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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/9878

 

29.09.2015

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 3839 vom 2. September 2015

der Abgeordneten Birgit Rydlewski, Daniel Schwerd und Torsten Sommer   PIRATEN

Drucksache 16/9681

 

 

 

(Digitale) Erfassung polizeilichen Handelns in Nordrhein-Westfalen

 

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3839 mit Schreiben vom 29. September 2015 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Handeln nordrhein-westfälischer Sicherheitsbehörden, insbesondere der Polizei, außer Stande, die seitens des Parlaments erbetenen Zahlen anzugeben. Dabei tritt in den Antworten der Landesregierung ein Grundmuster zu Tage, das gerne einen oder beide der folgenden Sätze enthält: 

 

"Diese Daten werden in NRW nicht erhoben."

 

oder aber

 

"Diese Daten werden zwar in NRW erhoben, aber leider sind es so viele, dass eine Beantwortung in angemessener Zeit nicht möglich ist...“

 

Auf der anderen Seite ist die Erfassung solcher Daten selbstverständlich ein massiver Aufwand und nicht zuletzt deshalb beklagen sich Polizeibeamt*innen und deren Organisationen immer wieder über den steigenden bürokratischen Aufwand im Polizeidienst, der zunehmend mehr eine Konzentration auf die eigentlichen Aufgaben der Polizei erschwert.

 

Aus diesem Grund arbeiten die Polizeibehörden in den Ländern mit verschiedensten Vorgangsverwaltungsprogrammen – in NRW ist dies das „Integrationsverfahren Polizei“ (IGVP NRW). In der Vergangenheit hat es aber auch mit solchen Programmen immer wieder Probleme gegeben, die die eigentlich beabsichtigte Entlastung für die Polizeibeamt*innen konterkariert haben.

 

https://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/pc-probleme-bei-der-polizei-id3810399.html

 

Um diese Probleme zu lösen, haben verschiedene Bundesländer Ausschreibungen zur Fortentwicklung ihrer teilweise nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprechenden Vorgangsverwaltungsprogramme vorgenommen, so z.B. der Freistaat Bayern und der Freistaat Thüringen:

http://ausschreibungen-deutschland.de/184666_Technologische_Fortentwicklung_Integrationsverfahren_Polizei_IGVP-FE_2014_Muenchen

 

 

1.         Nach welcher Systematik werden Einsätze der Polizei in Nordrhein-Westfalen erfasst (bitte die einzelnen Erfassungsstufen auflisten, bspw. einzelne/r Beamt*in, Dienststelle, Kreispolizeibehörde, Innenministerium)?

 

Einsätze der Polizei (das heißt, die polizeiliche Reaktion auf von außen veranlasste oder durch die Polizei selbst festgestellte aktuelle Ereignisse, die ein zeitnahes polizeiliches Handeln erfordern) werden in verschiedenen polizeilichen IT-Verfahren erfasst und dokumentiert.

 

Hierfür wird jedoch nicht das polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem (IGVP) herangezogen, da dieses ausschließlich der Erzeugung und anschließenden Weiterbearbeitung des (u.a. im Zusammenhang mit einem Einsatz) entstehenden vollzugspolizeilichen Schriftverkehrs (Anzeige, Bericht o.ä.) dient.

 

Einsätze im täglichen Dienst werden im Einsatzleitsystem der Polizei NRW (eCEBIUS) dokumentiert.

Die Erfassung der Einsätze erfolgt grundsätzlich in den Leitstellen, teilweise auch in einzelnen Polizeiwachen der Kreispolizeibehörden.

 

Einsätze aus besonderem Anlass, die (wegen der Komplexität und der Anzahl der eingesetzten Kräfte) eine von der Regelorganisation abweichende Struktur der Einsatzorganisation erfordern, werden in den hierfür vorgesehenen IT-Verfahren LUPUS (Lage-Unterstützung für den polizeilichen Führungsstab) oder STABOS (Stabs-Organisations-system) dokumentiert.

 

Der nach der Polizeidienstvorschrift 350 (Vorschrift für den Wachdienst) vorgesehene Streifenbeleg für einzelne Einsatzmittel wird im IT-Verfahren ESB (elektronischer Streifenbeleg) auf der Grundlage der Informationen aus dem Einsatzleitsystem erstellt und dokumentiert.

