LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
|
Drucksache 16/9256 |
|
09.07.2015 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 3599 vom 18. Juni 2015
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3599 mit Schreiben vom 9. Juli 2015 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
„
.“Voltaire
Die Initiative „Mehr Demokratie“ wirft dem Rat der Stadt Königswinter vor, ein Bürgerbegehren aufgrund gesetzlich gar nicht mehr geltender Anforderungen für unzulässig erklärt zu haben. Die Mitglieder des Stadtrates hatten gestern entschieden, dass das Begehren für den Erhalt der Lemmerzbäder auch deshalb nicht zulässig sei, weil es keinen Kostendeckungsvorschlag beinhaltet. „Der Landtag hat dieses Zulässigkeitskriterium bereits 2011 abgeschafft, das ist der Stadt wohl nicht aufgefallen“, kritisiert der Landesgeschäftsführer vom Verein Mehr Demokratie.
Mehr Demokratie bemängelt außerdem, dass die Stadt dem Bürgerbegehren vorwirft, die Kostenschätzung der Verwaltung für die Umsetzung des Begehrens infrage zu stellen: „Die Gemeindeordnung schließt dies nicht aus und der Landtag hat dies in seiner Begründung zur Änderung der Regeln für Bürgerbegehren 2011 ausdrücklich erlaubt“.
Bei Mehr Demokratie stößt man sich auch daran, dass das Begehren nach Meinung der Stadt zu spät eingereicht worden sei. Der Rat hatte sich bereits am 13. Oktober 2011 dafür ausgesprochen, ein Vergabeverfahren zum Bau eines neuen Schwimmbades einzuleiten. Spätestens der Beschluss vom 29. April 2013, die beiden verbleibenden Bieter zur Abgabe verbindlicher Angebote aufzufordern, habe die Entscheidung für ein ÖPP-Bäderverfahren manifestiert und damit die Einreichungsfrist ausgelöst, meint die Verwaltung. Das Vergabeverfahren war aber ausgesetzt und erst mit Ratsbeschluss vom 15. Dezember 2015 fortgeführt worden. Dieses Datum sehen die Initiatoren des Bürgerbegehrens als fristauslösend an.
Hintergrund des Bürgerbegehrens waren Pläne der Stadt zum Abschluss eines Vertrages über eine Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP) zum Bau eines neuen Schwimmbades. Gleichzeitig sollte der Freibad-Teil der Lemmerzbäder verkauft und beide Bäder nebeneinander betrieben werden. Der Förderverein „Rettet unsere Lemmerzbäder“ setzt sich dafür ein, dass die Lemmerzbäder erhalten bleiben. Der Abschluss des ÖPP-Vertrages soll verhindert werden. Gegenüber dem Erhalt und der Sanierung der Lemmerzbäder führe dieser zu erheblichen Mehrkosten, meint der Verein.
1. Muss in einem Bürgerbegehren ein Kostendeckungszuschlag verankert sein? Nehmen Sie zur Rechtsauffassung des Landesgeschäftsführers vom Verein Mehr Demokratie Stellung.
Die Landesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, die Rechtsauffassung des Landesgeschäftsführers des Vereins Mehr Demokratie zu bewerten. Allgemein ist festzustellen, dass die Verpflichtung zur Erstellung eines Kostendeckungsvorschlages durch die Initiatoren eines Bürgerbegehrens mit dem Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung vom 13. Dezember 2011 (GV. NRW. S. 685) abgeschafft und durch eine von der Verwaltung der Gemeinde vorzunehmende Kostenschätzung ersetzt wurde. Gemäß § 26 Absatz 2 Sätze 5 und 6 GO NRW teilt die Verwaltung den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens schriftlich eine Einschätzung der mit der Durchführung der verlangten Maßnahme verbundenen Kosten (Kostenschätzung) mit. Die Kostenschätzung der Verwaltung ist bei der Sammlung der Unterschriften anzugeben. Den Initiatoren des Bürgerbegehrens ist es unbenommen, in der Begründung des Bürgerbegehrens eine davon abweichende Auffassung zur Einschätzung der Kosten darzustellen (vgl. die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Drs. 15/2151, S. 14).
2. Wie bewertet die Landesregierung diese Ablehnungsbegründung der Stadt Königswinter?
Über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens entscheidet gemäß § 26 Absatz 6 Satz 1 GO NRW der Rat der Gemeinde. Die vom Rat der Stadt Königswinter zu dem in Rede stehenden Bürgerbegehren angeführten Ablehnungsgründe sind der Landesregierung über die einschlägige Berichterstattung in den Medien hinaus nicht bekannt. Eine rechtliche Bewertung des Einzelfalls kann deshalb nicht vorgenommen werden.
3. Ist ein Bürgerbegehren nur dann fristgerecht, wenn es sich gegen einen noch nicht manifestierten Beschluss richtet? Nehmen Sie dazu Stellung, inwieweit ein Begehren nicht mehr fristgerecht sei, auch wenn noch keine unumkehrbaren Fakten geschaffen wurden, sowie zum Fall, wo Umsetzungsverfahren ausgesetzt sind.
Ein Bürgerbegehren, das sich gegen einen Ratsbeschluss richtet, ist gemäß § 26 Absatz 3 GO NRW fristgebunden. Soweit der angegriffene Ratsbeschluss nach der Bekanntmachungsverordnung bekannt gemacht werden muss, muss das Bürgerbegehren innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe eingereicht werden. Handelt es sich um einen Beschluss, der nicht der Bekanntmachung bedarf, beträgt die Frist drei Monate nach dem Sitzungstag.
Durch die Fristgebundenheit soll im Interesse der Stabilität und Verlässlichkeit gemeindlicher Willensbildung verhindert werden, dass durch ein Bürgerbegehren ein vom Rat beschlossenes Regelungsprogramm beliebig lange in Frage gestellt werden kann. Dazu führt das VG Düsseldorf weiter aus: „Dieser Schutzzweck ist bereits berührt, wenn aufgrund eines Ratsbeschlusses hinsichtlich einer konkreten Entscheidungsfrage in eine bestimmte Richtung agiert wird; dass der eingeschlagene Weg erst durch weitere (künftige) Ratsbeschlüsse irreversibel festgelegt würde, ist unbeachtlich.“ (VG Düsseldorf, Beschluss v. 08.07.2008 - 1 L 1114/08).
4. Wie bewertet die Landesregierung das hier geschilderte Szenario im Hinblick darauf, ob das Bürgerbegehren fristgerecht war?
Siehe Antwort auf Frage 2.
5. Welche Position in Bezug auf den ÖPP-Vertrag und die Lemmerzbäder vertritt die Landesregierung? Nehmen Sie Stellung zu den Forderungen des Bürgerbegehrens.
Die Landesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, Forderungen eines Bürgerbegehrens zu bewerten. Allgemein ist festzustellen, dass im Rahmen der kommunalen Finanzmittelbeschaffung ÖPP-Modelle grundsätzlich zulässig sind, sofern ihre konkrete Ausgestaltung nicht gegen kommunal- bzw. bankenrechtliche Vorschriften verstößt. Auch ÖPP-Modelle unterliegen dem Gebot einer wirtschaftlichen, effizienten und sparsamen Haushaltswirtschaft nach § 75 Absatz 1 GO NRW und müssen deshalb im Einzelfall auch danach beurteilt werden. Unter der Voraussetzung, dass alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden, können ÖPP-Modelle als taugliche Finanzierungsinstrumente angesehen werden.