LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/8939 |
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11.06.2015 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 3443 vom 19. Mai 2015
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
Drucksache 16/8735 (Neudruck)
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hält die gesetzliche Grundlage für die Ausweisung von Gefahrengebieten in Hamburg für verfassungswidrig. Dies geht aus einem am 13. Mai 2015 verkündeten Urteil des Gerichts hervor (Az. 4 Bf 226/12).
Sie verstoße gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Voraussetzungen für die Ausweisung eines solchen Gefahrengebietes seien nicht klar genug genannt, sondern die Entscheidung über Ort, Umfang und Dauer sei der Polizei überlassen. Eingriffsmaßnahmen von erheblichem Gewicht seien verdachtsunabhängig möglich, ohne dass ein in der Person bestehender konkreter Anlass gegeben sein muss. Die hiermit verbundene Belastung ist nach Meinung des Gerichtes nicht angemessen.
Gefahrengebiete gibt es in NRW nicht, jedoch den vergleichbaren Begriff der "gefährlichen Orte", zu denen die Landesregierung in meinen kleinen Anfragen 1946 und 2451 befragt wurde. Auch hier wird verdachtsunabhängiger Eingriff ermöglicht, der sich gegen Anwesende richtet, ohne dass der Grund in ihrer Person liegen muss. Die Landesregierung sieht in "Orten" einen höheren regionalen Bezug als in "Gebieten". Die Eingriffsrechte sind jedoch ähnlich.
In der Antwort zur Frage Nummer 3 der Kleinen Anfrage 1946 teilte die Landesregierung mit, dass über Maßnahmen, die auf die Rechtsvorschriften zu "gefährlichen Orten" gestützt sind, keine Statistik vorhanden sei.
1. Welchen Anpassungsbedarf der Regelungen zu "gefährlichen Orten" in nordrhein-westfälischem Recht hält die Landesregierung unter Berücksichtigung der Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2015 für angezeigt?
Keinen.
2. Welche rechtlichen Verfahren von bzw. gegen Personen, die aufgrund der Rechtsvorschriften zu "gefährlichen Orten" in NRW geführt wurden, hat es von 2010 bis zum heutigen Tage gegeben?
Statistische Daten strafrechtlicher Ermittlungsverfahren werden dazu an zentraler Stelle nicht erhoben.
3. Wie wären diese Verfahren jeweils zu beurteilen gewesen, wenn die Rechtsvorschrift zu "gefährlichen Orten" wegen Verfassungswidrigkeit entfällt?
Angesichts der Antworten auf die Fragen 1 und 2 entfällt eine Beantwortung.
4. Inwieweit unterscheiden sich Orte von Gebieten? Nennen Sie sämtliche Rechtsgrundlagen, die Sie für diese Unterscheidung heranziehen.
Bereits in den Antworten auf die
Kleinen Anfragen 1946 (Landtags-Drucksache 16/5190)
- dort zu Frage 1 - und 2451 (Landtags-Drucksache 16/6521) - dort in der
Vorbemerkung der Landesregierung - wird ausgeführt, dass sich ein Ort im Sinne
des § 12 Absatz 1 Nummer 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG
NRW) von einem Gebiet im Sinne des § 4 Absatz 2 Satz 1 des Hamburger Gesetzes
über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) in der Fassung, die dem
Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2015 zugrunde lag,
durch den engen Ortsbezug unterscheidet.
5. Warum hält es die Landesregierung nicht für erforderlich, eine Statistik zu bzw. Übersicht aller "gefährlichen Orte" in Nordrhein-Westfalen zu führen?
In der Vorbemerkung der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2451 wird klargestellt, dass „Orte“ im Sinne des § 12 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW von der Polizei nicht abstrakt oder vorsorglich festgelegt werden. Eine statistische Erfassung dieser Orte ist somit ausgeschlossen.