 

Den oben aufgeführten polizeilichen Fachanwendungen liegen jeweils detaillierte Benutzer- und Berechtigungskonzepte zu Grunde, die den rechtlichen und polizeitaktischen Anforderungen entsprechen. Vor diesem Hintergrund werden die einzelnen Beamtinnen und Beamten für die Erfassung und Auswertung mit ihrer Zugehörigkeit zur jeweiligen Basisorganisationseinheit, Dienststelle und Polizeibehörde in der Anwendung zugelassen.

 

 

 

2.         Welche Daten werden grundsätzlich in dieser Systematik erfasst (z.B. Einsatztag, -zeit, -ort, beteiligte Behörden, beteiligte Beamt*innen, Anlass, Ablauf, Folgen, Einsatz von unmittelbarem Zwang, angewendete Zwangsmittel, etc.)?

 

Eine abschließende Aufzählung aller in dieser Systematik erfassten Daten sind in den jeweiligen Musterverfahrensverzeichnissen zu den IT-Verfahren hinterlegt.

Die Angaben des Verfahrensverzeichnisses können grundsätzlich bei der datenverarbeitenden Stelle von jeder Person eingesehen werden. Einschränkungen bestehen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 DSG NRW für die in § 8 Abs. 1 Nr. 7, 8 und 11 DSG NRW aufgezählten Angaben, soweit durch eine Einsichtnahme die Sicherheit des technischen Verfahrens beeinträchtigt wird.

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 DSG NRW können die Angaben der Verfahrensverzeichnisse für

 

  1. Verfahren nach dem Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen
  2. Verfahren, die der Gefahrenabwehr oder der Strafrechtspflege dienen,
  3. Verfahren der Steuerfahndung

 

dann nicht eingesehen werden, wenn die datenverarbeitende Stelle eine Einsichtnahme im Einzelfall mit der Erfüllung ihrer Aufgaben für unvereinbar erklärt.

 

 

3.         Welche dieser Erfassungsstufen (z.B. Einsatztagebuch) sind analoger Natur und welche digitaler?

 

Die Einsatzdokumentation erfolgt grundsätzlich in den genannten polizeilichen Fachverfahren in digitaler Form.

 

 

4.         Gibt es ein einheitliches digitales Erfassungssystem für ganz Nordrhein-Westfalen, in dem eine solche Erfassung vollständig erfolgt oder möglich wäre (z.B. im IGVP NRW)?

 

Die polizeilichen IT-Verfahren orientieren sich an den Geschäftsprozessen der einzelnen Kernaufgabenbereiche. Die vorgenannten IT-Verfahren sind dabei verpflichtend zur Bearbeitung einzusetzen.

Die Entwicklung eines einheitlichen IT-Verfahrens zur Unterstützung aller (vollzugs-) polizeilichen Geschäftsprozesse ist hierbei nicht vorgesehen.

Zum einen entspricht dieser Gedanke nicht dem heutigen Stand der Verfahrensentwicklung, zum anderen steht die Komplexität der Abbildung aller polizeilichen Geschäftsprozesse in einem einzigen IT-Verfahren dem entgegen.

 

Der verfahrensübergreifende Datenaustausch wird in der Regel über technische Schnittstellen gewährleistet.

 

 

5.         Ist das IGVP NRW noch den aktuellen Anforderungen gewachsen oder gibt es Bestrebungen zu dessen Optimierung oder gar zur Anschaffung eines neuen Systems?

 

Nach Durchführung eines entsprechenden Vergabeverfahrens ist die Ablösung des derzeitigen Vorgangsbearbeitungssystems „Integrationsverfahren Polizei NRW (IGVP)“ durch das neue Verfahren zur integrierten Vorgangsbearbeitung und Auskunft (ViVA) projektiert.

 

Die entsprechenden Anforderungen an das neue Vorgangsbearbeitungssystem wurden in einem übergreifenden Prozess unter Beteiligung aller polizeilichen Bereiche erhoben.

Hierbei wurden auch sämtliche bestehenden Systeme im Bund und in den Ländern begutachtet und bewertet.

Die Einführung von ViVA wird im 2. Quartal 2016 beginnen.

 

 


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