LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/13063 |
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29.09.2016 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 5083 vom 29. August 2016
des Abgeordneten Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS
Ausbeutung von EU-Zuwanderern und organisierter Sozialbetrug in großem Stil auch in NRW?
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
„Wenn du mich einmal betrügst - deine Schande. Wenn du mich zweimal betrügst - meine Schande.“ - Sprichwörtliche Weisheit
In Bremerhaven wurde kürzlich ein offenbar gewerbsmäßig organisierter Betrug im Rahmen des Bezugs von staatlichen Sozialleitungen in großem Ausmaß öffentlich, der zwischen 2013 und 2016 nach Schätzungen von Experten einem Schaden von etwa 60 bis 90 Millionen Euro angerichtet haben soll.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt aktuell gegen zwei Vereine in Bremerhaven, die „Agentur für Beschäftigung und Integration e.V.“ sowie die „Gesellschaft für Familie und Gender Mainstreaming e.V.“, die vorgaben, sich um Integration zu kümmern.
In Wirklichkeit hingegen sollen Vereinsmitarbeiter Zuwanderer aus osteuropäischen EU-Staaten nach Bremerhaven geschleust und ihnen fingierte Verträge über Minijobs ausgestellt haben. Minijobber können aufstockende Sozialleistungen vom Jobcenter erhalten. Ein Teil der gezahlten Leistungen landete daraufhin offenbar auf dem Konto der Vereine. Die Zuwanderer wurden teils nur zum Schein beschäftigt, teils mussten sie weit unter Mindestlohn gesundheitsgefährdende Arbeiten verrichten.
Viele Hintergründe zu diesem offenbar systematischen Betrugsfall sind noch strafrechtlich wie auch parlamentarisch zu klären. Zu diesem Zweck soll im Bremer Senat ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt werden.
„Wir sind nicht die einzige Stadt, die betroffen ist“, erklärt der Bremerhavener Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) in einem Interview mit Radio Bremen. „Es sind unter anderem auch Dortmund und Duisburg hier eindeutig zu benennen.“ Er hat demnach also Kenntnis von entsprechenden Fällen in Nordrhein-Westfalen.
Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 5083 mit Schreiben vom 28. September 2016 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Justizminister beantwortet.
1. Welche verwertbaren Informationen liegen der Landesregierung über vergleichbare Fälle des Sozialbetrugs in Nordrhein-Westfalen vor, insbesondere solche in den Städten Dortmund und Duisburg?
Geben Sie auch an, ob und inwieweit bei den Fällen die EU-Migrantinnen und –Migranten dazu veranlasst wurden, Teile ihrer Sozialleistungen an die Organisationen abzuführen.
Vergleichbare Fälle des Sozialbetrugs sind Gegenstand mehrerer laufender Ermittlungsverfahren. Um den Erfolg der Ermittlungen nicht zu gefährden, wird von weiteren Darlegungen abgesehen.
Ansonsten wird hinsichtlich der Beantwortung der Frage 1 auf den aus-führlichen Bericht der Landesregierung vom 23. Mai 2016 (Vorlage 16/3939) verwiesen.
2. Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand in Nordrhein-Westfalen?
Bitte nennen Sie jede einzelne Maßnahme der Ermittlung bzw. Überprüfung, sowie Größenordnungen der ermittelten Fälle (Schadenssummen, Anzahl der ausgebeuteten Personen).
Die nachgefragten Daten werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht spezifisch ausgewiesen. Alleine für das erste Halbjahr 2016 wurden über 1000 Fälle des Sozialleistungsbetrugs erfasst. Eine – bezogen auf die Fragestellung - manuelle Auswertung einer solchen Vielzahl von Ermittlungsvorgängen ist in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
3. In welchen Fällen ist es zur Aufnahme von strafrechtlichen Verfahren gekommen?
Nennen Sie für jeden Fall Datum, Ort, Aktenzeichen und Strafvorwurf.
In dem Verfahren 712 Js 169/15 (Staatsanwaltschaft Duisburg) hat das Amtsgericht Duisburg zwei Angeklagte am 17. Mai 2016 rechtskräftig wegen Einkommenssteuerhinterziehung in neun beziehungsweise drei Fällen verurteilt. Weitere Verurteilungen in vergleichbaren Fällen sind nicht bekannt geworden.
4. Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung vergleichbare Betrugsdelikte in Nordrhein-Westfalen ausschließen?
Geben Sie auch an, inwieweit es eine Zusammenarbeit und Austausch von NRW-Jobcentern oder dem Arbeitsministerium mit anderen möglicherweise betroffenen Jobcentern in der Sache gab.
Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 4 wird auf den ausführlichen Bericht der Landesregierung vom 23. Mai 2016 (Vorlage 16/3939) verwiesen.
5. Sind nach Ansicht der Landesregierung gesetzliche Veränderungen notwendig, um einen derartigen Betrug zu-lasten der Sozialkassen zukünftig zu vermeiden?
Derzeit sind keine gesetzlichen Änderungen vorgesehen.