LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/13573 |
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24.11.2016 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 5295 vom 28. Oktober 2016
des Abgeordneten Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS
Wahrnehmung der Fachaufsicht durch das Ministerium für Arbeit und Soziales im Bereich des SGB II
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Die Jobcenter sind verpflichtet, die angemessenen Unterkunftskosten im SGB II durch »bereite Quellen« zu ermitteln. Bereite Quellen können sog. „schlüssige Konzepte“ sein, aber auch einfache, wie qualifizierte Mietspiegel (BSG v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R) oder eigene Erhebungen des örtlichen Leistungsträgers. Diese bereiten Quellen müssen die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass im Falle des Ausfalls bereiter Quellen zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze von Kosten der Unterkunft auf die tatsächliche Miete abzustellen ist. Begrenzt wird dieser Wert dann durch den Oberwert der Wohngeldtabelle (§ 12 WoGG) zuzüglich 10% Sicherungsaufschlag (BSG v. 17.02.2009 - B 4 AS 50/9 R, BSG v. 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R, BSG v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R).
In der Stadt Wuppertal existiert seit dem Jahr 2013 keine bereite Quelle zur Ermittlung der Mietpreise mehr, da es seitdem keinerlei offizielle Erhebungen zu Mietpreisen gegeben hat. Beim Wuppertaler Amtsgericht wird in Mietangelegenheiten der Mietpreisspiegel mit einem Aufschlag von 30 % angewendet. Der alte Mietspiegel ist aus dem Jahr 2010 und wurde nur bis einschließlich 2012 als einfacher Mietpreisspiegel fortgeschrieben (SG Düsseldorf 04.07.2016 – S 13 AS 3749/15, S. 7 2. Absatz). http://wuppertal.tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/KdU_2014/SG_DUS_04.07.2016_-_S_13_AS_374915.pdfSpätestens seit Anfang 2013 gab es keine weiteren Ermittlungen zu den Unterkunftskosten in Wuppertal, die auch nur annähernd den Anforderungen der BSG – Rechtsprechung genügen.[1]
Bis Ende 2015 wurde vom Jobcenter Wuppertal AöR (JC), entgegen der Rechtsprechung des BSG (v. 19.10.2009 - B 14 AS 50/10 R, vgl. BSG 02.07.2009 - B 14 AS 36/08), als Angemessenheitsgrenze der reine Nettomietpreis berücksichtigt. Das Landessozialgericht (LSG) NRW hat das JC Wuppertal dazu verpflichtet, die Bruttokaltmiete zu berücksichtigen (LSG NRW 29.10.2015 – L 7 AS 1310/11). Die verwaltungstechnische Umsetzung des Urteils des LSG NRW erfolgte erst Monate nach dem Urteil des LSG NRW.
Der Wuppertaler Arbeitslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. hat als örtlicher Interessensvertreter erwerbsloser Menschen vielfach die Umsetzung des Urteils des LSG NRW gefordert.[2] Nachdem das JC Wuppertal über drei Monate untätig und nicht bereit war, das Urteil des LSG NRW umzusetzen, hat der Verein Tacheles eine erste Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt (FA 31.01.2016).[3]
Anfang Februar 2016 wurde vom JC Wuppertal AöR das LSG-Urteil umgesetzt und eine neue Richtlinie zu den Unterkunftskosten erlassen.[4] Da diese nach diesseitiger Ansicht gravierende Rechtsverstöße beinhaltet, hat der Verein Tacheles dann in einer zweiten Fachaufsichtsbeschwerde die dortigen Rechtsverstöße dargestellt und um fachaufsichtsrechtliche Prüfung gebeten (FA 06.02.2016).[5]
Nachfolgend sind die ersten rechtswidrigen Handlungen des JC Wuppertal bekannt geworden, was zu einer ergänzenden Fachaufsichtsbeschwerde beim Ministerium für Arbeit und Soziales (MAIS) geführt hat (FA v. 11.03.2016).[6]
Nachdem es vom MAIS zu keiner Bearbeitung der Beschwerden gekommen ist, wurde mit Datum vom 07.05.2016 von Seiten des Vereins Tacheles die fehlende Bearbeitung durch das MAIS angezeigt (Schreiben v. 07.05.2016).[7]
Mit Datum vom 11.05.2016 hat das MAIS in Person des Herrn Dr. L. die Beschwerden beantwortet. Darin heißt es wörtlich:
"Ihr Anliegen wurde von hier aus geprüft. Diesbezüglich teile ich Ihnen mit, dass die KdU-Handlungshinweise im Hinblick auf die von Ihnen benannten Inhalte nach dem Ergebnis der hiesigen Prüfung zu Beanstandungen keinen Anlass geben." [Hervorhebung durch Fragesteller][8]
Mit Datum vom 22.05.2016 wandte sich der Vorsitzende von Tacheles e.V. erneut mit einem Schreiben an das MAIS zu Händen des Herrn Dr. L. und hat in neun Punkten gravirende Rechtsverstöße des JC Wuppertal dargelegt und um erneute Prüfung gebeten (Schreiben Tacheles v. 22.05.2016).
