< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/932

 

19.09.2012

 

 

 

 

Kleine Anfrage 469

 

des Abgeordneten Daniel Schwerd   PIRATEN

 

 

 

Verwaiste Werke von in der NS-Diktatur verfolgten und ermordeten Künstlern

 

 

 

Verwaiste Werke sind Werke, deren Urheber oder Rechteinhaber nicht mehr oder nur mit extremen Aufwand zu ermitteln sind. Solche Werke lassen sich nur noch problematisch verwerten, da eine Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers zur Verwertung nicht mehr eingeholt werden kann. Faktisch werden verwaiste Werke in Deutschland von Verwertungsgesellschaften verwertet.

 

Zu verwaisten Werken gehört auch eine Vielzahl von Werken jüdischer und anderer Künstler, Musiker und Autoren, die im Nationalsozialismus ermordet oder vertrieben wurden und die keine Erben hinterlassen haben bzw. deren Erben nicht auffindbar sind.

 

In Fällen, in denen für einen Nachlass keine Erben leben oder aufzufinden sind, ist der Fiskus Erbe, vertreten durch die Landesfinanzminister der Bundesländer. Faktisch nutzen jedoch Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort und GEMA die verwaisten Werke, und erzielen daraus Einnahmen, die den in der Zeit des Nationalsozialismus vertriebenen, verfolgten und getöteten Künstlern beziehungsweise ihren nicht auffindbaren Erben zugestanden hätten. Weder nimmt der Fiskus die Nutzung dieser Werke wahr, noch stellt er sicher, dass diese Einnahmen im Sinne der Ermordeten und Verschollenen genutzt werden.

 

Der Staatskanzlei des Landes  Nordrhein-Westfalen wurde im Mai 2009 ein Schreiben des Justitiars des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland (vormals Exil-PEN) zugeleitet. Darin wird folgende Frage aufgeworfen: Ist der Staat (in diesem Fall das Land NRW) als Erbe verwaister Werke der bis 1945 verstorbenen oder verschollenen Schriftstellern, die vom Nationalsozialismus verfolgt wurden, der Pflicht zur angemessenen Verwertung der Werke im beschriebenen Sinne ausreichend nachgekommen?

 

Das Land NRW hat diese Anfrage im Gegensatz zu anderen Bundesländern bislang nicht beantwortet.

 

Das Europäische Parlament hat am 13. September 2012 in Straßburg die lange diskutierte Richtlinie über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke verabschiedet. Die Abgeordneten billigten die Vorlage mit 531 gegen 65 Stimmen bei 11 Enthaltungen. Die Richtlinie erlaubt die nichtkommerzielle Nutzung von Büchern, Filmen und anderen schöpferischen Werken, für die kein Urheber mehr aufgefunden werden kann.

 

Bibliotheken und Archive können laut der Richtlinie nach einer "sorgfältigen Suche" nach möglichen Rechteinhabern Werke aus ihrem Bestand digitalisieren und öffentlich zugänglich machen. Die Richtlinie ist Teil eines größeren Pakets zur Reform des Urheberrechts, das nach Ansicht von EU-Medienkommissarin Neelie Kroes noch erweitert werden muss. Einige Abgeordnete sprachen von einem ersten Schritt, der bei der in zwei Jahren anstehenden Revision noch verbessert werden könne.

 

Diese Richtlinien legen fest, dass in den EU-Staaten die Feststellung, ob es sich im jeweils konkreten Fall um verwaiste Werke handelt, in erster Linie in der Verantwortung der Nutznießer liegt. Das würde bedeuten, dass sowohl Verlage als auch die VG Wort und die GEMA verwaiste Werke an die Länder als rechtliche Erben melden müssen.

 

Dies wird zu umfangreichen Recherchen und Arbeiten führen.

 

 

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

 

1.         Wie bewertet die Landesregierung die Auffassung, dass wegen des moralischen Gehaltes eine Regelung der Nutzungsfrage dieser Werke im Sinne der Ermordeten und Verschollenen unbedingt erfolgen muss?

 

2.         Wird die Landesregierung  die notwendigen Recherchen und Arbeiten in ihrem Bereich ermöglichen und unterstützen?

 

3.         Ist die Landesregierung von NRW bereit, mit allen Beteiligten und in Frage kommenden Einrichtungen und Organisationen eine Regelung des Problems des Erbes von durch den Nationalsozialismus verfolgten Künstlern, Autoren und  Komponisten herbeizuführen?

 

4.         Welche Schritte wird die Landesregierung konkret durchführen, um die in Fragen 2 und 3 angesprochenen Aufgaben umzusetzen? Bitte nennen Sie auch den vorgesehenen Zeitrahmen der einzelnen Schritte.

 

 

 

Daniel Schwerd

 


< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!