LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/14142 |
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03.02.2017 |
Kleine Anfrage 5555
des Abgeordneten Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS
Bad news are good news? Sperrungsverfügungen von Internetseiten in NRW
„Irritare canem noli dormire volentem,
Nec moveas iram post tempora longa latentem“
Philosophia Patrum (Julius Wegeler)
Schlechte Nachrichten erhöhen die Aufmerksamkeit der Rezipienten – und steigern oftmals die Auflage. Dies ist eine langjährige Erkenntnis im Medienbereich. Gilt sie auch im Internet, etwa bei gesperrten Seiten, deren Sperrung sich mitunter umgehen lässt und somit einen gegenteiligen Effekt erzeugt?
Diese Frage lässt sich womöglich aus Internetsperren beantworten, die vor geraumer Zeit in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen worden sind. So beschuldigte im Oktober 2001 die Bezirksregierung Düsseldorf unter dem Regierungspräsidenten Jürgen Büssow (SPD) sechsundfünfzig Internet-Provider, über ihre Zugänge unzulässige Inhalte zu verbreiten.
Dabei wurde den genannten Providern mit einem Bußgeld von bis zu einer Millionen DM oder einem gerichtlichen Verfahren gedroht, sollten sie der Aufforderung nicht nachkommen und die beanstandeten Seiten weiter verbreiten. Zwölf der betroffenen Provider kamen der Aufforderung umgehend nach, andere klagten dagegen.
Gesperrt wurden schließlich drei Webseiten mit rechtsextremem Inhalt wie auch die Schockerseite rotten.com, die sich unter anderem mit der Darstellung von Terrorismus, brutalen Morden, Suiziden, Grausamkeit oder Vergewaltigung befasste.
Da rotten.com nach Protesten von der Sperrung ausgenommen worden und die rechtsextreme Seite Front14 zwischenzeitlich vom Netz gegangen war, blieben letzten Endes nur das Internetforum Stormfront und die Website der NSDAP-Aufbauorganisation des US-amerikanischen Neonazis und Holocaustleugners Gary L. als von der Verfügung betroffene übrig.
Im Juni 2005 bestätigte das zuständige Oberverwaltungsgericht die Netzsperre als rechtmäßig. Eine spätere Analyse offenbarte, dass sämtliche Provider einerseits mehr Inhalte sperrten als vorgeschrieben und andererseits viele die zu sperrenden Inhalte nicht vollständig blockierten.
Dabei kann man die Sperren aus technischen Gründen allenfalls als symbolisch betrachten: Für interessiere Internetnutzer sind sie einfach zu umgehen. Weitergehende Sperren sind nur unter erheblichen Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis möglich, und wären ebenfalls niemals vollständig. Andererseits können Sperrverfügungen erst recht Aufmerksamkeit auf zu sperrende Inhalte lenken, damit also kontraproduktiv sein.
Da die Bezirksregierung Düsseldorf die Sperrverfügungen bislang nicht zurückgenommen hat, dauern die Netzsperren im Grunde bis heute an. Die beiden gesperrten Webseiten sind hingegen mittlerweile aus dem Netz der deutschen Telekom wieder erreichbar.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Welche der genannten Sperrungen sind immer noch in Kraft?
Nennen Sie betroffene Provider und gesperrte Webseiten.
2. Wurde die einmal erlassenen Maßnahmen anschließend jemals überprüft?
Stellen Sie eventuell den formellen Ablauf der Überprüfung an jeder der gegebenen einzelnen Blockaden dar.
3. Sind diese Sperrungen nach Ansicht der Landesregierung angemessen?
Gehen Sie auch auf die technisch leicht mögliche Umgehung ein, inwieweit solche symbolischen Sperren wirksam sein können, sowie auf die Risiken von Overblocking und eventuellen Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis.
4. Inwieweit ist nach Ansicht der Landesregierung womöglich ein gegenteiligen Effekt erzielt worden, der durch die Sperrung der Seiten ihre Bekanntheit und das Interesse daran gesteigert hat (sog. Streisand-Effekt)?
5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, wie sich Besucherzahlen bzw. Verbreitung der gesperrten sechsundfünfzig Seiten vor und nach der (versuchten) Blockade entwickelt haben?
Daniel Schwerd