LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
|
Drucksache 16/1333 |
|
07.11.2012 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 531 vom 2. Oktober 2012
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
Widerspruch zwischen Antwort auf kleine Anfrage 348 zu Steuer-CDs und Pressemitteilung des Finanzministeriums
Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 531 mit Schreiben vom 6. November 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
In meiner kleinen Anfrage Nr. 348 (Drucksache 16/649) vom 21. August 2012 habe ich die Landesregierung in Unterfrage Nummer 2 gefragt:
„Wie viele dieser Personen aus NRW haben eine Selbstanzeige abgegeben? Bitte schlüsseln Sie die Daten nach Ankaufvorgängen auf, und wie viele dieser Selbstanzeigen jeweils erfolgreich ein Strafverfahren verhindert haben bzw. wie oft zusätzlich ein Strafverfahren eingeleitet wurde.“
Hierzu antwortete der Finanzminister in der Drucksache 16/924 am 18. September 2012 folgendes:
„Von den Personen, die sich mit ihren Daten auf einer Steuer-CD befinden, gibt es nur sehr wenige, wenn nicht sogar gar keine Selbstanzeigen, weil eine Selbstanzeige voraussetzt, dass das Steuervergehen noch nicht von den Behörden erkannt wurde.“
In einer Pressemitteilung des Finanzministeriums NRW vom 24. September 2012 [http://www.fm.nrw.de/presse/2012_09_21_CD_Nutzen.php]
drei Tage später sagt Finanzminister Walter-Borjans folgendes:
„Die bisherigen Auswertungen belegen, dass weit mehr als die Hälfte der Datensätze werthaltig ist und zu mehr Steuereinnahmen führt.“
Laut Aussage des Finanzministeriums auf meine kleine Anfrage waren zum Beantwortungszeitpunkt 903 Verfahren erledigt, davon 11 Verfahren mit Strafbefehlen, 80 mit Auflagen.
Wenn weit mehr als die Hälfte der Datensätze werthaltig sind, so würde das bedeuten, dass mindestens 360 der beendeten Verfahren (bzw. weit mehr) ohne Auflagen oder Strafen vom Finanzminister ebenfalls als „werthaltig“ eingestuft werden.
Und weiter heißt es in derselben Pressemitteilung:
„Ein Teil der auf der Steuer-CD verzeichneten Anleger gibt erfahrungsgemäß rechtzeitig wirksame Selbstanzeigen ab, was zu einer höheren Zahl von Verfahrenseinstellungen (nach § 170 Abs. 2) ohne strafrechtliche Folgen für die Beschuldigten führt.“
Hier wird der Eindruck erweckt, als habe ein signifikanter, messbarer Prozentsatz („ein Teil“) der auf der Steuer-CD verzeichneten Bürger eine Selbstanzeige abgegeben. Dies steht in offenkundigen Widerspruch zu der Aussage „wenige, wenn nicht gar keine“ Personen hätten Selbstanzeigen abgegeben, denn damit handelt es sich sicher nicht um einen messbaren, signifikanten Teil einer Grundgesamtheit. Zudem wurde in der Antwort dem Fragesteller zuvor der Eindruck vermittelt, eine solche Information läge quantifiziert gar nicht vor.
Es wird der Eindruck erweckt, die Werthaltigkeit der sonstigen Daten läge in rechtzeitig abgegebenen Selbstanzeigen. Auf andere Arten von Werthaltigkeit (außer Strafen, Auflagen und Selbstanzeigen) wird in der Pressemitteilung bzw. Antwort auf meine Anfrage nicht eingegangen.
Mehrfach wird auf den Aufwand der Datenerhebung zu meinen Fragen abgehoben. Jedoch scheinen solche Daten dann doch vorzuliegen, da sie für die Pressemitteilung auswertbar waren – es sei denn, die Aussage, mehr als die Hälfte der Datensätze seien „werthaltig“, wäre aus der Luft gegriffen.
Die Vermischung mit Daten von Selbstanzeigen von Personen, die nicht auf den Steuer-CDs enthalten sind, ist ausdrücklich nicht erwünscht und war nicht Gegenstand meiner Fragen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und Steuerstrafermittlung. Der Verhinderung, Verfolgung und Aufklärung von Straftaten kommt dabei unter Berücksichtigung der Wertungen des Grundgesetzes eine hohe Bedeutung zu. Die Bekanntgabe von Einzelheiten zu abgeschlossenen Erwerbsvorgängen kann zum einen den Ermittlungszweck gefährden, solange die sich hieraus ergebenden Steuerstrafverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen sind. Zum anderen könnte die Bekanntgabe von Details zu den Erwerben zur unerwünschten Identifizierung der Anbieter führen.
Auch unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beschäftigten (insbesondere in Hinblick auf die gegen nordrhein-westfälische Steuerfahndungsbeamte in der Schweiz ergangenen Haftbefehle) kann eine Mitteilung von Details nicht erfolgen.
