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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/8851

 

05.06.2015

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 3405 vom 29. April 2015

der Abgeordneten Frank Herrmann, Birgit Rydlewski und Daniel Schwerd   PIRATEN

Drucksache 16/8613

 

 

 

Einsatz von Pfefferspray durch nordrhein-westfälische Sicherheitskräfte

 

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3405 mit Schreiben vom 3. Juni 2015 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Immer wieder kommt es zu starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen durch den Einsatz von Pfefferspray beziehungsweise chemischen Substituten durch Polizeibeamtinnen und -beamte. So mussten im November 2014 nach einem Polizeieinsatz mit Reizgas in einer Kölner Schule 23 Schüler und zwei Lehrer wegen Atembeschwerden und Augenbrennen vom Rettungsdienst versorgt werden.[1]

 

Besonders häufig kommt Pfefferspray rund um Fußballspiele der Bundesligen zum Einsatz. Während eines polizeilichen Blocksturms mit Pfefferspray-Einsatz in der Arena auf Schalke am 22. August 2013 kam es zu über 80 Verletzten. Seit der Saison 2013/14 dokumentiert daher die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) Verletzungen, die durch den Reizstoff-Einsatz der Polizei verursacht wurden. Dabei fällt auf, dass Polizeibeamte selber unter den Verletzten zu finden sind.[2] Besonders im Stadion ist das Versprühen von Reizstoffen sehr gefährlich und die Risiken unkalkulierbar, denn der Abstand zum potentiellen Opfer beeinflusst die Gefährlichkeit. Zudem warnen Kriminologen – wie der Experte Prof. Thomas Feltes – vor einer Massenpanik, die im Stadion ausgelöst werden könnte.[3] In der Stellungnahme 16/551 machte Prof. Feltes darauf aufmerksam, dass negative Auswirkungen bis hin zu Todesfällen seit 1995 bekannt sind. (Am 23. Juli 2010 kam ein 32-jähriger Mann in Dortmund durch Pfefferspray zu Tode.) Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages schreibt: „Eine erhöhte Gefahr indirekter gesundheitlicher Folgen besteht schließlich für Asthmatiker, Allergiker und blutdrucklabile Personen bzw. bei arterieller Hypertonie.“[4]

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Die Landesregierung trifft alle notwendigen Maßnahmen, um die Poli-zeivollzugsbeamtinnen/–beamte (PVB) des Landes Nordrhein-Westfalen mit Sachressourcen dergestalt ausreichend auszustatten, dass sie den Herausforderungen des operativen Dienstes auch bei gewalttätigen Übergriffen und Tumultlagen gewachsen sind. Dazu gehört die Ausstattung der PVB mit dem Reizstoffsprühgerät (RSG), welches umgangssprachlich auch als „Pfefferspray“ bezeichnet wird. 

 

Das RSG ist ein Hilfsmittel der körperlichen Gewalt im Zusammenhang mit der Anwendung unmittelbaren Zwanges.

Der Einsatz von Reizstoffen durch PVB des Landes NRW ist auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zugelassen.

 

Grundsätzlich bewertet die Landesregierung das Risiko der Beeinträchtigung der Polizeibeamten oder von Unbeteiligten als begrenzt. Der im RSG verwendete Wirkstoff kann unter anderem zu zeitlich begrenzter Reizung der Schleimhäute führen. In der Regel kommt es aber ausschließlich zu Augenreizungen, die durch intensives Ausspülen der Augen behandelt werden können.

Nach dem Einsatz ist eine Erstversorgung der Betroffenen durch z.B. Augenspülungen bzw. medizinische Erstversorgung zu gewährleisten.

 

Bei bestimmungsgemäßer Exposition sind in der Regel keine bleibenden gesundheitlichen Schäden zu erwarten.

 

Die PVB werden für den verantwortungsvollen Umgang mit dem RSG in der praktischen Handhabung, den Sicherheitsbestimmungen, der Wirkungsweise und den Reaktionen Betroffener sowie der Ersten Hilfe in der Ausbildung und in regelmäßiger Fortbildung (z. B. Einführungsfortbildung Bereitschaftspolizei) vertraut gemacht. 

 

Im Übrigen ist hier kein polizeilicher Einsatz des Reizstoffsprühgerätes bekannt, der in Kausalität zu einem Todesfall geführt hätte.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ausstattung der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten mit dem RSG sachgerecht und für die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung unverzichtbar ist.

