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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/13469

 

16.11.2016

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 5257 vom 19. Oktober 2016

des Abgeordneten Daniel Schwerd   FRAKTIONSLOS

Drucksache 16/13222

 

 

 

Strafbefehle gegen „Düsseldorf stellt sich quer“-Aktivisten: Zivilcourage wird bestraft?

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

„Wenn die Rosen verblüht sind, verachtet man die Dornen.“

Ovid

 

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat Strafbefehle in Höhe von insgesamt 210 Tagessätzen à 50 Euro verhängt. Torsten N und Mischa A werden anlässlich der Proteste am Oberbilker Markt gegen die extrem rechten „Republikaner“ am 19. März 2016 die „Störung einer Versammlung“ sowie – wegen einer Sitzblockade – „Landfriedensbruch“ vorgeworfen.

 

Torsten N. wird zusätzlich vorgeworfen, bei einer Veranstaltung der rechtspopulistischen AfD in der Düsseldorfer Messe in seiner Funktion als Anmelder und Leiter der Gegenkundgebung von „Düsseldorf stellt sich quer“ (DSSQ) gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben. Beide waren in der Vergangenheit vielfach Leiter verschiedener Kundgebungen und Presseverantwortliche des Bündnisses „Düsseldorf stellt sich quer“. Gegen die Strafbefehle haben die beiden Beschuldigten Widerspruch eingelegt.

 

Rassismus und Hetze auf der Straße und im Netz sind immens angestiegen. Rassismus führt zu Gewalt: Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte haben sich im Jahre 2015 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. In diesem Kontext sind Blockaden als Zivilcourage "Bürgerpflicht " und werden in anderen Städten NRWs, z.B. in Köln, ohne Repressionen erfolgreich praktiziert.

 

Die – ansonsten vollkommen friedliche – Behinderung einer Versammlung der extremen Rechte, um sie am Verbreiten ihres rassistischen und rechtsextremen Giftes zu hindern, ist auch eine Form des Protestes und Widerstands, damit ein Akt von Zivilcourage. Sie schützt Minderheiten vor der Konfrontation mit sonst transportiertem Hass und Gewalt.

 

Die Landesregierung betont die Notwendigkeit von Zivilcourage gegen Rechts, beispielsweise mit dem Projekt „helpline“, oder im vor wenigen Tagen vorgestelltem „Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Ein Preis für Zivilcourage wurde durch das Innenministerium vergeben.

Die Verhängung eines Strafbefehls gegen Aktive und Anmelder von Demonstrationen gegen rechts macht die Organisation und Durchführung zu einem unkalkulierbaren Risiko. Gesellschaftlich erwünschter Widerstand gegen Rechts wird so behindert. Neonazis fühlen sich dadurch bestärkt.

 

Das „No Border Projekt“, welches die beiden Beschuldigten mit ihren Initiativen gestartet und geleitet haben, war im Februar 2015 Präventionsprojekt des Monats des Landespräventionsrates des Justizministeriums [1] und wurde im Mai 2016 erneut auf den Webseiten des Justizministeriums präsentiert. [2] Es fand auch überregional viel Beachtung und Anerkennung.

 

Es ist schizophren, wenn die Landesbehörden Menschen in unserem Land für ihr Engagement gleichzeitig würdigen und bestrafen. Zumindest hätte die Staatsanwaltschaft einen Entscheidungsspielraum nutzen können, soweit er besteht, um die damit verbundene Zivilcourage von aktivem Widerstand gegen Rechts zu honorieren.

 

 

Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 5257 mit Schreiben vom 16. November 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet.

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Die Landesregierung begrüßt und unterstützt das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Einen Beitrag dazu leistet das „Integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus“, das am 10. Mai 2016 von der Landesregierung verabschiedet wurde. Mit Hilfe dieses Handlungskonzeptes will die Landesregierung die Rahmenbedingungen der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure für deren präventiv orientierte Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus verbessern. Bei der Erarbeitung des Handlungskonzeptes hat sich die Landesregierung von zwei Aspekten leiten lassen: Zum einen ist die Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und erfordert das Engagement in allen Politikfeldern sowie gesellschaftlichen Bereichen. Zum anderen ist die gezielte Kooperation staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure ein zentraler Baustein gelingender Prävention.

 

Die „Stärkung und Entwicklung von Zivilcourage“ ist eines von insgesamt 17 festgelegten Handlungszielen im Handlungskonzept. Im Hinblick auf dieses Handlungsziel werden sowohl staatliche als auch zivilgesellschaftliche Einrichtungen, Betriebe der Arbeitswelt als auch Einzelpersonen darin bestärkt und mit Maßnahmen unterstützt, sich aktiv gegen Gewalt und Rassismus einzusetzen und Zivilcourage zu zeigen.

 

 

 

1.      Inwieweit bewertet die Landesregierung den Einsatz der Anmelder der Demonstration gegen Rechts als Zivilcourage?

 

2.      Welchen Ermessensspielraum hatte die Staatsanwaltschaft im zitierten Fall? Gehen Sie darauf ein, inwieweit das Engagement der Beschuldigten in Betracht gezogen wurde.

 

3.      Aus welchem Grund hat die Staatsanwaltschaft auf eine geringere Strafe bzw. auf eine Einstellung der Verfahren verzichtet?

 

4.      Inwieweit ist eine – ansonsten vollkommen friedliche – Blockade gegen rechtsextreme Demonstrationen ein Akt der Zivilcourage bzw. nicht?

 

5.      Welche Gefahren für die zivilgesellschaftliche Courage gegen Rechts stellt die Verhängung von Strafbefehlen gegen Anmelder solcher Gegendemonstrationen dar?

 

Auf die Einsprüche der Angeklagten gegen die Strafbefehle hat das Amtsgericht Hauptverhandlungstermine auf den 13. und 27. März 2017 anberaumt. Mit Blick auf die in Artikel 97 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit nimmt die Landesregierung zu laufenden gerichtlichen Verfahren keine Stellung. Dies betrifft auch Ausführungen zur Strafzumessung.

 

Abstrakt ergibt sich der staatsanwaltschaftliche Ermessenspielraum beim Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts aus den §§ 153 ff., 170 Absatz 1 der Strafprozessordnung. Die Grundlagen der Strafzumessung sind allgemein in § 46 des Strafgesetzbuches aufgeführt.

 

 



[1] https://www.justiz.nrw.de/BS/praevention_jm/projekt/projekte_alle_liste/projekt_2015_02/index.php

[2] https://www.justiz.nrw.de/BS/praevention_jm/meldung/alle-meldungen/aktuelle_meldung_01603/index.php


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