Aus diesen Erwägungen kann sich die Landesregierung auch zu abgeschlossenen Erwerbsvorgängen nur eingeschränkt äußern.
1. Wie erklärt der Finanzminister den offenkundigen Widerspruch zwischen der Auskunft „Von den Personen, die sich mit ihren Daten auf einer Steuer-CD befinden, gibt es nur sehr wenige, wenn nicht sogar gar keine Selbstanzeigen“, die er in der Antwort der Kleinen Anfrage gab, und der Auskunft „Ein Teil der auf der Steuer-CD verzeichneten Anleger gibt erfahrungsgemäß rechtzeitig wirksame Selbstanzeigen ab“, die das Finanzministerium in der Pressemitteilung gab?
Falls der Finanzminister der Ansicht ist, auch „wenige, wenn nicht gar keine“ seien ein erwähnenswerter „Teil“ einer Menge, begründen Sie dies.
Die Aussagen aus der Pressemitteilung vom 24.09.2012 und der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 348 stehen aus Sicht des Finanzministeriums nicht in Widerspruch zueinander.
Die Aussage in der Pressemitteilung vom 24.09.2012 wurde vor dem Hintergrund der Frage der Wirksamkeit von Selbstanzeigen im Zusammenhang mit einem Datenankauf gemacht. In einem frühen Stadium der Ermittlungen wird dabei eine Selbstanzeige eher noch wirksam sein, da die Tat in der Regel noch nicht entdeckt ist.
Betrachtet man lediglich die bloße Zahl der Selbstanzeigen zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren oder sogar noch vor Ankauf des jeweiligen Datenträgers, so können auf diesem sehr wohl Daten von Anlegern enthalten sein, die bereits eine Selbstanzeige abgegeben haben. Ist die Zahl der letztlich wirksamen Selbstanzeigen Gegenstand der Betrachtung, so ist zutreffend, dass zu einem sehr späten Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren wahrscheinlich nur noch sehr wenige, wenn nicht sogar keine wirksamen Selbstanzeigen mehr auftreten können. Das war der Hintergrund der Aussage in der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 348.
Setzt man die Zahl der Selbstanzeigen ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Anleger auf einem Datenträger, so fällt dieser Anteil eher gering aus. Betrachtet man dagegen die Zahl der Selbstanzeigen nur im Rahmen der bereits abgeschlossenen Ermittlungsverfahren, so wird dieser Anteil eher hoch ausfallen. In der Praxis werden Fälle, die schnell und problemlos erledigt werden können, wie insbesondere Verfahrenseinstellungen infolge einer wirksamen Selbstanzeige oder Verjährung, oft vorgezogen. Ihr Anteil an den zu prüfenden Fällen ist daher in einem frühen Stadium der Auswertung regelmäßig besonders hoch.
Belastbares Zahlenmaterial zu Selbstanzeigen aus anderen Bundesländern liegt dem Finanzministerium nicht vor, so dass eine abschließende und zutreffende Aussage zur Zahl der Selbstanzeigen der Personen, deren Daten auf einem Datenträger enthalten sind, nicht getätigt werden kann.
2. Wenn der Finanzminister mehr als die Hälfte der Datensätze auf den Steuer-CDs als „werthaltig“ ansieht, zugleich jedoch die große Mehrzahl der Verfahren gegen Anleger, deren Daten sich auf den Steuer-CDs befinden, ohne Strafen oder Auflagen eingestellt wurden, und es weiterhin laut Antwort auf die Kleine Anfrage nur wenige bis gar keine Selbstanzeigen von Anlegern auf den Steuer-CDs gab – was versteht der Finanzminister dann genau unter werthaltigen Datensätzen? Nennen Sie abschließend alle Arten von Werthaltigkeit dieser Datensätze.
Die Werthaltigkeit von Datenträgern ist vorrangig im Zeitpunkt des Ankaufs zu beurteilen. Es ist also stets eine ex ante - Betrachtung erforderlich, die dann letztlich für die Kaufentscheidung der Landesregierung die Grundlage bildet. Die nachträgliche – insbesondere strafrechtliche – Auswertung spielt für die Beurteilung der Werthaltigkeit der Datenangebote nur eine nachgeordnete Rolle. Im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse sind vorab anhand von Stichproben und im Wege einer vorsichtigen Schätzung der geforderte Kaufpreis und mögliche Steuermehreinnahmen gegenüberzustellen. Nach den hier vorliegenden Erkenntnissen war in allen Ankaufsfällen nach Auswertung der Stichproben regelmäßig ein Vielfaches des Kaufpreises an reinen Steuermehreinnahmen zu erwarten. Diese Erwartung hat sich bisher regelmäßig bestätigt.
