LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/14510 |
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16.03.2017 |
Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „NRW steht für Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie“ (Drs. 16/14395)
Solidarität mit den Niederlanden zeigen – auch die Bundesregierung soll ein Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder für Wahlkampfauftritte durchsetzen
I. Ausgangslage
Mit den beabsichtigten Auftritten von türkischen Regierungsmitgliedern in Deutschland wird ein innertürkischer Konflikt nach Deutschland getragen. Der Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım am 18. Februar 2017 in Oberhausen hat bereits aufgezeigt, wie stark die Debatte über das in der Türkei anstehende Verfassungsreferendum auch Konflikte, Demonstrationen und Gegendemonstrationen auf deutschem Staatsgebiet auslösen.
Es ist ein berechtigtes und für den inneren politischen Frieden angemessenes Recht der Bundesrepublik Deutschland, dass sie eine solche ausländische Kontroverse im Inland verhindern möchte und kann. Das Bundesverfassungsgericht hat erst am 8. März 2017 in einem Beschluss festgestellt, dass die Bundesregierung veranlassen kann, ausländischen Staatsoberhäuptern und Mitgliedern ausländischer Regierungen die Einreise in das Bundesgebiet zu untersagen.
Von diesem Recht hat die Bundesregierung bisher keinen Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit für Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland faktisch den Kommunen zugewiesen. Es ist nicht akzeptabel, dass sich die Bundesregierung in solchen staatspolitisch bedeutsamen Fragen nicht zu ihrer Verantwortung bekennt und diese an die Kommunen abschiebt.
Es ist nicht die Aufgabe der Kommunen und ebenso nicht einzelner Länder, ein Verbot von Wahlkampfauftritten ausländischer Regierungsmitglieder durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass türkische Politiker in amtlicher Funktion keinen Anspruch auf Auftritte in Deutschland haben. Dabei gilt auch, dass sich ausländische Regierungsmitglieder nicht auf ihre Rolle als Privatperson zurückziehen können – ein Auftrittsverbot obliegt insoweit eindeutig der Bundesregierung, die bis heute ihrer Verantwortung nicht wahrgenommen hat.
Wir können kein Interesse daran haben, innertürkische Konflikte weiter in Deutschland auszutragen. Deshalb ist eine eindeutige Klarstellung durch die Bundesregierung jetzt dringend erforderlich. Gerade in Nordrhein-Westfalen: Hier leben fast eine Million Menschen mit türkischen Wurzeln. Wir müssen alles daran setzen, das friedliche Miteinander auch in Zukunft fortzusetzen und zu intensivieren. Die meisten Menschen mit türkischen Wurzeln identifizieren sich mit unserem Bundesland – das soll auch so bleiben. Es ist daher Aufgabe aller demokratischen Parteien, Integration und die Identifikation mit der deutschen Gesellschaft durch eine verbindlichere Integrationspolitik zu stärken.
Es kann hingegen nicht geduldet werden, dass insbesondere in Nordrhein-Westfalen für eine Verfassungsänderung geworben wird, die aus einem parlamentarischen Regierungssystem ein autokratisches Präsidialsystem macht und zu weiteren Einschränkungen der Bürgerrechte für die Menschen in der Türkei führen kann.
Ebenso wenig kann geduldet werden, dass Mitglieder der türkischen Regierung innertürkische Regeln, wonach Wahlkampfauftritte von Regierungsmitgliedern im Ausland und somit auch bei uns in Deutschland nicht zulässig sind, nicht einhalten. Wenn in Deutschland oder in den Niederlanden hingehen auf rechtsstaatlicher Grundlage Auftritte abgesagt werden, ist es vollkommen unangemessen, sich darüber hinwegzusetzen und anschließend diesen Ländern „Nazimethoden“ vorzuwerfen.
Die niederländische Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte hat auf Basis der auch in den Niederlanden geltenden rechtsstaatlichen Normen der türkischen Regierung vermittelt, dass Wahlkampfauftritte in den Niederlanden unerwünscht sind, und in der Konsequenz auch die Einreise von türkischen Regierungsmitgliedern untersagt.
Für diese klare und unmissverständliche Position, zu der sich bedauerlicherweise die Bundesregierung bisher nicht durchringen konnte, ist den Niederlanden großer Respekt zu zollen. Die Vorwürfe des türkischen Präsidenten, der den Niederlanden „Staatsterrorismus“ und eine „neonazistische Gesinnung“ vorhält, sind geschichtsvergessen und müssen mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. In einer solchen Lage müssen Deutschland, Nordrhein-Westfalen und das nordrhein-westfälische Parlament seinen niederländischen Nachbarn Solidarität entgegenbringen.
Statt einer unklaren Haltung in Deutschland oder gar einer Delegation von Verantwortung auf die Kommunen brauchen wir eine unmissverständliche gesamtstaatliche Herangehensweise. Diese kann nur ein Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder für Wahlkampfauftritte bis zum Abschluss des türkischen Referendums sein.
II. Beschlussfassung
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen
- erklärt sich solidarisch mit allen Opfern der Repressionspolitik in der Türkei und fordert, alle zu Unrecht Inhaftierten freizulassen;
- bringt zum Ausdruck, dass innertürkische Konflikte nicht in Deutschland ausgetragen werden sollen;
- erklärt sich solidarisch mit den Niederlanden und weist die Vorwürfe der türkischen Regierung gegenüber den Niederlanden ebenso wie die Vorwürfe gegenüber Deutschland zurück;
- fordert die Bundesregierung auf, bis zum Abschluss des türkischen Referendums ein Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder für Wahlkampfauftritte auszusprechen und durchzusetzen;
- fordert die Bundesregierung auf, sich auch auf Ebene der Europäischen Union für ein Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Regierungsmitglieder einzusetzen.
Christian Lindner
Christof Rasche
Dr. Joachim Stamp
und Fraktion