LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
|
Drucksache 16/4722 |
|
06.01.2014 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 1799 vom 4. Dezember 2013
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1799 mit Schreiben vom 3. Januar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel verteidigte in einem ARD-Brennpunkt am 27. November die Zustimmung seiner Partei zur Festschreibung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU.
Ulrich Deppendorf fragte Sigmar Gabriel in der Sendung, wie man nach dem Bekanntwerden des NSA-Überwachungsskandals noch an der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung festhalten könne.
Sigmar Gabriel antwortete:
“Wenn sie an Norwegen denken: durch die dortige Vorratsdatenspeicherung wusste man sehr schnell, wer in Oslo der Mörder war (...). Das hat sehr geholfen.” 1
Gabriel bezieht sich offensichtlich auf den Anschlag des Norwegers Anders Breivik. Dieser hatte im Sommer 2011 zunächst eine 500-Kilo-Bombe im Osloer Regierungsviertel detonieren lassen, wobei acht Menschen getötet wurden. Anschließend hatte Breivik in einem Jugend-Camp auf der norwegischen Insel Utøya 69 Menschen erschossen.
Der von Gabriel konstruierte Zusammenhang zwischen der Aufklärung des Anschlags und dem Einsatz der Vorratsdatenspeicherung ist nachweislich falsch.
Die Vorratsdatenspeicherung kann der norwegischen Polizei bei den Anschlägen nicht geholfen haben, wie Gabriel behauptet. Zwar stimmte am 15. April 2011 das norwegische Parlament für die Einführung der VDS2, bis zum heutigen Tage ist sie aber technisch nicht umgesetzt. Es werden nachweislich noch keine Vorratsdaten in Norwegen gespeichert, die die Polizei in diesem Falll hätte nutzen können. Derzeit plant die Regierung den Start der Maßnahme für Januar 2015.3
Stattdessen konnte man die Umstände der Tat deswegen schnell aufklären, weil die Polizei den Täter am Ort seiner Tat festnehmen konnte. Bereits am folgenden Tag war er voll geständig, auch was die Umstände des Bombenanschlags in Oslo anging. Die Aufklärung seiner Taten ist vollständig auf herkömmliche Polizeiarbeit zurückzuführen.
Offenkundlich hat Gabriel (wissentlich oder unwissentlich) die Unwahrheit gesagt. Der Kommentator Kai Biermann nannte Gabriels Aussage in der "ZEIT" eine "Lüge".4 Es werde mit der Angst der Bürger gespielt. Biermann schreibt: "Hier werden ermordete Kinder instrumentalisiert, um schlechte Politik besser aussehen zu lassen."
Markus Winkler bezeichnet die Aussage als "Sigmar Gabriels norwegisches Märchen". Er schreibt im Blog des "Forums SPD-Netzpolitik":
"Mit so einer falschen Behauptung werden die Opfer des Massenmörders Breivik instrumentalisiert und damit jegliche Kritik an der Vorratsdatenspeicherung diskreditiert. Das ist schlicht und ergreifend verwerflich." 5
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles äußerte im Jahr 2011 in ihrem Videoblog "Norwegen und die Folgen" anlässlich der Anschläge:
“Ich finde das nicht in Ordnung. Die Vorratsdatenspeicherung hat mit dem Vorfall wie er in Norwegen passiert ist überhaupt nichts zu tun. Und es wird jetzt praktisch benutzt von einigen die das schon immer durchsetzen wollen, eine Verschärfung dort, und das halte ich für ziemlich mies.” 6
7
1. Welchen Beitrag hat das in Norwegen zwar beschlossene, jedoch noch nicht umgesetzte Instrument der Vorratsdatenspeicherung nach Einschätzung der Landesregierung für die Aufklärung der Anschläge von Anders Breivik geleistet?
Die Landesregierung verfügt über keine zur Beurteilung dieser Frage nötigen Informationen. Außerdem bewertet sie keine im Königreich Norwegen geführten Strafverfahren.
2. Teilt die Landesregierung die Aussage, kategorische Gegner der Vorratsdatenspeicherung seien zynisch und menschenverachtend?
Die Landesregierung ist nicht zur Bewertung von Meinungsäußerungen berufen.
3. Minister Jäger (SPD) forderte in der Plenardebatte vom 27.11.2013 eine „differenzierte Betrachtungsweise“ und eine „inhaltlichen Diskussion“ des Themas Vorratsdatenspeicherung. Werden die oben zitierten Aussagen von Parteifreunden und Innenministerkollegen von Herrn Minister Jäger aus Sicht der Landesregierung dem Anspruch an eine differenzierte und inhaltliche Betrachtungsweise gerecht? Begründen Sie, inwieweit Verwenden von falschen Behauptungen und Schüren von Ängsten angemessen sind.
Siehe Antworten zu Fragen 1 und 2.
4. Plant die Landesregierung, die Aussage von Gabriel in irgendeiner Form richtigzustellen? Nennen Sie die geplante Art und Weise der Richtigstellung und den Zeitpunkt.
Nein, siehe Antwort zu Frage 1.
5. Falls nicht, warum nicht? Begründen Sie, warum die Bevölkerung NRWs nicht über die zutreffenden Tatsachen informiert werden soll.
Siehe Antwort zu Frage 1.