LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
|
Drucksache 16/9046 |
|
19.06.2015 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 3433 vom 15.05.2015
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
"Dieser Inhalt ist in Ihrem Land leider nicht verfügbar" - Digitale Grenzen in einem vereinigten Europa?
Die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien hat die Kleine Anfrage 3433 mit Schreiben vom 19. Juni 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
"Alle Schranken sind bloß des Übersteigens wegen da."
Novalis
Digitale Dienste und Angebote verändern in Europa wie weltweit das Leben der Menschen nachhaltig. Die gesetzlichen Regulierungen dazu stammen jedoch zumeist noch aus der Vor-Internet-Zeit und kollidieren mit den veränderten Anforderungen und Nutzungsgewohnheiten der Menschen im 21. Jahrhundert.
Lizenzierungen von audiovisuellen Inhalten im Internet etwa sind oft mit geographischen Begrenzungen verbunden, die dem Verbreitungsraum Internet in seinem Wesen widersprechen. Auf diese Lizenzbedingungen regieren die Lizenznehmer oft mit Maßnahmen des sogenannten Geoblockings, um auf technischem Wege den Abruf aus dem Ausland zu unterbinden.
Angebote sind dann gar nicht im jeweiligen Ausland, oder nicht in bestimmten Sprachen verfügbar. Damit wird das legale Medien- und Kulturangebot europaweit verkleinert. Gleichzeitig können Menschen mit technischem Sachverstand diese Sperren einfach umgehen, was zu einer Benachteiligung von nicht-technisch-affinen Menschen führt und die digitale Spaltung weiter verschärft.
Bei Satellitenübertragung wird bei Lizenzvergabe das Ursprungslandprinzip angewendet. Der Sender, der für sein Ursprungsland eine Lizenzierung vorgenommen hat, darf die Übertragung über Satellit auch dann vornehmen, wenn die Ausleuchtungszone des Satelliten über das Land selbst hinausgeht. Technische Maßnahmen, die Verbreitung im Ausland zu verhindern, muss er nicht ergreifen, eine unfreiwillige technische Überschreitung der Ländergrenzen (der sogenannte "Overspill") wird dergestalt akzeptiert.
ARD und ZDF haben in einem Positionspapier "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft - Anmerkungen und Anregungen von ARD und ZDF" die Forderung aufgestellt, das Ursprungslandprinzip für Online-Angebote der Rundfunkveranstalter anzuwenden. Zudem fordern sie vereinfachte Rechteklärungssysteme und das Weitersendungsrecht für neue Plattformbetreiber zu erweitern. Das Ursprungslandprinzip für Lizenznehmer im Internet generell anzuwenden würde kulturelle Nachteile aufheben.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Kommission der Europäischen Union hat am 7. Mai 2015 die „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa COM(2015) 192 final“ vorgestellt. Die Mitteilung über die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt wird derzeit bei Bund und Ländern ausgewertet. Der Meinungsbildungsprozess dazu ist noch nicht abgeschlossen. Die Kleine Anfrage spricht Themen an, die in der Binnenmarktstrategie der EU Kommission behandelt werden. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage bezieht sich auf die derzeit gültige Beschlusslage der Landesregierung.
1. Welchen Nutzen bzw. Schaden hat "Geoblocking" für die kulturelle Vielfalt und Medienfreiheit in unserem Land?
Zunehmend erwarten Mediennutzerinnen und -nutzer Zugang zu den von ihnen nachgefragten Inhalten zu Zeiten und an Orten ihrer Wahl. Bedeutsamer werden dabei mobile Endgeräte.
Deshalb ist es für die kulturelle Vielfalt und Medienfreiheit vorteilhaft, wenn Angebote soweit als möglich auch grenzüberschreitend zugänglich sind.
2. Inwieweit ist die generelle Anwendung des Ursprungslandprinzips bei der Lizenzvergabe audiovisueller Inhalte nach Meinung der Landesregierung eine geeignete Maßnahme, kulturelle Vielfalt und Medienfreiheit zu stärken?
Bei uneingeschränkter Geltung des sog. Ursprungslandprinzips (auch Herkunftslandprinzip genannt) könnten Waren oder Dienstleistungen, die in einem EU-Mitgliedstaat nach dessen Rechtsvorschriften ordnungsgemäß hergestellt und auf den Markt gebracht worden sind, grundsätzlich innerhalb der gesamten Union auf den Markt gebracht werden. Die Einhaltung einer Vielzahl nationaler Regelungen seitens der Anbieter wäre damit nicht erforderlich.
In Deutschland ist für den Bereich Telemedien das Herkunftslandprinzip durch § 3 Telemediengesetz (TMG) mit zahlreichen Ausnahmen umgesetzt.
Eine generelle Anwendung des Ursprungslandprinzips scheint vorteilhaft, um die kulturelle Vielfalt und Medienfreiheit zu stärken. Einfache Rechteklärungssysteme wie eine angemessene Vergütung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten sollten Kernpunkte eines modernisierten Urheberrechts sein. Zugleich müssen die Interessen der Inhaber von Rechten, die an nationale Grenzen gebunden sind, berücksichtigt werden.
3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung auf Bundes- und europäischer Ebene in Hinblick auf das "Geoblocking"?
Im März 2015 hat Nordrhein-Westfalen einen Entschließungsantrag zu „Maßnahmen zur Stärkung der Vielfalt der Medien und pluralistische Berichterstattung in einem Europäischen Digitalen Binnenmarkt“ im Bundesrat eingebracht, der auch den Aspekt Geoblocking aufgreift. In Ziffer 14 der u.a. im Ausschuss für Kulturfragen angenommenen Entschließung (Drucksache 104/15) heißt es dazu:
„14. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, im Rahmen der Entwicklung des DSM Initiativen zu ergreifen, die dazu beitragen können, den grenzüberschreitenden Zugang zu Online-Inhalten zu fördern. Der Bundesrat fordert, ein Rechtssystem zu etablieren, das einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Zuschauer auf Zugang zu (pan-) europäischen Inhalten, auskömmlichen Einnahmemöglichkeiten für Produzenten und Rechtinhabern sowie dem Ziel eines vielfältigen Medienangebotes gewährleistet. (Pan-)Europäische Lizenzierungen dürfen nicht zu Lasten der Nutzer hinsichtlich des Zugangs zu vielfältigen Angeboten gehen.“
4. Welche Haltung hat die Landesregierung zu der Forderung, ein vereinfachtes Rechteerklärungssystem für Anbieter neuer Plattformen sowie Weitersendungsrechte von digitalen audiovisuellen Inhalten zu schaffen?
5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung auf Bundes- und europäischer Ebene zur Einführung eines vereinfachten Rechteerklärungssystems für Anbieter neuer Plattformen sowie Weitersendungsrechtes von digitalen audiovisuellen Inhalten?
Wie mit der Antwort auf Frage 3 bereits verdeutlicht, tritt die Landesregierung für einen Ausgleich der Interessen von Nutzern einerseits und Inhalteproduzenten andererseits ein. Die Europäische Kommission ist gefordert, dafür konkrete Vorschläge zu unterbreiten und mit allen Beteiligten zu erörtern. Die Landesregierung wird sich hier wie bisher aktiv einbringen.