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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/13146

 

10.10.2016

 

 

 

 

Antwort

 

der Landesregierung

auf die Kleine Anfrage 5123 vom 12. September 2016

des Abgeordneten Daniel Schwerd   FRAKTIONSLOS

Drucksache 16/12907

 

 

 

Messer und Kühnengruß auf Dortmunder Demonstration: Polizei auf dem rechten Auge blind?

 

 

 

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

 

Bilder vom Protest gegen die Nazikundgebung am 02. September 2016 in Dortmund dokumentieren, wie Benjamin G., eine Person aus dem Umfeld der Dortmunder Neonazi-Szene, mit einem Messer herumhantiert und den sog. „Kühnengruß“ zeigt. Beides geschah, wie die Aufnahmen nachweisen, in unmittelbarer Nähe und unter den Augen von Beamten der 3. Bereitschaftspolizeihundertschaft aus Dortmund, die jedoch von einer Strafverfolgung vor Ort absahen. [1]

 

G. habe während eines Wortgefechts mit Aktivisten der Antifa im Bereich der U-Bahnhaltestelle Brunnenstraße ein Butterfly-Messer aus seiner Hosentasche gezogen, es geöffnet und damit gedroht. Sowohl die Klinge als auch die für das Öffnen typische Handbewegung seien auf einem Video deutlich zu erkennen, so wird berichtet. Im weiteren Verlauf zeigte G. den sogenannten “Kühnengruß”, eine an den Hitlergruß angelehnte Erkennungsgeste der verbotenen ehemaligen Neonazigruppierung ANS/NA.

 

Die laxe Haltung der Polizei Dortmund angesichts einer gefährlichen Situation mit einem Messer sowie dem Zeigen einer Erkennungsgeste einer verbotenen Organisation wirft Fragen auf.

 

 

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 5123 mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 namens der Landesregierung beantwortet.

 

 

 

Vorbemerkung der Landesregierung

 

Für den 02.09.2016, 19.30 Uhr bis 22.00 Uhr, wurde durch die Partei „Die Rechte“ eine Versammlung in der Dortmunder Innenstadt in Form einer Mahnwache zum Thema „Sicherheit, Recht und Ordnung im Dortmunder Norden - Ghettoisierung stoppen!“ mit durch den Veranstalter erwarteter Beteiligung von bis zu 50 Personen angemeldet. Die Versammlung fand im Zeitraum 19.40 Uhr bis 20.40 Uhr auflagenkonform mit 70 Teilnehmern statt. Gegen zwei Versammlungsteilnehmer wurden Strafanzeigen wegen jeweiligen Verstößen gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und § 130 StGB (Volksverhetzung) gefertigt. Entsprechende gefahrenabwehrende Maßnahmen wurden in beiden Fällen veranlasst.

Im Bereich des Versammlungsortes fanden sich im Verlauf der Mahnwache ca. 150 Angehörige des linken Spektrums ein. Nach Beendigung der Versammlung kam es aus dieser Gruppierung zu folgenlosen Flaschen-, Stein- und Pyrotechnikwürfen in Richtung der ehemaligen Versammlungsteilnehmer und der polizeilichen Einsatzkräfte. Gegen diese Personengruppe wurden Strafverfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, versuchter Sachbeschädigung, Verstößen gegen das Sprengstoff- bzw. Versammlungsgesetz (u. a. wegen Vermummung) eingeleitet. Die Ermittlungen dauern an.

 

 

1.      Warum wurde in der Demonstration nicht gegen G. eingegriffen, als er das Messer zog bzw. den Erkennungsgruß einer verbotenen Neonazi-Organisation zeigte?

 

Durch die eingesetzten Beamten wurde abgesetzt von der Versammlung im Bereich der Bornstraße eine drohende Auseinandersetzung zwischen dem G. und einer 20- bis 30-köpfigen Gruppe von Angehörigen des linken Spektrums festgestellt. Spätere Ermittlungen ergaben, dass G. sich auf dem Weg zu seiner Wohnanschrift befand und keine Absicht hatte, an der dargestellten Versammlung der Partei „Die Rechte“ teilzunehmen.

