LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/2444 |
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21.03.2013 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 915 vom 18. Februar 2013
der Abgeordneten Dr. Joachim Paul , Oliver Bayer und Daniel Schwerd PIRATEN
Forschungskooperation Universitätsklinikum Köln / Bayer AG
Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung hat die Kleine Anfrage 915 mit Schreiben vom 20. März 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Die Uniklinik Köln ist im Jahr 2008 eine Forschungskooperation mit der Firma BAYER eingegangen. Der damalige Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart bezeichnete den Vertrag seinerzeit als die „weitest reichende Kooperation, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist".
Die Umstände dieser Zusammenarbeit sind jedoch intransparent. So ist ungeklärt, wie die Universität von neuen Patenten profitiert, ob auch künftig Medikamente für ökonomisch uninteressante Krankheiten (z.B. sogenannte „orphan drugs“) untersucht werden und wie die Publikationsfreiheit sichergestellt werden soll. Kritiker befürchten eine Ausrichtung der universitären Forschung nach rein wirtschaftlichen Kriterien. Eine aus Steuergeldern finanzierte Einrichtung müsse nach ihrer Auffassung der öffentlichen Kontrolle unterliegen - zumal in einem sensiblen Bereich wie der Pharma-Forschung.
Ein Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. hat Anfang 2009 eine Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt und um Einsichtnahme in den Vertrag gebeten. Zahlreiche Verbände unterstützen die Forderung nach einer Offenlegung der Vereinbarung, darunter der Deutsche Hochschulverband, Transparency International, medico international, die Ärzte-Initiative IPPNW und der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Der NRW-Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) hat den Vorgang geprüft. Der LDI hat den Vertrag eingesehen und darin keine Inhalte gefunden, die einer Veröffentlichung entgegenstehen. Da sich die Universität über das Votum hinwegsetzte und eine Einsichtnahme weiter verweigerte, wurde Klage eingereicht. Diese wurde am 6. Dezember 2012 vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Anders als der LDI hatte das Gericht den Vertrag jedoch nicht eingesehen. Der Kläger ist inzwischen in Berufung gegangen.
Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hatte zuvor auf Anfrage geäußert, keine Handhabe zu besitzen, das Votum des LDI umzusetzen. Auch ob eine „teilweise Offenlegung von Bestimmungen der Kooperationsvereinbarung erreicht werden kann“, vermöge sie nicht zu beurteilen.
Der Fall wird nun am Oberverwaltungsgericht in Münster verhandelt. Der Prozess wird wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung bundesweit mit Aufmerksamkeit verfolgt, die Medien berichten überregional. Zu befürchten ist, dass die Umstände der Kooperation wegen unklarer Formulierungen im IFG für immer im Dunklen bleiben.
1. Warum hat die Landesregierung keine Anstrengungen unternommen, das Votum des Landesbeauftragten umzusetzen?
Das Votum des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) enthält eine rechtliche Bewertung der zwischen der Bayer AG und dem Universitätsklinikum Köln getroffenen Vereinbarung sowie die Empfehlung, die Vereinbarung offenzulegen. In der Rechtsprechung war damals die Frage, ob Vereinbarungen wie die zwischen dem Universitätsklinikum Köln und der Bayer AG getroffene ganz oder teilweise offengelegt werden müssen, noch nicht behandelt worden. Der LDI und das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF) haben bei einer offenen Rechtsfrage keine Möglichkeit, die Empfehlung gegenüber dem Universitätsklinikum durchzusetzen. Insofern wurde der Antragsteller - soweit eine einvernehmliche Lösung mit dem Universitätsklinikum und der Bayer AG nicht zu erzielen war - auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren verwiesen. Inzwischen hat sich das Verwaltungsgericht Köln gegen eine Offenlegung ausgesprochen.
2. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, die Position des LDI zu stärken, damit sich öffentliche Einrichtungen künftig besser an dessen Entscheidungen halten?
Die Entscheidung offener Rechtsfragen obliegt den Gerichten. Insofern wird auch in Zukunft auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen werden müssen.
2. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Landes Nordrhein-Westfalen hat Forschungseinrichtungen und Hochschulen von seinem Geltungsbereich ausgenommen. In anderen Bundesländern besteht (mit einer Ausnahme) ein solcher Ausnahmetatbestand nicht.
Aus welchem Grund wurde diese Ausnahme-Regelung eingeführt?
4. Bei der Einführung des IFG wurde verlautbart, dieses solle laufend fortentwickelt werden. In welchem Zeitrahmen hält die Landesregierung eine Überarbeitung des Ausnahmetatbestands zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen für sinnvoll, damit dieser nicht weiter dazu dient, der Öffentlichkeit Auskünfte zu Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und Industrie-Unternehmen zu verwehren?
Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet.
Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW auf Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Prüfungseinrichtungen nur insoweit erstreckt, soweit sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden. In der Gesetzesbegründung zum Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 12.06.2001 (Drucksache 13/1311) wurde hierzu ausgeführt, durch den Zugang zu amtlichen Informationen solle es insbesondere nicht dazu kommen, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden. Da die Regelung des Anwendungsbereiches des § 2 Abs. 3 IFG NRW nach wie vor auch den Schutz der im Grundgesetz (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) garantierten Freiheit von Wissenschaft und Forschung zum Gegenstand hat, bestehen derzeit keine Bestrebungen nach einer Änderung dieser Vorschrift.
5. In einer gemeinsamen Presseerklärung von Universität Köln und Bayer AG vom 26. März 2008 heißt es: "Ein Kooperationsvertrag, der neue Maßstäbe setzt für die Qualität derartiger Partnerschaften, wurde am 26. März in Köln unterzeichnet." In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln äußerten die Anwälte der Kooperationspartner hingegen, der Vertrag wäre zwischen Weihnachten und Silvester 2007 geschlossen worden.
Liegt hier eine Vordatierung wegen Umstrukturierungen an der Universität Köln vor?
Die Kooperationsvereinbarung wurde nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen am 26. März 2008 unterzeichnet. Dem MIWF ist nicht bekannt, was die Anwälte der Kooperationspartner vor dem Verwaltungsgericht Köln geäußert haben.