Große Koalition der Lobbyisten

scene-97966_640Schon in den Koalitionsverhandlungen zeichnet sich ab, was wir unter einer #GroKo zu erwarten haben: Den Durchmarsch der Lobbyisten. Ich habe ein paar besonders erschreckende Beispiele aus den Verhandlungen hier gesammelt. Derweil übt sich der Bundestag in Arbeitsverweigerung…

Verkohlung der Bundesrepublik

• Unter Führung von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Kraft für die SPD und Bundes“umwelt“minister Altmaier für die CDU wurde die Kehrtwende von den erneuerbaren Energien zu den Interessen von Großkonzernen wie RWE und EON vereinbart. KohleKraft tut das offenbar so gut, dass ein Kraftwerksbranchen-Lobbyist witzelte: „Frau Kraft macht gerade meinen Job„.
• Auf Wunsch der RWE sollen Erzeuger erneuerbarer Energien verpflichtet werden, einen Vertrag mit den Großkonzernen abzuschließen, der dazu führen dürfte, dass sie 6ct pro produzierter Kilowattstunde an die Multis bezahlen müssen.
• Mit den just eingegangenen Spenden des Evonik-Konzerns (90.000 Euro für die SPD, 70.000 Euro für die CDU) hat das gewiss gar nichts zu tun. Hauptaktionär der Evonik ist übrigens die RAG-Stiftung der RAG Aktiengesellschaft, einst Ruhrkohle AG genannt.
• Ich wollte es nicht glauben – bis Hannelore Kraft es mir persönlich erklärt hat.

Die Koalition der Drossel

• Einen ordentlichen Ausschuss für Internet und digitale Gesellschaft wird es im Bundestag nicht geben, genauso verzichtet man auf ursprüngliche Pläne für einen Internet(staats)minister.
• Die Telekom bekommt wieder Zugriff auf die letzte Meile, durch den Abbau der Netzregulierung. Angela Merkel nennt das den Telekommunikationssektor „etwas besser“ zu „ordnen“.
• Ein bisschen Netzneutralität möchte man. Einer „Vielzahl von Managed Services“ erteilt man eine Absage – was aber heißt, dass man einige Managed Services durchaus dulden würde. Also wird es doch ein Zwei-Klassen-Internet geben, die erste Klasse wird nur etwas exklusiver.
• Die Netzneutralität im Mobilfunkbereich ist noch schwammiger: Internettelefonie wird erlaubt (ist ja toll), kostet aber extra. Eine kreative Auslegung von Neutralität.
• Der Abschnitt zu Urheberrecht aus der Arbeitsgruppe Innen & Justiz liest sich wie aus der Feder der Content-Lobby-Verbände. Böse Erinnerungen an ACTA und co. werden wach.

Aktionismus statt Strafrecht

• Im Strafrecht plant die Große Koalition die Einführung eines Auto-Fahrverbotes für Straftäter. Hätten sie doch bitte vorher mal jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Altbekannter Aktionismus, der nachher wieder vom Bundesverfassungsgericht repariert werden muss.
• Bei Massen-DNA-Tests geraten jetzt auch automatisch die Verwandten ins Fadenkreuz – durch sogenannte „Beinahe-Treffer“. Mit einer Unschuldsvermutung hat das nichts mehr zu tun, wohl eher mit Sippenhaft.

Der Sieger, der keiner ist

Während die Presse ein mediales Zerrbild des Verhandlungsstandes berichtet (die CDU habe ihren Markenkern verraten meldet beispielsweise das Handelsblatt) stellt sich der Verhandlungsstand im Grunde anders da: „Nicht einmal ansatzweise gibt es großkoalitionäre Absichten, das umzusetzen, was die SPD im Wahlkampf verheißen hatte“ nennt es Arno Klönne bei Heise.

Letzte Chance Mitgliederbefragung?

Die SPD hat sich die Bestätigung ihrer Basis vorbehalten – eine Mitgliederbefragung soll über den Koalitionsvertrag entscheiden. Tatsächlich ist das nur eine Inszenierung und hat keinerlei Bindungswirkung. Eine Mitgliederbefragung ist in der Satzung der SPD nicht vorgesehen, es ist eben kein Mitgliederentscheid. Die Spitze der SPD muss sich nicht daran halten – sie kann sich die Erlaubnis dann trotzdem auf einem kleinen Parteitag mit Delegierten abholen. Und die Spitze droht im Falle eines nichtpassenden Votums schon mit Rücktritt.

