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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/1646

 

06.12.2012

 

 

 

 

Kleine Anfrage 744

 

der Abgeordneten Daniel Schwerd und Lukas Lamla   PIRATEN

 

 

Sieht die Landesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf beim Presse-Grosso?

 

 

Das in Deutschland bestehende Vertriebssystem für Printmedien – genannt Presse-Grosso – leistet einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der Medien- und Meinungsvielfalt. In der Gemeinsamen Erklärung von 2004 haben sich die Verlagsvertreter und Grossisten auf „tragende Pfeiler des Presse-Grosso“ geeinigt, u.a. die Pflicht zum Vollsortiment, Dispositionsrecht für die Verlage, Remissionsrecht für die Grossisten, Preisbindung und Neutralität. Das Dokument hat allerdings keine Rechtsverbindlichkeit und verfügt lediglich über den Stellenwert einer (branchenpolitischen) Absichtserklärung. Mit der Erklärung sollte der Fortbestand eines neuralen Vertriebssystems im Print langfristig sichergestellt werden.

 

Das bestehende Grosso-System ist erheblich unter Druck geraten, als der Bundesgerichtshof (BGH) im Oktober 2011 in letzter Instanz die Klage eines verlagsunabhängigen Grossisten gegen die ihm von der Bauer Media Group ausgesprochene ordentliche Kündigung des Liefervertrages abwies. Der BGH argumentierte, dass die Gemeinsame Erklärung nicht Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertriebsvertrags sei. Zudem ergeben sich aus der Gemeinsamen Erklärung keine einklagbaren Pflichten. In einem weiteren Urteil entschied das Landgericht Köln im Februar 2012, dass das zentrale Verhandlungsmandat des Grosso-Verbands zum Aushandeln einheitlicher Grosso-Konditionen (insbesondere Handelsspannen und Laufzeiten) mit bzw. gegenüber den Verlagen unzulässig sei. Damit wurde eine langjährige Praxis im Grosso-System für nicht zulässig erklärt.

 

Die Landtagsfraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN und FDP haben im November 2011 angekündigt, bis Mitte 2012 prüfen zu wollen, „inwiefern die aktuellen mediengesetzlichen Grundlagen des Landes Nordrhein-Westfalen diesem Anspruch der Vielfaltssicherung im Pressevertrieb gerecht werden“ und „im Bedarfsfalle notwendige Änderungen“ einzuleiten. Bis heute wurde hier nicht gehandelt. Im Rahmen der Vorstellung der medienpolitischen Schwerpunkte im Medien- und Kulturausschuss am 27.09.12 hat Ministerin Schwall-Düren das „Leitprojekt Medienrecht“ angekündigt, das auch Änderungen des Landespressegesetzes vorsieht.

 

 

 

 

Der Bundesgesetzgeber ist aufgrund dieser Rechtsunsicherheit zwischenzeitlich tätig geworden und hat im Rahmen der 8. Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen für Branchenvereinigungen zwischen Presseverlagen und Grossisten in das GWB aufgenommen. Die 8. GWB-Novellierung wurde am 23.11.12 vom Bundesrat an den Vermittlungsausschuss überwiesen und soll Anfang 2013 in Kraft treten.

 

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

 

1.   Ist die Landesregierung der Ansicht, dass mit der 8. Novellierung des GWB und der damit verbundenen Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen für Branchenvereinigungen zwischen Presseverlagen und Grossisten der Erhalt des Presse-Grosso-Systems in Deutschland langfristig abgesichert wird?

 

2.   Plant die Landesregierung im Rahmen des genannten „Leitprojekts Medienrecht“ eine Änderung des Landespressegesetzes mit dem Ziel, das Presse-Grosso-System gesetzlich abzusichern?

 

3.   Ist die Landesregierung der Ansicht, dass die gesetzliche Verankerung der Neutralität des Pressevertriebs, wie in Art. 2 Abs. 2 des Brandenburgischen Landespressegesetzes der Fall, eine ausreichende Rechtsgrundlage für das Grosso-System darstellt, die auch für NRW anzustreben ist?

 

4.   Betrachtet die Landesregierung ein gesetzliches Verbot jeglicher Verlagsbeteiligungen an Grosso-Unternehmen als eine sinnvolle Möglichkeit, das Grosso-System rechtlich abzusichern? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

 

5.   Welche Standpunkte bzgl. einer (weiteren) gesetzlichen Verankerung des Presse-Grosso-Systems vertritt die Landesregierung im Rahmen der „Länderoffenen Arbeitsgruppe Presse-Grosso“ beim Bundeswirtschaftsministerium?

 

 

 

Daniel Schwerd

Lukas Lamla

 


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