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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/1766

 

02.01.2013

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 744 vom 5. Dezember 2012

der Abgeordneten Daniel Schwerd und Lukas Lamla   PIRATEN

Drucksache 16/1646

 

 

Sieht die Landesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf beim Presse-Grosso?

 

 

Die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien hat die Kleine Anfrage 744 mit Schreiben vom 28. Dezember 2012 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Das in Deutschland bestehende Vertriebssystem für Printmedien – genannt Presse-Grosso – leistet einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der Medien- und Meinungsvielfalt. In der Gemeinsamen Erklärung von 2004 haben sich die Verlagsvertreter und Grossisten auf „tragende Pfeiler des Presse-Grosso“ geeinigt, u.a. die Pflicht zum Vollsortiment, Dispositionsrecht für die Verlage, Remissionsrecht für die Grossisten, Preisbindung und Neutralität. Das Dokument hat allerdings keine Rechtsverbindlichkeit und verfügt lediglich über den Stellenwert einer (branchenpolitischen) Absichtserklärung. Mit der Erklärung sollte der Fortbestand eines neuralen Vertriebssystems im Print langfristig sichergestellt werden.

 

Das bestehende Grosso-System ist erheblich unter Druck geraten, als der Bundesgerichtshof (BGH) im Oktober 2011 in letzter Instanz die Klage eines verlagsunabhängigen Grossisten gegen die ihm von der Bauer Media Group ausgesprochene ordentliche Kündigung des Liefervertrages abwies. Der BGH argumentierte, dass die Gemeinsame Erklärung nicht Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertriebsvertrags sei. Zudem ergeben sich aus der Gemeinsamen Erklärung keine einklagbaren Pflichten. In einem weiteren Urteil entschied das Landgericht Köln im Februar 2012, dass das zentrale Verhandlungsmandat des Grosso-Verbands zum Aushandeln einheitlicher Grosso-Konditionen (insbesondere Handelsspannen und Laufzeiten) mit bzw. gegenüber den Verlagen unzulässig sei. Damit wurde eine langjährige Praxis im Grosso-System für nicht zulässig erklärt.

 

 

 

 

 

Die Landtagsfraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN und FDP haben im November 2011 angekündigt, bis Mitte 2012 prüfen zu wollen, „inwiefern die aktuellen mediengesetzlichen Grundlagen des Landes Nordrhein-Westfalen diesem Anspruch der Vielfaltssicherung im Pressevertrieb gerecht werden“ und „im Bedarfsfalle notwendige Änderungen“ einzuleiten. Bis heute wurde hier nicht gehandelt. Im Rahmen der Vorstellung der medienpolitischen Schwerpunkte im Medien- und Kulturausschuss am 27.09.12 hat Ministerin Schwall-Düren das „Leitprojekt Medienrecht“ angekündigt, das auch Änderungen des Landespressegesetzes vorsieht.

 

Der Bundesgesetzgeber ist aufgrund dieser Rechtsunsicherheit zwischenzeitlich tätig geworden und hat im Rahmen der 8. Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen für Branchenvereinigungen zwischen Presseverlagen und Grossisten in das GWB aufgenommen. Die 8. GWB-Novellierung wurde am 23.11.12 vom Bundesrat an den Vermittlungsausschuss überwiesen und soll Anfang 2013 in Kraft treten.

 

 

1.  Ist die Landesregierung der Ansicht, dass mit der 8. Novellierung des GWB und der damit verbundenen Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen für Branchenvereinigungen zwischen Presseverlagen und Grossisten der Erhalt des Presse-Grosso-Systems in Deutschland langfristig abgesichert wird?

 

Durch die Änderung des § 30 GWB im Rahmen der 8. GWB-Novelle werden koordinierte Vereinbarungen zwischen Verlagen und Presse-Grossisten und deren Verbänden dann kartellrechtlich freigestellt, wenn sie den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten durch die Presse-Grossisten gewährleisten. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung eines neutralen Pressevertriebssystems. Es bleibt abzuwarten, ob diese weitgehenden Maßnahmen zum langfristigen Erhalt des Presse-Grosso-Vertriebssystems beitragen.

 

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass neben kartellrechtlichen Regelungen auch vielfaltssichernde landesgesetzliche Regelungen zum Erhalt eines neutralen Pressevertriebes sinnvoll sein können.

 

 

2.  Plant die Landesregierung im Rahmen des genannten „Leitprojekts Medienrecht“ eine Änderung des Lan­despressegesetzes mit dem Ziel, das Presse-Grosso-System gesetzlich abzusichern?

 

Die Landesregierung plant, das bewährte Presse-Grosso-System über unsere gesetzlichen Möglichkeiten abzusichern, wenn es zu keiner frei­willigen oder ausreichenden bundesgesetzlichen Regelung kommt. An­gesichts der bundesweiten Bedeutung und Verbreitung von Presse sollte dies möglichst gemeinsam mit den übrigen Ländern erfolgen. Ob entsprechende Regelungen dann in den jeweiligen Landespressegesetzen, in einem Staatsvertrag oder anderweitig gesetzlich niedergelegt werden, ist in der von NRW initiierten Arbeitsgruppe zu klären.

 

 

 

 

 

 

 

3.  Ist die Landesregierung der Ansicht, dass die gesetzliche Verankerung der Neutralität des Pressevertriebs, wie in Art. 2 Abs. 2 des Brandenburgischen Landespressegesetzes der Fall, eine ausreichende Rechtsgrundlage für das Grosso-System darstellt, die auch für NRW anzustreben ist?

 

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die entsprechende Re­gelung in § 2 Absatz 2 des Brandenburgischen Pressegesetzes in die richtige Richtung geht. Ob dies insgesamt ausreicht, wird in der ge­nannten Arbeitsgruppe noch erörtert werden.

 

 

4.  Betrachtet die Landesregierung ein gesetzliches Verbot jeglicher Verlagsbeteiligungen an Grosso-Unternehmen als eine sinnvolle Möglichkeit, das Grosso-System rechtlich abzusichern? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

 

Derartige Überlegungen hat die Landesregierung bislang nicht ange­stellt, da ein entsprechendes Verbot zum einen nur bundesgesetzlich geregelt werden könnte und dieses zum anderen einen schwerwiegen­den Grundrechtseingriff darstellen würde. Zudem erscheint der mögliche Nutzen fragwürdig, zumal bislang alle Verlage bekunden, am Grosso-System festhalten zu wollen. Den von einem Verlag gewollten Änderun­gen des bestehenden Systems und den damit einhergehenden Gefähr­dungen würde ein solches Verbot nicht entgegenwirken.

 

 

5. Welche Standpunkte bzgl. einer (weiteren) gesetzlichen Verankerung des Presse-Grosso-Systems vertritt die Landesregierung im Rahmen der „Länderoffenen Arbeitsgruppe Presse-Grosso“ beim Bundeswirtschaftsministerium?

 

Die vorgenannten Standpunkte zu ergänzenden landesgesetzlichen Regelungen zur Sicherung eines neutralen Pressevertriebes vertritt NRW auch in der länderoffenen Arbeitsgruppe, die nicht beim Bundes­wirtschaftsministerium stattfindet, sondern von NRW initiiert wurde und bisher ausschließlich in Düsseldorf getagt hat. Der Bund hat sich inten­siv und konstruktiv an der Diskussion beteiligt, was insbesondere im Hinblick auf die kartellrechtlichen Implikationen des Themas wichtig ist.

 


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