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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/7930

 

17.02.2015

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 3054 vom 21. Januar 2015

des Abgeordneten Daniel Schwerd   PIRATEN

Drucksache 16/7808

 

 

Können Ermittlungspannen wie beim Mord an K. I. B. in Dresden auch in NRW geschehen?

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3054 mit Schreiben vom 13. Februar 2015 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Im Fall des getöteten Asylbewerbers K. I. B. in Dresden steht die sächsische Polizei in der Kritik. Hatte die Polizei durch ihren Pressesprecher über den Tod des 20-Jährigen aus Eritrea zunächst mitgeteilt, es lägen „keine Anhaltspunkte auf Fremdverschulden“ vor, musste dies am Tag darauf durch einen Bericht der Dresdner Staatsanwaltschaft revidiert werden. Zweifel daran hatten Mitbewohner des Toten umgehend geäußert, schließlich sei I. blutüberströmt aufgefunden worden. In der Autopsie bestätigte sich, dass die Wunden von Messerstichen verursacht wurden.

 

Es gibt Berichte, nach denen die Spurensicherung erst mit großer zeitlicher Verzögerung an den Ort des Verbrechens gerufen worden sei. In der Zwischenzeit soll der Ort weder abgesperrt noch anderweitig gesichert gewesen sein. Die Polizei habe sich in den Befragungen zunächst ausschließlich auf Angehörige und Bekannte des Opfers konzentriert.

 

Mittlerweile liegt eine Strafanzeige des innenpolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion Volker Beck vor. Sie richtet sich gegen unbekannt wegen möglicher Strafvereitelung im Amt. Beck sprach der Presse gegenüber von Ermittlungspannen, die „rückhaltlos aufgeklärt“ werden müssten.

 

 

 

 

 

1.    Wie ist das übliche polizeiliche Vorgehen, wenn ein nicht natürlicher Tod ungeklärter Ursache entdeckt wird?

 

Gemäß § 9 des Bestattungsgesetzes Nordrhein-Westfalen

(BestG NRW) ist bei allen Todesfällen und Totgeburten eine sorgfältige Leichenschau der unbekleideten Leiche durch eine approbierte Ärztin/einen approbierten Arzt durchzuführen.

Die Ärztin/der Arzt dokumentiert hierbei auf der Todesbescheinigung insbesondere Angaben zur Todesfeststellung, zur Todesursache sowie zu den weiteren Umständen des Todes.

Ergeben sich bei der Leichenschau keine Hinweise für einen nicht natürlichen Tod, so bescheinigt die Ärztin/der Arzt, dass eine „natürliche Todesart“ vorliegt. Eine Unterrichtung der Polizei erfolgt dann nicht.

 

Sofern sich aus der Leichenschau Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod durch Selbsttötung, Unfall oder Einwirkung Dritter ergeben, oder sonstige Umstände darauf hindeuten, beendet die Ärztin/der Arzt die Leichenschau und unterrichtet unverzüglich die zuständige Polizeibehörde. Zudem stellt die Ärztin/der Arzt sicher, dass bis zum Eintreffen der Polizei Veränderungen weder am Toten noch an seiner Umgebung vorgenommen werden (§ 9 Abs. 5 BestG).

Soweit Hinweise für einen nicht natürlichen Tod vorliegen, werden die erforderlichen kriminaltaktischen und -technischen Maßnahmen von den Fachdienststellen zur Durchführung von Todesermittlungen bzw. außerhalb der Regelarbeitszeit im ersten Angriff von den Kriminalwachen durchgeführt.

Die Entsendung dieser spezifisch aus- und fortgebildeten Ermittler erfolgt unverzüglich nach Bekanntwerden des Sachverhaltes durch die Einsatzleitstelle der Polizeibehörde.

Soweit im Einzelfall erforderlich, gewährleisten Kräfte des Wachdienstes bis zum Eintreffen der spezialisierten Ermittlungskräfte die notwendig unaufschiebbaren Maßnahmen zum Schutz von Spuren sowie zur Sicherung des objektiven und subjektiven Befundes.

 

Ermittlungen am Leichenfundort erfolgen grundsätzlich durch zu-mindest zwei speziell aus- und fortgebildete Kriminalbeamtinnen/ Kriminalbeamte. Hierzu zählen insbesondere:

 

-        Detaillierte fotografische und beschreibende Dokumentation des Leichenfundortes und der Auffindesituation des Leichnams

-        Dokumentation notwendigerweise vorgenommener Veränderungen am Leichenfundort  durch Dritte (z. B. Öffnen eines Fensters)

-        Systematische und umfassende Suche und Sicherung von Spuren im unmittelbaren wie auch weiteren Bereich des Leichenfundortes mit fotografischer und beschreibender Dokumentation

-        Entkleidung des Leichnams und Durchsuchung der Kleidung

-        Beschreibung und vollständige Untersuchung des Leichnams einschließlich aller Körperöffnungen

-        Sicherstellung bzw. Beschlagnahmung des Leichnams und der Todesbescheinigung als Beweismittel gemäß §§ 94 ff. Straf-prozessordnung

-        Veranlassung der Verbringung des Leichnams zu einem sicheren und gekühlten Aufbewahrungsort (zumeist Rechtsmedizin) durch einen Bestatter

-        Vernehmungen bzw. Befragungen der den Leichnam auffindenden Person, der/des den nicht natürlichen Tod bescheinigenden Ärztin/Arztes, von Angehörigen, des Hausarztes, anderer behandelnder  Ärzte und sonstiger Zeugen.