Es ist also egal, was die Mitglieder wollen. Ein Trauerspiel. Schreiner haben Hochkonjunktur: Schleifspuren von über den Tisch gezogenen SPD-Mitgliedern entfernen. Ein klares Signal der SPD-Basis, dass ihr Werte und Überzeugungen mehr bedeuten als Ministerposten für ihre Granden würde ich mir dennoch sehr wünschen.

Es sieht nicht gut aus für die nächsten vier Jahre.

84710 Leser.

33 Gedanken zu „Große Koalition der Lobbyisten

  • 26. November 2013 um 07:32 Uhr
    Permalink

    War irgend was anderes zu erwarten von SPD und CDU ? Korruption, Lügen und Volksbetrug, das ist deren Tagesgeschäft.
    Ein Sechser im Lotto kommt häufiger vor wie ein ehrlicher Politiker.

    Antwort
  • Pingback: Große Korruption – wann bilden die Lobbyisten endlich die Regierung? | stohl.de

  • 26. November 2013 um 14:45 Uhr
    Permalink

    Das ist nicht nur eine heftige Fleißarbeit,
    sondern auch eine kräftige Arbeits-Wegnahme
    gegenüber der PHOENIX-Redaktionsleitung,
    in Anlehnung an die „Kraft, die die Arbeit der E-Lobby macht“, der Daniel „macht die Arbeit (z.B.) der „vierten Kraft“, des Inormationskanals der ARD und des ZDF“ !!
    (oder die der Opposition?!)

    Aber – wie gelegentlich von mir anzumerken – eine kleine Fragwürdigkeit zu den etwas schnellen Schlußfolgerungen, die dabei so manches mal entstehen, wie:

    „Die SPD hat sich die Bestätigung ihrer Basis vorbehalten – eine Mitgliederbefragung soll über den Koalitionsvertrag entscheiden. Tatsächlich ist das nur eine Inszenierung …“ – ??
    Abwertend gemeint“?
    Da sehe ich etliches anders.
    Bestätigung von der Basis ist doch wohl auch ein pirateskes Prinzip – oder nicht?
    Also das geht – auch aufgrund der zeitlichen, sachlichen, örtlichen und politischen Gegebenheiten und Lage völlig OK!
    Was kann passieren:
    1. Die SPD Basis stimmt zu, weil sie SICH im Koalitionsvertrag wieder findet (schon wieder? oder nun überhaupt erst ?), dann müßte ja das ein erträglicher Kompromiß sein … – die Basisbefragung erfüllt ihren gedachten klärenden Zweck

    2. Die SPD-Basis lehnt ab, weil sie SICH im Vertrag nicht (wieder) findet – und die SPD-Basis findet so ihre Führung erst nicht und dann – als eine völlig neue – wieder, die Basisbefragung erfüllt ihren gedachten reinigenden Zweck!

    3. Die SPD-Basis stimmt zu, obwohl sie sich im Vertrag weder sucht noch findet, noch wiederfindet, ja dann findet die SPD weder ihre Führung noch sich selbst und alle anderen die SPD auch nicht wieder, die Basisbefragung erfüllt jedoch auch damit ihren gedachten reinigenden Zweck!

    Wie auch immer:
    So Inszenierung, und so auch, und die Ergebnisse aller 3 Varianten entsprechen der jeweiligen Herausstellung eines gezielt berechtigt und somit beabsichtigt zu erwartenden möglichen Zieles einer Befragung der Basis.
    Was soll also daran verwerflich oder „inszenierEND sein?

    Warten wir DAS ab und bewerten DANN, was das alles ZUSAMMEN der politischen Arbeit und der demokratischen Praxis wohl an Erfahrung brachte, denn mit den von dir aufgelisteten Proben / pardon, wollte sagen Problemchen müssen wir (rsp. die Politik – wer mit wem auch immer) uns eh beschäftigen, egal, welche Basis was meint oder nicht meinen will, für uns mehr oder minder Unbeteiligte ist das, gleich welche Lösung sich einstellt, wie das dringend benötigte reinigende Gewitter, und danach, bekanntlich, scheint meist strahlend klar wieder eine Sonne, auch auf die SPD, ob mit oder ohne Basis, ob mit oder ohne Führung,
    the show must go on,
    und der Schuldige ist erst offenbart, wenn der Krimi ganz „durch“ ist