Im Rahmen einer Kaufentscheidung ist insbesondere auch die Authentizität der Datensätze maßgeblich. Neben der Echtheit der Daten (Übereinstimmung von Namen, Wohnort, Depot- oder Kontonummer usw.) und der nachgewiesenen Existenz der Anleger wird auf einem Datenträger fast immer eine Anzahl von Anlegern vorhanden sein, die ihre Kundenbeziehung zur Schweiz ordnungsgemäß erklärt haben. Gegen diese wird dann aber auch schon kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist das Vorliegen eines Anfangsverdachts (§ 152 Absatz 2 StPO). Es müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Daher wird lediglich in den noch übrig bleibenden Fällen, in denen beispielsweise der Anleger nicht bekannt ist, bereits eine Selbstanzeige vorliegt oder sonst der Verdacht besteht, dass Kundenbeziehungen nicht mitgeteilt und Einkünfte nicht oder nicht vollständig erklärt wurden, dem Anfangsverdacht im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens weiter nachgegangen. Weitere Einzelheiten können aus den in den Vorbemerkungen genannten Gründen nicht dargestellt werden.
Unter „Werthaltigkeit der Datensätze" ist aber auch jede unmittelbare oder mittelbare Folge steuerlicher oder strafrechtlicher Art nach abgeschlossener Auswertung des jeweiligen Datenträgers zu verstehen.
Ergebnis eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens kann entweder eine strafrechtliche Sanktion (Geld- oder Freiheitsstrafe, im weiteren Sinne auch Verbandsgeldbuße gegen beteiligte Banken) oder eine Einstellung sein. Selbst die Einstellung des Verfahrens besagt aber nicht zugleich, dass die betreffenden Personen ihren steuerlichen Pflichten nachgekommen sind. Das zeigt sich insbesondere bei Einstellungen gem. § 153 (Einstellung wegen Geringfügigkeit) oder § 153a (Einstellung nach Erfüllung von Auflagen) StPO.
Die in der Kleinen Anfrage 348 dargelegten Zahlen belegen die Werthaltigkeit der Ankäufe. Danach beträgt das steuerliche Mehraufkommen aus der Auswertung von Datenträgern und der hiermit zusammenhängenden Selbstanzeigen inzwischen mehr als 420 Mio. Euro.
3. Warum war es nicht möglich, die in der Pressemitteilung dargestellten Zahlen der Werthaltigkeit schon in der Antwort auf meine Kleine Anfrage zu geben, obgleich ich genau nach solchen Zahlen gefragt habe?
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern in der Pressemitteilung und der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 348 abweichende Zahlen genannt wurden. Die konkrete Zahl der Selbstanzeigen von Personen, die auf dem Datenträger verzeichnet waren, ist hier nicht bekannt, da eine Statistik über diese Selbstanzeigen dem Finanzministerium nicht vorliegt. Die Zahl der Selbstanzeigen insgesamt wurde bereits benannt.
4. Wie viele der zum Beantwortungszeitpunkt meiner Kleinen Anfrage 348 bereits abgeschlossen Verfahren waren durch das Finanzministerium als „werthaltig“ eingestuft?
Differenzieren Sie diese Zahlen vollständig nach Art der Werthaltigkeit: Strafen, Auflagen, Selbstanzeigen etc. Nennen Sie die exakten Zahlen.
Die dem Finanzministerium vorliegenden Zahlen zu Strafen, Auflagen, Selbstanzeigen etc. wurden bereits unter Nr. 4 der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 348 aufgeführt, sodass sich eine Wiederholung derselben erübrigt. Sie sind nach der bereits oben aufgezeigten Definition von Werthaltigkeit für deren Einschätzung nicht relevant, da vorrangig auf den Zeitpunkt der Ankaufentscheidung abzustellen ist (s.o.). Danach konnten nahezu sämtliche Datensätze als werthaltig angesehen werden (vgl. Antwort Nr. 2). Andernfalls wäre ein Ankauf nicht erfolgt.
5. Wie viele Selbstanzeigen wurden tatsächlich zum Beantwortungszeitpunkt meiner Kleinen Anfrage 348 von Personen abgegeben, die auf der Steuer-CD verzeichnet waren?
Differenzieren Sie diese Zahlen danach, ob die Selbstanzeigen jeweils zur Verfahrenseinstellungen (nach § 170 Abs. 2) führten oder nicht. Nennen Sie die exakten Zahlen. Zahlen zu Selbstanzeigen von Personen, die nicht auf den Steuer-CDs enthalten sind, sind nicht ge-fragt. Wenn Sie keine Anhaltspunkte haben für Selbstanzeigen von Personen, deren Daten auf den Steuer-CDs enthalten sind, so stellen Sie dies heraus.
Eine Statistik über die Zahl der Selbstanzeigen von Personen, die auf dem Datenträger verzeichnet waren, liegt dem Finanzministerium nicht vor. Die Zahl der Selbstanzeigen insgesamt wurde bereits benannt.