 

Soweit im Einzelfall erforderlich, wird ein Rechtsmediziner beigezogen, um am Auffindeort des Leichnams eine ergänzende Leichenschau durchzuführen. Aufgrund seiner speziellen Fachkenntnisse gleicht dieser unter anderem ggf. vorliegende Verletzungen mit der Örtlichkeit sowie aufgefundenen Gegenständen ab und bewertet/interpretiert diese. Ebenso kann er weitergehende Untersuchungen am Leichnam (z. B. Temperaturmessung zur Leichenliegezeitbestimmung) durchführen, die er als Sachverständiger im Weiteren dann in das Todesermittlungsverfahren einbringt.

Ergeben sich nach Gesamtwürdigung aller Umstände Zweifel bezüglich der Todesursache bzw. liegen Anhaltspunkte vor, die auf eine wenn auch nur entfernte Möglichkeit einer Straftat hindeuten, regt die Fachdienststelle bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Obduktion an.

Abhängig von den Umständen des Einzelfalls werden - soweit Hinweise auf einen nicht natürlichen Tod vorliegen - zur Aufnahme des objektiven Befundes speziell ausgebildete und mit besonderer Kriminaltechnik ausgestattete Kräfte der bei den Kriminalhauptstellen angebundenen Kriminaltechnischen Untersuchungsstellen eingesetzt.

Ergeben sich im Rahmen der Aufnahme des objektiven und subjektiven Befundes - niederschwellig - zureichend tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Tötungsdelikts, so werden die weiteren Ermittlungen unverzüglich durch eine Ermittlungskommission („Mordkommission“) der zuständigen Kriminalhauptstelle geführt. Zeitgleich wird die Staatsanwaltschaft informiert.

 

 

2.    Welche Dienstanweisungen (z. B. Polizeidienstvorschriften u. a.) regeln das Vorgehen bei derartigen Fällen, sowohl bundeseinheitliche als auch solche in Nordrhein-Westfalen?

 

Die rechtlichen Grundlagen für das polizeiliche Handeln ergeben sich aus dem Bestattungsgesetz NRW, der Strafprozessordnung sowie ergänzend aus den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren.

 

 

3.    Nach welchen Vorbedingungen würde in NRW in einem solchen Fall Fremdverschulden ausgeschlossen, bevor weitere Ermittlungen durchgeführt sind? Gehen Sie darauf ein, ob es dem üblichen Vorgehen entspräche, eine solche Feststellung bereits vor Autopsie oder anderen Ermittlungen zu treffen.

 

Siehe Antwort zu Frage 1.

 

 

4.    Zu welchem Zeitpunkt würde in NRW in einem solchen Fall die Spurensicherung angefordert? Gehen Sie darauf ein, ob es dem üblichen Vorgehen entspräche, die Spurensicherung nicht sofort, sondern erst am Folgetag anzufordern.

 

Siehe Antwort zu Frage 1.

 

 

5.    Könnte sich unter den gegebenen Umständen ein solcher Fall in Nordrhein-Westfalen ereignen?

 

Hohe Qualitätsstandards - wie zuvor beschrieben - gewährleisten eine umfassende und sachgerechte Bearbeitung von Todesermittlungsverfahren durch die Polizei in Nordrhein-Westfalen.

Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für alle Angehörigen der Fachdienststellen für Todesermittlungen sowie der Kriminalwache werden im erforderlichen Umfang durch das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW durchgeführt.

In den Seminaren, die zu einer Bearbeitung von Todesermittlungsverfahren  befähigen, werden neben einsatz- und kriminalfachlichen Aspekten auch rechtsmedizinische Grundkenntnisse vermittelt. Hierzu  zählen u. a. auch das Erkennen sicherer Todeszeichen sowie spezifischer Verletzungsmuster (z. B. stumpfe und scharfe Gewalt, Angriffe gegen den Hals, Schussverletzungen).

Im Rahmen der Aus-/Fortbildung nehmen die Beamtinnen und Beamten auch an äußeren Leichenschauen und Obduktionen in der Rechtsmedizin teil.

Mit dem Gesamtkonzept wird gewährleistet, dass kriminalfachlichen und rechtlichen Ansprüchen bei der Durchführung von Todesermittlungen in NRW umfassend Rechnung getragen wird.

 


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