    Antwort
  • 26. November 2013 um 15:00 Uhr
    Permalink

    @Lusru sagt: 26. November 2013 bei 14:45
    Sicher sind Mitgliederbefragungen etwas was die Piraten unterstützen.
    Nur diese ist nicht verbindlich. Die Partei-Spitze kann sich darüber hinweg setzen.
    2. trommelt Sigi heftigst dafür und will sogar zurücktreten falls die Mitglieder die GroKo ablehnen. Das ist für einige Mitglieder sicher eine Art der Erpressung. Falls es für diese Mitglieder wichtiger ist dass Gabriel vorne bleibt.

    Antwort
  • 26. November 2013 um 17:14 Uhr
    Permalink

    Danke für die Zusammenstellung Daniel. Ich sehe gruseliges auf uns zukommen.

    Antwort
    • 26. November 2013 um 17:22 Uhr
      Permalink

      Ich auch, ich auch. Liebes Spaghettimonster, mach, dass die SPD sich gegen die #GroKo entscheidet.

      Antwort
  • 27. November 2013 um 14:00 Uhr
    Permalink

    @Bernhard 26. November 2013 bei 15:00
    „@Lusru sagt: 26. November 2013 bei 14:45
    Sicher sind Mitgliederbefragungen etwas was die Piraten unterstützen.
    Nur diese ist nicht verbindlich.“ –
    Das ist korrekt, jedenfalls teilweise, in letzter Konsequenz ist es PRAKTISCH halt doch falsch, weil:
    Theoretisch „unverbindlich“, jedoch per öffentlicher Akklamation des Erzengels (!) Gabriel verbindlich gemacht, indem er erklärt, eine Ablehnung durch seinen Rücktritt zu akzeptieren – was will man mehr? Was meinst du wohl, wie viele „rechte“ und „linke“ SPDler auf diese Nummer nur warten!
    Entscheidend dürfte sein, daß weder der Erzengel noch irgendeinanderer (bisher bekannter) SPD-Fürst es sich erlauben kann, nach einer Ablehnung die GroKo dennoch zu absolvieren, die Dauer ihres Zerfallsdatums dürfte über 1 Jahr nicht hinausgehen: Neuwahlen.
    SPD ohne Erzengel ist kein Schreckgespenst, für wen sollte es das sein?
    Wenn überhaupt einE FürstIN parteischädigende Schrammen durch einen negativen Basisbescheid erleiden könnte, dann ist das die „linke“ Dame, denn alles wäre ihr Geschäft (gewesen):
    GroKo-Vertrag, diesen popularisieren intern.
    Nur ihre Zeit nähert sich eh mit Riesenschritten einer „Auszeit“ zu: Kommt GroKo und wird sie Ministerin, ist sie raus aus der SPD-Führung, wird sie es nicht, ist sie kurz oder lang eh raus, da GroKo-Versagen zuerst ihrer Zustimmmung angelastet werden, kommt GroKo nicht, ist sie im inneren Führungszirkel der SPD verbrannt als zu schwach für Durchsetzung …
    Sie ist bereits jetzt – neben eventuell der gesamten SPD – die eigentliche tragische Persönlichkeit in diesem Spiel, und weniger das Stehaufmännchen Erzengel Gabriel.
    Und wo keine Führung (zu spüren) ist, findet sich bekanntlich in jeder Gruppierung umgehend ein neuer Leithammel, der bei der jetzigen Konstellation an der ganzen „ersten Reihe“ eben nicht auf einen Schlag vorbeikommt.
    Und wegen der „Verbindlichkeit der Basisbefragung“: Jedes pirateske Unterfangen hat einmal klein angefangen, warum nicht auch mal die „große mittelalterliche Tante“, wenn sie es versuchen will – aller Anfang ist ….
    (und mit Sicherheit lee(h)rreich)
    Also keine Sorge vor den nächsten „4 Jahren“, sie können auch (aus den gleichen Gründen) recht reichhaltig werden, z.B. für Piraten …

    Antwort
  • Pingback: Große Koalition der Lobbyisten | Piratenpartei Köln

  • Pingback: Froschs Blog: » Im Netz aufgefischt #138

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert