LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/6521 |
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11.08.2014 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 2451 vom 7. Juli 2014
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
Rechtsfreier Raum Straße? Elf gefährliche Gegenden in Köln
Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2451 mit Schreiben vom 8. August 2014 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
„Aus keiner Gefahr rettet man sich ohne Gefahr.“ (Niccoló Machiavelli)
In meiner Kleinen Anfrage „Klobürstenfreie Zonen: Gefährliche Gebiete in NRW?“, Drucksache 16/4928 vom 03.02.2014, fragte ich die Landesregierung, ob es in Nordrhein-Westfalen solche den Hamburger "Gefahrengebieten" vergleichbare, von der Polizei festgelegte Zonen gibt. Hierauf antwortete der Minister für Inneres und Kommunales, dass es solche Zonen nicht gäbe bzw. keine Statistiken zu Maßnahmen, die auf § 12 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW gestützt sind vorliegen.
Dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 22. Juni kann man entnehmen [1], dass in Köln durch die Polizei insgesamt 11 Gegenden als „gefährlich“ definiert worden sind. Der Zeitung liegt ein Teil einer Liste vor, der das Rheinufer, Eigelstein, die Gegend um die Lichtstraße, Hohenzollernring samt Seitenstraßen zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz, Neumarkt, Wiener Platz, Teile von Chorweiler, das Gebiet um die KVB-Haltestelle Kalk-Post sowie Teile von Höhenberg südlich der Olpener Straße umfasst. Dem Vernehmen nach, so die Zeitung, sollen in der geheimen Liste auch der Kölnberg, Neumarkt, Hornstraße und Teile von Finkenberg stehen oder gestanden haben.
Vorbemerkung der Landesregierung
Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage ist es erforderlich, auch im Hin-blick auf die vom Fragesteller zitierte Kleine Anfrage 1946, verwendete Begrifflichkeiten, die unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen, voneinander zu unterscheiden:
Gefahrengebiete im Sinne von § 4 Absatz 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) gibt es im nordrhein-westfälischen Polizeirecht nicht. Das gilt ebenso für die Begriffe „Gefahrenzonen“ oder „Gefahrengegenden“.
„Gefährliche Orte“ im Sinne von § 12 Absatz 1 Nummer 2 Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) werden u.a. auch durch einen engen Ortsbezug definiert (siehe Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1946, Drucksache 16/4928). „Orte“ im Sinne des § 12 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW werden von der Polizei NRW nicht abstrakt oder vorsorglich festgelegt.
„Kriminalitätsbrennpunkte“ sind Örtlichkeiten, an denen vermehrt Straftaten begangen wurden und deren Kriminalitätsbelastung sich deutlich von der anderer Örtlichkeiten abhebt.
Die durch das Polizeipräsidium (PP) Köln vorgenommene Auflistung und in den Vorbemerkungen zur Kleinen Anfrage aufgeführten Örtlichkeiten stellen bekannte Kriminalitätsbrennpunkte im Sinne der o.g. kriminalistischen Definition dar.
Die in den Vorbemerkungen der Kleinen Anfrage erwähnte Liste ist keine konstitutive Festlegung von Orten im Sinne von § 12 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW.
Dem einsatztaktischen Grundsatz folgend, dass Schwerpunkte gesetzt werden müssen, wurden für einige Kriminalitätsbrennpunkte besondere Lagebilder erstellt und u.a. umfangreichere Präsenzkonzeptionen entwickelt. Diese sind in der Liste aus Köln aufgeführt. Hierbei handelt es sich um eine Liste, die internen Zwecken dient und fortgeschrieben wird, oh-ne wie bereits erwähnt, einen abschließenden Charakter zu haben. Die Auflistung entfaltet daher keine Rechtswirkung.
