< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/8196

 

17.03.2015

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 3133 vom 13. Februar 2015

des Abgeordneten Daniel Schwerd  PIRATEN

Drucksache 16/7939

 

 

Darf Satire doch nicht alles? Darf Satire abgemahnt werden?

 

 

Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 3133 mit Schreiben vom 16. März 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Finanzminister, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, dem Minister für Inneres und Kommunales, der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, der Ministerin für Schule und Weiterbildung und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

"I don't care what you say about me. Just be sure to spell my name wrong." (Barbara Streisand)

 

Der Internetblog "Metronaut" hat einen als Satire gekennzeichneten Artikel über die Olympia-Bewerbung der Stadt Berlin publiziert, in dem er die Kampagnenlogos der Werbekampagne in Zusammenhang mit alten Plakaten von Olympia 1936 verwendet hat. Seiner Ansicht nach habe keine ausreichende Debatte um die olympische Vergangenheit Berlins stattgefunden.

 

Für diesen Artikel hat der Blog eine Abmahnung der Berliner Senatskanzlei erhalten. Ein Senatssprecher wird in der Berliner Zeitung wie folgt zitiert: "Satire darf natürlich alles, aber nicht wenn die Integrität von realen Personen beschädigt wird und sie dadurch berufliche Nachteile ziehen." Im selben Artikel stellte er die Erkennbarkeit des Beitrages als Satire in Frage und forderte Aufarbeitung in "angemessener und sachgerechter Weise", die dieser Satirebeitrag offenbar nicht leiste.


 

1.         In welchen Fällen hat die Landesregierung oder eine Landesbehörde seit 2010 bis heute eine anwaltliche Abmahnung aussprechen lassen? Nennen Sie jeden einzelnen Fall mit Anlass und Begründung.

 

Die Fälle, in denen die Landesregierung oder eine Landesbehörde eine anwaltliche Abmahnung hat aussprechen lassen, werden nicht gesondert erfasst. Eine zuverlässig vollständige Beantwortung der Anfrage würde daher eine Durchsicht aller Vorgänge voraussetzen, in denen das Land in einer Rechtssache einen Rechtsanwalt beauftragt hat. Dies ist in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

 

 

2.         Welche Voraussetzungen müssen nach Meinung der Landesregierung erfüllt sein, damit eine anwaltliche Abmahnung gegen eine Satire-Veröffentlichung gerechtfertigt ist? Gehen Sie auch darauf ein, ob im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen ausreichend erfüllt sind.

 

 

3.         Welche Kennzeichnungen als Satire müssen nach Meinung der Landesregierung in derartigen bzw. ähnlich gelagerten Fällen vorliegen, damit sie ausreichend als solche kenntlich ist?

 

 

4.         Wo beginnt und wo endet aus Sicht der Landesregierung Satire, die sich mit politischer Agenda auseinandersetzt? Gehen Sie insbesondere darauf ein, ob sich Satire in "angemessener und sachgerechter Weise" mit politischen Themen auseinandersetzen muss.

 

Unter welchen Voraussetzungen eine natürliche oder juristische Person wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen zur Abmahnung berechtigenden Anspruch auf Unterlassung einer bestimmten Veröffentlichung hat, war bereits Gegenstand zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht fordert mit Blick auf mögliche Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1 und 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, §§ 185f. StGB von den Zivilgerichten in solchen Fällen grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Veröffentlichung einerseits und der Einbuße ebenfalls grundrechtlich geschützter Rechte durch ihr Verbot (etwa Meinungs- und Kunstfreiheit) andererseits. Das Ergebnis der Abwägung hängt dabei nach Auffassung der Verfassungsrichter von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.07.2013, Az.: 1 BvR 1751/12; Kammerbeschluss vom 17.09.2012, Az.: 1 BvR 2979/10.).

 

Die vorstehenden Grundsätze wendet das Bundesverfassungsgericht auch auf Veröffentlichungen mit erkennbar satirischem Inhalt an. Im Fall einer solchen Satire verlangt es lediglich ergänzend, dass der von dem Äußernden in Wahrheit gemeinte Kern der Äußerung und die zu seiner Vermittlung verwendete Einkleidung gesondert auf einen möglichen persönlichkeitsverletzenden Inhalt untersucht werden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.10.2006, Az.: 1 BvR 361/00.). Wann eine Äußerung „erkennbar satirischen Inhalt“ aufweist, hängt indes ebenfalls von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

 

Aus Sicht der Landesregierung besteht kein Anlass, die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Veröffentlichungen und ihren Grenzen in Frage zu stellen. Dies gilt für einfache Äußerungen und satirische Beiträge gleichermaßen. Wann eine Überschreitung der Grenzen der Meinungs- und/oder Kunstfreiheit vorliegt und damit ein Unterlassungsbegehren gerechtfertigt sein kann, ist stets eine Frage des konkreten Einzelfalls. Schon weil nicht alle Hintergründe der in Berlin ausgesprochenen Abmahnung bekannt sind, kann die Landesregierung daher nicht darauf eingehen, ob in dem der Kleinen Anfrage zugrunde liegenden Fall die Voraussetzungen für eine Abmahnung bzw. den mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch vorlagen. Im Übrigen sieht die Landesregierung keine Veranlassung, zu einem Vorfall, der sich außerhalb Nordrhein-Westfalens ereignet hat und keinen Bezug zu Nordrhein-Westfalen aufweist, eine Rechtsprüfung vorzunehmen.

 

 

5.         Unterliegen anwaltliche Abmahnungen dem Streisand-Effekt?

 

Als Streisand-Effekt wird ein Phänomen bezeichnet, wonach der Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken oder entfernen zu lassen, öffentliche Aufmerksamkeit nach sich zieht und dadurch das Gegenteil erreicht wird, nämlich dass die Information einem noch größeren Personenkreis bekannt wird (Quelle: www.wikipedia.de). Ob ein Streisand-Effekt eintritt, hängt damit von individuellen Handlungen einzelner Personen ab und lässt sich nicht - auch nicht für anwaltliche Abmahnungen - generell vorhersagen.

 


< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!