LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/6682 |
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02.09.2014 |
Kleine Anfrage 2637
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
Antisemitische Plakate mit Duldung des Landes? – Bewertung der „Kölner Klagemauer“
In Köln wird seit Jahren im Bereich der Kölner Innenstadt die „Kölner Klagemauer“ gezeigt. Seit etwa zehn Jahren stellt der Initiator Walter Herrmann in Form einer Dauerdemonstration Plakate zum Nahostkonflikt aus. Die dort getroffene Darstellung des Konflikts wird vielfach als einseitig und verzerrend eingeschätzt. Manche der Plakate werden als antisemitische Propaganda bezeichnet. (1, 2)
Im Januar 2010 wurde an der Klagemauer die Karikatur einer mit Davidstern gekennzeichneten Person angebracht. Sie hatte vor sich einem Glas mit roter Flüssigkeit sowie einen Teller mit einem palästinensischen Kind vor sich. Mit Messer und Kabel war die Person dabei, das Kind zu zerteilen und zu verspeisen. Die Assoziation zur antisemitischen Ritualmordlegende ist augenscheinlich. (3)
Ein Strafantrag gegen Walter Herrmann wegen Volksverhetzung mit dem Aktenzeichen 121JS51-10 wurde von der Kölner Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Das „verständige Durchschnittspublikum“ würde aufgrund fehlender stereotypischer Gesichtsmerkmale nicht von einem Angriff auf Juden ausgehen (auf dem Bild endete die Figur unterhalb des Kopfes), auch wäre keine allgemeine Unruhe unter einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung zu erwarten. Insbesondere müsse man nicht befürchten, dass dieses Bild die Stimmungslage in der Bevölkerung gegenüber Juden verschlechtere.
Auch Beschwerden bei der Kölner Staatsanwaltschaft sowie bei Justizminister Thomas Kutschaty blieben erfolglos.
Im Sommer 2014 häuften sich auf und im Umfeld sogenannter „Friedensdemos“, die sich anlässlich des Nahostkonfliktes solidarisch mit Gaza zeigen, antisemitische Sprüche, Slogans und Plakate. Es kam zu antisemitisch motivierten Übergriffen auf Juden, jüdischen Einrichtungen und israelsolidarischen Demonstranten in Deutschland. Es wurde übergangs- und nahtlos von der Kritik an Israel zu antisemitischen Slogans und Bildern übergegangen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schrieb kürzlich in seinem BfV-Newsletter Nr. 3/2014:
In den Sozialwissenschaften wurden Kriterien entwickelt, die geeignet sind, eine antisemitische von einer nichtantisemitischen Kritik an Israel abzugrenzen:
· Aberkennung des Existenzrechts Israels und des Rechts auf Selbstverteidigung
· Gleichsetzung israelischer Palästinenserpolitik mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung
· Beurteilung Israels mit doppelten Standards
· Übertragung antisemitischer Stereotype auf den israelischen Staat
· Verantwortlichkeit der Juden weltweit für die Politik Israels.
Zusammengefasst sind es die drei D’s, die eine Abgrenzung ermöglichen:
· Delegitimierung
· Dämonisierung
· doppelte Standards.
Der antizionistische Antisemitismus negiert das Existenzrecht Israels und diffamiert den jüdischen Staat, indem er ihm einen „Vernichtungskrieg“ und eine Politik der „Ausrottung“ vorwirft
Das Bundesamt für Verfassungsschutz nennt damit die Kriterien, die auf die Klagemauer anzuwenden wären, um den darin inhärenten Antisemitismus zu entlarven. Im geschilderten Fall wäre das „Übertragung antisemitischer Stereotype auf den israelischen Staat“ sowie die „Dämonisierung“ Israels. Gerade diese Punkte werden zu Recht als antisemitische Vorkommnisse auf den sogenannten „Friedensdemos“ bezeichnet.
(1) https://web.archive.org/web/20070928193444/http://www.sgk.de/GB-ARCHIV/2005/Juli-August2005/s_03.pdf
(2) http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article12297429/Der-Koelner-der-mit-Antisemitismus-vorm-Dom-nervt.html
(3) http://www.gegen-antisemitismus-in-koeln.eu/de/
Ich frage die Landesregierung:
1. Folgt der Justizminister nach wie vor der Einschätzung, die Darstellung des zerstückelten Kindes auf dem Teller Israels wäre nicht als antisemitisch bzw. volksverhetzend einzustufen?
2. Wie bewertet die Landesregierung die Darstellung heute? Gehen Sie insbesondere darauf ein, inwieweit es sich bei dieser Darstellung um eine Dämonisierung Israels bzw. die Übertragung antisemitischer Stereotypen auf den Staat Israel handelt.
3. Ist die Landesregierung der Meinung, dass ein „verständiges Durchschnittspublikum“ diese Darstellung nicht auch ohne Abbildung eines Kopfes Juden zuordnet?
4. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, antisemitische Darstellungen auf der „Kölner Klagemauer“ zu verhindern?
5. Wie ist es angesichts der Bedrohungslage zu rechtfertigen, dass eine Dauerausstellung mit mindestens grenzwertigen Darstellungen des Nahostkonfliktes die Stimmung gegen Juden in unserem Land weiter verschärft? Begründen Sie insbesondere, ob ein „verständiges Publikum“ die Vorwürfe gegen Israel nicht auf Juden überträgt, wie das im Rahmen der „Friedensdemonstrationen“ geschah.
Daniel Schwerd