< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/425

 

26.07.2012

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 81 vom 26. Juni 2012

des Abgeordneten Daniel Schwerd  PIRATEN

Drucksache 16/140

 

 

Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die NSU-Morde

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 81 mit Schreiben vom 25. Juli 2012 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Die Regierungskoalition aus SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sieht in ihrem Koalitionsvertrag vor, dem Verfassungsschutz NRW die sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zu ermöglichen und möchte dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen. Diese Maßnahme sieht die Regierung im Abschnitt zum Kampf gegen den Rechtsextremismus vor, und begründet ihn mit den sog. NSU-Morden. Rechtsextreme Gewalttaten sollen dazu dienen, die TKÜ zu rechtfertigen.

 

Der Quellen-Telekommunikationsüberwachung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 27. Februar 2008 strenge Grenzen gesetzt. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen, etwa Leib, Leben und Freiheit einer Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt.

 

Es ist strittig, ob eine Software existieren kann, die auf die Quellenüberwachung alleine begrenzt ist, und nicht auf den unverletzlichen Kern privater Lebensführung zugreifen kann, zu dem die auf dem Rechner gespeicherten Daten gehören. Das Kopieren von Dateien, die Nutzung von Mikrofon und Kamera, das Anfertigen von Screenshots, die Speicherung von Tastaturanschlägen, das Lesen von Nachrichten, die nicht versendet werden (die also keine Kommunikation darstellen) ist nicht statthaft.

 

Zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Sammlung und Auswertung von Informationen. Polizeiliche Befugnisse zur Abwehrung von konkreten Gefahren hat er gem.  Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen nicht. Bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben, die eine Kommunikationsüberwachung offenbart, kann er nicht selbst einschreiten.

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Die Überlegungen der Landesregierung, eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) durch den Verfassungsschutz zu schaffen, sind nicht Ausfluss der Morde des sog. NSU. Vielmehr haben sich das taktische Verhalten und technische Vorgehen extremistischer Bestrebungen insgesamt verändert. Ein moderner Verfassungsschutz muss die rechtlichen Möglichkeiten haben, den geänderten Strategien der Gegner und Gegnerinnen der Demokratie effektiv zu begegnen.

 

 

1.   Welche Anhaltspunkte gibt es, dass die NSU-Morde verhindert oder aufgeklärt hätten werden können, wenn dem Verfassungsschutz die TKÜ zur Verfügung gestanden hätte?

 

Die Ermittlungen zu dem Tatkomplex NSU werden beim Generalbundesanwalt geführt. Eine Aussage dazu, inwieweit durch Maßnahmen der Quellen-TKÜ die Morde hätten verhindert oder aufgeklärt werden können, kann daher  durch die Landesregierung nicht getroffen werden.

 

 

2.   Welche und wie viele Straftaten rechtsextremistischen Hintergrundes hätten mit der TKÜ verhindert oder aufgeklärt werden können? Bitte differenzieren Sie die Aussagen danach, wie viele und welche jeweils verhindert; sowie wie viele und welche nachträglich aufgeklärt werden könnten

 

Es wäre rein spekulativ, die Erfolgsaussichten einer nicht durchgeführten Maßnahme zu bewerten.

 

 

3.    Inwieweit sieht die Landesregierung den Verfassungsschutz in der Lage und als richtige Stelle, durch TKÜ Gefahr für Leib und Leben und Freiheit eines Menschen zu schützen, ohne dass dieser die zur Durchführung des Schutzes selbst notwendige polizeiliche Befugnisse hat?

 

Der Verfassungsschutz dient der Abwehr von Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung und nimmt seine Aufgaben nach dem Trennungsgebot hierbei gesondert von der Polizeiorganisation wahr. Dies bedeutet jedoch nicht, dass kein Informationsaustausch mit der Polizei erfolgen darf oder nicht erfolgt. Gemäß § 18 Abs. 1 Verfassungsschutzgesetz NRW übermittelt der Verfassungsschutz den Polizeibehörden eigene Erkenntnisse, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Durch diese Weitergabe leistet der Verfassungsschutz einen Beitrag zur Abwehr von Gefahr für Leib und Leben und Freiheit von Menschen.


 

 

4.      Durch welche technischen, organisatorischen und weiteren Maßnahmen kann sichergestellt werden, dass die eingesetzte Software auf die Überwachung der Telekommunikation an der Quelle begrenzt ist, und keine anderen Daten sammeln kann.

 

Für die Landesregierung steht fest, dass die konkreten Anforderungen für den Einsatz der Quellen-TKÜ sich  an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientieren müssen.

 

 


< Zurück zum Blog
Das Dokument als PDF abrufen: Hier klicken!