Bereiche auf der Liste können die Eigenschaft eines gefährlichen Ortes im oben genannten Sinn bekommen, wenn eine konkrete polizeiliche Maßnahme nach § 12 PolG NRW getroffen werden soll. Das bedeutet: Erst in dem Moment, in dem Polizeibeamte gegenüber einer Bürgerin oder einem Bürger eine Identitätsfeststellung durchführen, kommt es darauf an, ob der jeweilige Ort zur jeweiligen Uhrzeit tatsächlich die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt. Die Auflistung (erste Stufe) gibt für das Treffen dieser Entscheidung auf einer späteren zweiten Stufe daher nur wesentliche Anhaltspunkte.
Mit anderen Worten erfassen die Bereiche auf der Liste Orte, die grundsätzlich geeignet sind, den gesetzlichen Voraussetzungen des § 12 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW zu entsprechen. Polizeiliche Maßnahmen werden in diesen Bereichen aber nur nach Einzelfallprüfung anlassbezogen und an einzelnen konkreten Orten in den aufgelisteten Bereichen getroffen.
Andererseits ist aber festzuhalten, dass an allen Kriminalitätsbrennpunkten, und damit auch über die in der Aufstellung aus Köln genannten hinaus, bei Vorliegen der im § 12 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW bezeichneten Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie der Prüfung der Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen sich im Ergebnis die Befugnis ergeben kann, die Identität einer Person festzustellen bzw. eine Durchsuchung vorzunehmen.
Einsatzbrennpunkte, sei es als Kriminalitäts- oder als Verkehrsunfallbrennpunkt, können kurzfristig oder langfristig die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen. Professioneller Polizeiarbeit innewohnend ist demzufolge eine fortlaufende Analyse und Prüfung der Örtlichkeiten auf die Erforderlichkeit hoheitlichen Handels. Da die Kreispolizeibehörden im Rahmen ihrer Sicherheitsstrategie verantwortlich mit diesen Bewertungen umgehen und diese Brennpunkte sich kurzfristig verändern können, besteht für das MIK nicht die Notwendigkeit, eine Übersicht über alle Brennpunkte zu erhalten.
1. Welche gefährlichen Gegenden sind in Köln durch die Polizei im Zeitraum zwischen 2007 bis heute definiert worden? Nennen Sie für jede Gegend die genaue Ausdehnung mit Straßen und Angaben, die die Ausdehnung eingrenzen (etwa Hausnummer, Kreuzungen etc.), Zeitpunkt der Einrichtung, ggf. Zeitpunkt der Außerkraftsetzung, genaue Begründung, sowie die Ausdehnung des jeweiligen Gebietes in Quadratmetern.
Durch das PP Köln sind keine gefährlichen Gegenden, sondern Kriminalitätsbrennpunkte definiert worden (siehe Vorbemerkungen).
Die einzelnen Kriminalitätsbrennpunkte sind die Kölner Ringe-Amüsiermeile, Martinsviertel inklusive der Trankgasse, Eigelstein, Kölnberg, Hornstraße, Girlitzweg/Vitalisstraße, einzelne Straßenzüge in Köln-Ehrenfeld, Köln-Müngersdorf, Köln-Chorweiler, Köln-Kalk, Köln-Höhenberg, Köln Humbold/-Gremberg sowie der Wiener Platz.
2. Welches sind die Tatsachen, die nach § 12 Absatz 1 Satz 2 PolG zu der Einrichtung der jeweiligen Gefahrenzone geführt haben? Legen Sie die Tatsachen für jede einzelne Gefahrenzone so dar, dass der Schluss zur Annahme nach § 12 Absatz 1 Satz 2 a), b) oder c) PolG nachvollziehbar ist.
Gefahrenzonen sind durch das PP Köln nicht eingerichtet, sondern lediglich Kriminalitätsbrennpunkte definiert worden (siehe Vorbemerkungen und Antwort zu 1.).