Dieses Schreiben ist bis zum heutigen Tage unbeantwortet geblieben.[9]
Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 5295 mit Schreiben vom 24. November 2016 namens der Landesregierung beantwortet.
1. Wie hat nach Ansicht der Landesregierung die korrekte Ausübung der Fachaufsicht auszusehen?
2. Wie sind die fachaufsichtsrechtlichen Strukturen in Bezug auf das SGB II im MAIS ausgestaltet, insbesondere im Hinblick darauf, wie die Fachaufsicht abläuft und welche Person für welche Sachbereiche zuständig ist?
Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Die Kreise und kreisfreien Städte nehmen die ihnen nach dem SGB II obliegenden Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr. Die Wahrnehmung der Fach- und Rechtsaufsicht durch das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales richtet sich nach den Regelungen im AG-SGB II NRW.
Einzelheiten hinsichtlich der Aufsichtsstrukturen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie zur Ausgestaltung der Fachaufsicht durch das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales können dem umfassenden Erfahrungsbericht zur Umsetzung des AG-SGB II NRW (Vorlage 16/3356) entnommen werden.
Die Verteilung der Aufgaben auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan. Dieser ist auf der Internetseite des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales unter https://www.mais.nrw/aufgaben-und-organisation veröffentlicht.
3. Wie bewertet die Landesregierung das Vorgehen des Herrn Dr. L. im vorliegenden Fall, dies insbesondere, da das Sozialgericht ohne Probleme eine Rechtswidrigkeit erkennen kann (SG Düsseldorf 04.07.2016 – S 13 AS 3749/15)?
Die Bearbeitung der in der Vorbemerkung des Fragestellers genannten Eingaben des Wuppertaler Arbeitslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles e.V. gibt keinen Anlass zu Beanstandungen. Diese wurden im Sinne von Artikel 4 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und Artikel 17 des Grundgesetzes als Fachaufsichtsbeschwerde vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales geprüft und mit Schreiben vom 11. Mai 2016 abschließend beantwortet. Eine weitere inhaltsgleiche Beschwerde, wie das auf die Beantwortung der Landesregierung folgende Schreiben vom 22. Mai 2016, bedarf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keiner erneuten sachlichen Bescheidung.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die in Rede stehende Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf bislang nicht rechtskräftig ist und zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorlag.
4. An wen oder welche Stelle können bzw. sollen sich BürgerInnen oder Institutionen wenden, wenn durch das MAIS die Fachaufsicht nicht wahrgenommen wird?
5. Im Bereich der Grundsicherungsgewährung kommt es immer wieder zu massiven Beschwerden über fachliches Handeln oder Handlungsunterlassungen der Grundsicherungsträger. Wie kann nach Ansicht der Landesregierung die Wahrnehmung der Fachaufsicht für BürgerInnen und Institutionen gestärkt werden?
Die Fragen 4 und 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales nimmt die Fach- und Rechtsaufsicht nach dem AG-SGB II NRW wahr und unterstützt die Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in diesem Zusammenhang im Hinblick auf eine recht- und zweckmäßige Aufgabenwahrnehmung. Die Fachaufsicht orientiert sich dabei vornehmlich an einer zielorientierten Erfüllung der Aufgaben in eigener Zuständigkeit und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Grundsicherungsträgern. Dass und wie die Fachaufsicht im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales wahrgenommen wird, kann dem umfassenden Erfahrungsbericht zur Umsetzung des AG-SGB II NRW (Vorlage 16/3356) entnommen werden.
Unabhängig davon unterliegen behördliche Entscheidungen der Jobcenter der gerichtlichen Kontrolle. Sofern Entscheidungen der Jobcenter aus Sicht von Bürgerinnen und Bürgern unrechtmäßig ergangen sind, besteht die Möglichkeit um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen und diese gerichtlich überprüfen zu lassen.
[1] . https://www.wuppertal.de/vv/produkte/105/102370100000364921.php
[2] http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/1934/.
[3]http://tachelessozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/Tach.FA_Bezirksregierung_31.01.2016.pdf
[4] http://www.harald-thome.de/media/files/kdu,-ae,-but-rilis/KdU-Wuppertal---31.01.2016.pdf.
[5]http://tachelesozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/2._FA_Tacheles_zu_KdU_an_BzR_06.02.2016.pdf
[6]http://wuppertal.tachelesozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/KdU_2014/FHBeschwerde_11.02.2016.pdf
[7] http://wuppertal.tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/KdU_2014/FHAnmahnung_7.5.2016.pdf
[8] Schreiben MAIS v. 11.Mai 2016) zu finden: http://wuppertal.tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/KdU_2014/FHAnmahnung_7.5.2016.pdf
[9] http://wuppertal.tacheles-sozialhilfe.de/fa/redakteur/Wuppertal_Kommunales/KdU_2014/TaStellungnahme_an_MAIS_22.05.2016.pdf