dem I.

Es sind nicht „wir im Internet“, die überwacht werden. Es ist unser gesamtes, vollumfängliches Leben, das da überwacht und gespeichert wird. Wir alle, überall und zu jeder Zeit.

Das Ende der freien Meinungsäußerung

glass-101792_640Im Wissen, dass jede Meinungsäußerung im Internet mitgelesen und für immer gespeichert werden kann, setzt jetzt schon eine innere Zensur ein: Kann ich das so noch sagen? Wird mir diese Äußerung womöglich zum Nachteil ausgelegt werden? Muss ich mit Restriktionen bei zukünftigen Flugreisen rechnen, bei der Einreise in bestimmte Staaten? Mit Problemen im Beruf, im Ausland? Und wie verhält es sich, wenn diese Informationen anderen Menschen in die Hände fallen, etwa Kriminellen, Extremisten, oder einem totalitären Staat in der Zukunft?

Die Überwachung wird spürbar, wenn sie in Repression mündet. Bereits jetzt wurden Aktivisten an der Einreise in die USA gehindert, welche sich beispielsweise gegen die Spionagepraxis der NSA oder das geplante Freihandelsabkommen engagieren. Oder Menschen, die sich auf Facebook unpassend geäußert hatten. Und dies dürften erst die Anfänge sein. Die Auswahl der Drohnen-Ziele in Pakistan und anderen Ländern, also der durch Drohnen zu tötenden Menschen basiert letztlich auch auf durch die NSA gesammelten Daten, sowie dem von der NSA gefälltem Urteil über die Gefährlichkeit dieser Menschen.

Das Wissen darüber, dass es Anonymität und Privatsphäre im Netz nicht mehr gibt, sickert allmählich in das Bewusstsein aller Menschen. Dies führt zu selbstzensierten Meinungsäußerungen, einem verarmenden demokratischen Diskurs, und damit zu einer Gefahr für die Grundlage unserer Demokratie.

Regierungen von Bund und Ländern verletzen ihren Amtseid, wenn sie uns davor nicht schützen.