Die Kriminalitätsbrennpunkte wurden aufgrund der besonderen Phänomenologie bestimmter Straftaten wie Betäubungsmittelhandel, Raub- und Diebstahlsdelikte, illegale Formen der Prostitution, Körperverletzungsdelikte, gewerbsmäßiger Taschendiebstahl, Beschaffungskriminalität sowie Umweltdelikte festgelegt.
3. Wie ist die Entwicklung der Straftaten in den entsprechenden Gegenden verlaufen? Schlüsseln Sie nach Gegend, Art der Straftat und Kalenderjahr auf, beginnend mit dem Jahr 2007.
Die nachfolgende Tabelle stellt die Kriminalitätsentwicklung an den aufgeführten Kriminalitätsbrennpunkten im Zuständigkeitsbereich des PP Köln dar. Die Tabelle weist die Gesamtzahl der Straftaten aus, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in besonderem Maße beeinträchtigen (Raub-, Diebstahls-, Sexual-, Körperverletzungsdelikte, Sachbeschädigungen etc.).
Eine differenzierte Darstellung aller Straftaten in den Bereichen war in der zur Verfügung stehenden Zeit und mit verhältnismäßigem Aufwand nicht möglich. Aus diesem Grund kann die Straftatenentwicklung im Innenstadtbereich (Kölner Ringe/Martinsviertel/Eigelstein) ebenfalls nicht nach dem jeweiligen Kriminalitätsbrennpunkt differenziert ausgewiesen werden.
|
Anzahl der Straftaten |
|||||||
Kriminalitäts-brennpunkte |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
2014[1] |
Kölner Ringe |
476 |
456 |
421 |
457 |
1047 |
839 |
994 |
608 |
Martinsviertel |
||||||||
Eigelstein |
||||||||
Kölnberg |
94 |
101 |
57 |
64 |
106 |
96 |
109 |
27 |
Hornstraße |
48 |
49 |
70 |
54 |
76 |
82 |
82 |
43 |
Straßenzüge Köln-Ehrenfeld |
565 |
503 |
659 |
633 |
851 |
863 |
980 |
473 |
Straßenzüge Köln-Chorweiler |
42 |
39 |
46 |
98 |
101 |
88 |
45 |
16 |
Wiener Platz |
420 |
386 |
352 |
298 |
552 |
608 |
604 |
344 |
Straßenzüge Köln-Kalk |
149 |
172 |
161 |
161 |
331 |
372 |
499 |
281 |
Straßenzüge Köln-Höhenberg |
107 |
117 |
97 |
78 |
96 |
101 |
114 |
44 |
4. Wie viele Maßnahmen basierend auf § 12 Absatz 2 PolG wurden in den Gebieten durchgeführt? Schlüsseln Sie nach Gegend, Art der Maßnahme und Kalenderjahr auf, beginnend mit dem Jahr 2007.
Die in den aufgelisteten Bereichen im konkreten Einzelfall nach den Voraussetzungen des § 12 Absatz 2 PolG NRW getroffenen polizeilichen Maßnahmen wurden und werden durch das Polizeipräsidium Köln statistisch nicht erfasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
5. Welche gefährlichen Gegenden im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 PolG sind der Landesregierung in anderen Städten und Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt, soweit sie nach 2007 eingerichtet worden sind? Nennen Sie für jede Gegend die genaue Ausdehnung mit Straßen und Angaben, die die Ausdehnung eingrenzen (etwa Hausnummer, Kreuzungen etc.), Zeitpunkt der Einrichtung, ggf. Zeitpunkt der Außerkraftsetzung, genaue Begründung, sowie die Ausdehnung des jeweiligen Gebietes in Quadratmetern.
In der Antwort der Landesregierung (LT-Drucksache 16/5190) auf die Kleine Anfrage 1946 wurde bereits dargestellt, dass über solche konkreten „Maßnahmen, die auf § 12 Absatz 1 Nummer 2 PolG NRW gestützt sind, keine Statistik vorhanden“ ist. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.