Die Gruppe bewegte sich verbal provozierend in die Richtung des G. und einer weiblichen Begleitperson, wobei ein Teil sich vermummte bzw. Handschuhe anzog. Die Personengruppe konnte durch die eingesetzten Kräfte auf Distanz gehalten werden. In dieser Phase zog G. ein Taschenmesser aus der Hosentasche, das er ausgeklappt am ausgestreckten Arm neben seinem Oberschenkel hielt. Drohbewegungen in Richtung der Gruppe wurden nicht unternommen. Durch die eingesetzten Beamten wurde der G. aufgefordert, das Messer fallen zu lassen. Seine Begleiterin reagierte jedoch unmittelbar, nahm das Messer an sich und steckte es in ihre Tasche. Das Messer wurde durch die Einsatzkräfte in Augenschein genommen und es wurde festgestellt, dass es sich nicht um einen verbotenen Gegenstand nach dem Waffengesetz handelte. Aufgrund der aufgeheizten Stimmung wurde der G. zur Deeskalation der Situation aufgefordert, die nahegelegene U-Bahn-Anlage „Brunnenstraße“ zu betreten und sich damit aus dem Sichtbereich der Angehörigen des linken Spektrums zu bewegen. Dort erfolgte eine Identitätsfeststellung. Das Zeigen des „Kühnengrußes“ wurde durch die Einsatzkräfte in der Einsatzsituation nicht wahrgenommen. Im Rahmen der Auswertung des zum Zwecke der Beweissicherung gefertigten Bildmaterials wurde die Handlung des G. jedoch erkannt und am 05.09.2016 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

 

 

2.      Welche Strafanzeigen bzw. strafrechtlichen Ermittlungen gibt es in Folge der Neonazi-Demonstration am 02. September 2016 in Dortmund?

 

Siehe Vorbemerkungen und Antwort zu Frage 1.

 

 

3.      Welche Informationen über das Mitführen und Hervorholen von Waffen sowie über das Zeigen von Erkennungszeichen verbotener Organisationen auf der genannten Neonazi-Demonstration liegen derzeit vor?

 

Siehe Vorbemerkungen und Antwort zu Frage 1.

 

 

4.      Welche Anweisungen haben Polizeibeamte, wie sie damit umgehen sollen, wenn auf Demonstrationen Messer mitgeführt oder hervorgeholt werden, bzw. wenn Erkennungszeichen verbotener Organisationen gezeigt werden? Gehen Sie darauf ein, in welchen Fällen ein sofortiges Einschreiten vorgenommen werden soll.

 

Polizeibeamtinnen und -beamte haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Die Entscheidung, wann bzw. welche Maßnahmen Polizeibeamte im Rahmen der Strafverfolgung treffen, unterliegt auch einsatztaktischen Erwägungen. Der Zeitpunkt des Einschreitens hängt unter anderem von der Geeignetheit, den Erfolgsaussichten und der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Maßnahme ab. Aspekte der Gefahrenabwehr können dabei einen temporären Vorrang vor der Strafverfolgung begründen.

Im Rahmen der Gefahrenabwehr erfolgen Einsatzmaßnahmen im Rahmen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Handlungsleitend für das Einschreiten sind dabei auch der Gefahrengrad bzw. die Schwere des abzuwehrenden Schadens.

 

Im dargestellten Einsatzverlauf haben die eingesetzten Beamtinnen und Beamten im Zusammenhang mit dem Vorfall mit dem Beschuldigten G. unmittelbar die erforderlichen gefahrenabwehrenden Maßnahmen getroffen. Die Gefahrensituation wurde bereinigt. Diesbezüglich verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.

 

 

5.      Welcher Eindruck wird in der Öffentlichkeit erweckt, wenn auf Nazi-Demonstrationen unter den Augen von Polizeibeamten Waffen gezogen, Erkennungsgrüße verbotener Organisationen gezeigt oder andere erkennbare Straftaten begangen werden, ohne dass die anwesende Polizei dagegen einschreitet? Gehen sie darauf ein, inwieweit dann der Eindruck erweckt wird, die Polizei sei auf dem rechten Auge blind.

 

Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen gewährleistet die verfassungsmäßigen Rechte auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung ohne Ansehen der Person oder der politischen Grundausrichtung. In gleichem Maße erfolgt die Verfolgung von Straftaten konsequent und unabhängig davon, welcher politischen Strömung ein Straftäter angehört.

 

 



[1] https://aa170.noblogs.org/post/2016/09/04/nachtrag-auf-dem-rechten-auge-blind/


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