 

 

 

 

 

 

 

1.         Welche Einsätze von Pfefferspray (Pelargonsäurevanillylamid – PAVA) und anderen Reizstoffen gab es in den Jahren 2010 bis 2014 in NRW durch Polizisten? (Bitte nach Anlässen wie Versammlungen, Sportveranstaltungen, schulischer Gewalt usw. aufschlüsseln)

 

Auf Landesebene liegen die erbetenen Daten für den genannten Zeit-raum nicht automatisiert abrufbar vor. Eine Erhebung dieser Daten wäre nur händisch und mit hohem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich.

 

 

2.         Welche Typen von Reizstoffsprühgeräten wurden in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils bei der Landespolizei beschafft? (Bitte nach Jahren, Anzahl, Gerätetyp, Hersteller, Füllmenge, Reichweite, verwendetem Reizstoff und Konzentration aufschlüsseln).

 

Bei der Polizei des Landes Nordrhein - Westfalen werden ausschließlich Reizstoffsprühgeräte beschafft, die den Anforderungen der Technischen Richtlinie des Polizeitechnischen Instituts bei der Deutschen Hochschule der Polizei entsprechen.

Alle RSG sind über den Hersteller Fa. Carl Hoernecke beschafft worden. Als Reizstoff wird ausschließlich Oleoresin Capsium (OC) mit einer Konzentration von 0,3% verwendet.

 

Die eingesetzten RSG werden vom Hersteller wie folgt bezeichnet:

 

1.      „TW 1000 RSG 6 OC“, Füllm. 63 ml, Reichweite ca. 4-5 Meter,

2.      „TW 1000 RSG 6 OC allround“, Füllm. 45 ml, Reichweite ca. 4-5 Meter

3.      „TW 1000 RSG 8 OC“, Füllm. 400 ml, Reichweite ca. 6-7 Meter

 

Der unter 1. bezeichnete RSG - Typ wurde bis einschließlich 2011 als persönliche Ausstattung für jeden PVB des operativen Dienstes beschafft und ab 2012 durch den unter 2. bezeichneten Typ ersetzt.

 

Mit dem unter 3. bezeichneten Typ werden die Einsatzhundertschaften der Bereitschaftspolizei, die Technischen Einsatzeinheiten und die Alarmeinheiten ausgestattet. In den Bereitschaft- und Alarmeinheiten werden die PVB im Gebrauch mit dem unter 3. bezeichneten Typ speziell eingewiesen.

 

Darüber hinaus werden in den Dienststellen weitere der unter Ziffer 3. genannten Geräte vorgehalten.

 

Die Ersatzbeschaffungen nach Entleerung oder Verlust sowie die in den PB vorgehaltene (Reserve-)Anzahl liegen im Ermessen der Behörde.

Auf eine landesweite Abfrage zur Ermittlung der jeweiligen Beschaffungsmengen in den Jahren 2010 bis 2014 wurde wegen des damit verbundenen Aufwandes für die Beantwortung der Kleinen Anfrage verzichtet.

 

 

3.         Wie viele Personen wurden in den Jahren seit 2010 durch den Einsatz von Pfefferspray und anderen Reizstoffen durch die nordrhein-westfälische Polizei verletzt? (Bitte nach Verletzung und Jahren aufschlüsseln)

 

Siehe Antwort zu Frage 1.

 

4.         Wie viele Polizistinnen und Polizisten kamen in den Jahren 2000 bis 2014 bei der Verwendung der von ihnen eingesetzten Reizstoffe selbst zu Schaden (bzw. waren von deren Wirkstoffen selbst betroffen)?

 

Siehe Vorbemerkungen und Antwort zu Frage 1.

 

 

5.         Gibt es in NRW eine Matrix zur Erfassung/Dokumentation des Einsatzes von Pfefferspray und anderen Reizstoffen durch die Polizei?

 

Ein Datenbestand zur allgemeinen Erfassung des Einsatzes von RSG durch die Polizei ist in NRW nicht vorhanden. 

 

 

 



[1] http://mobil.ksta.de/kalk/polizei-versprueht-reizgas-25-verletzte-nach-schlaegerei-in-koelner-schule,23742714,29027434.html

[2] https://www.polizei-nrw.de/media/Dokumente/Behoerden/LZPD/ZIS_Jahresbericht_2013_14.pdf

[3] http://www.derwesten.de/sport/fussball/s04/kriminologe-warnt-vor-massenpanik-bei-pfefferspray-einsatz-in-fan-kurve-id8347276.html

[4] http://www.bundestag.de/blob/191580/825a5997105f8aede09106fe71b92bce/pfefferspray-data.pdf


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