LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/12054 |
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23.05.2016 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 4706 vom 25. April 2016
des Abgeordneten Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS
Wie ist der Stand des Einsatzes von „Vertrauenspersonen“ in NRW?
Wortlaut der Kleinen Anfrage
„Was nicht sein kann, ist, dass wir Berufskriminelle als V-Leute einsetzen, die womöglich auch noch selber im großen Stil Straftaten begehen oder sich quasi ihren Lebensunterhalt von der V-Leute-Tätigkeit bestreiten.“
Boris Pistorius (SPD), Innenminister von Niedersachsen“
V-Personen, für „Vertrauenspersonen“ oder auch „Verbindungspersonen“ werden von Geheim- und Nachrichtendiensten, Ämtern, Polizeibehörden oder dem Zoll eingesetzt, um verdeckte Ermittlungen zu führen und Informationen aus geschützten Szenen zu sammeln und weiterzugeben. Sie sind selbst nicht Angehörige dieser Ämter, sondern werden aus den jeweiligen Szenen selbst rekrutiert oder darin eingeschleust und mit Geld- oder Sachleistungen bezahlt.
Die Bezahlung kommt indirekt oftmals genau der Szene zugute, die damit beobachtet wird. Indirekt beteiligt sich der Staat damit an Kriminalität oder Terrorismus. So waren manche V-Leute eher Spitzel bei der führenden Behörde für kriminelle Organisationen als umgekehrt. Ob man „Vertrauenspersonen“ wirklich vertrauen sollte, darf bezweifelt werden.
Diese Anfrage soll den Ist-Zustand der V-Personen-Führung in NRW beleuchten.
Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4706 mit Schreiben vom 20. Mai 2016 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkungen der Landesregierung
Der Einsatz von Vertrauenspersonen durch Polizei und Verfassungs-schutz ist durch Gesetze legitimiert und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte anerkannt.
In NRW sind Führung und Einsatz von Vertrauenspersonen der Polizei Aufgaben aller Kreispolizeibehörden und des Landeskriminalamts. Zudem führt der Verfassungsschutz Vertrauenspersonen.
Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Vertrauenspersonen der Polizei NRW sind § 163 Strafprozessordnung (Strafverfolgung) und § 19 Polizeigesetz NRW (Gefahrenabwehr). Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes NRW werden auf Grundlage der §§ 5 und 7 Verfassungsschutzgesetz NRW geführt.
Vertrauenspersonen der nordrhein-westfälischen Polizeibehörden dürfen keine Straftaten begehen. Sie durften es auch in der Vergangenheit nicht. Vielmehr werden in Ermittlungsverfahren eingesetzte Vertrauenspersonen vor jeder Zusicherung der Geheimhaltung ihrer Identität ausdrücklich darüber belehrt, dass sie keine Straftaten begehen dürfen. Die Bindung an die Zusicherung der Geheimhaltung der Identität entfällt grundsätzlich, wenn sich eine strafbare Tatbeteiligung der Vertrauensperson herausstellt oder sie sich bei der Tätigkeit für die Strafverfolgungsbehörden strafbar macht. Das Legalitätsprinzip gilt insoweit also uneingeschränkt.
Für Vertrauenspersonen der Verfassungsschutzbehörde NRW besteht ebenfalls keine individuelle Zusicherung von Straffreiheit. Zulässig ist, dass sich Vertrauenspersonen gemäß § 7 Absatz 3 Verfassungsschutzgesetz NRW als Mitglieder an Vereinigungen beteiligen, auch wenn Zweck oder Tätigkeit der Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.
Zur Führung und zum Einsatz von Vertrauenspersonen wurden länderübergreifend Regelungen getroffen, die eine in Grundzügen einheitliche Vorgehensweise gewährleisten. Dokumente zur Führung und zum Einsatz von Vertrauenspersonen sind nahezu ausschließlich geheimhaltungsbedürftig und als Verschlusssachen mit den Geheimhaltungsgraden VS - VERTRAULICH bzw. VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft. Informationen zu Vertrauenspersonen sind zudem schutzwürdige Daten im Sinne von § 96 Strafprozessordnung und § 99 Verwaltungsgerichtsordnung sowie § 19 Verfassungsschutzgesetz NRW. In diesem Kontext werden zur Abwehr von Gefahren für eine effektive Bekämpfung der Schwerkriminalität sowie zum Schutz für Leib und Leben von Vertrauenspersonen durch das Ministerium für Inneres und Kommunales regelmäßig Sperrerklärungen abgegeben.
Aus den dargestellten Gründen ist eine umfassende Beantwortung der - im Weiteren auch zu veröffentlichenden - Kleinen Anfrage nicht möglich.
Ausführungen zu Teilaspekten der Kleinen Anfrage zu den von der Polizei geführten Vertrauenspersonen sind im nicht-öffentlichen Teil einer Sitzung des Innenausschusses grundsätzlich möglich, soweit hierdurch keine Gefahren für eine effektive Bekämpfung der Schwerkriminalität sowie von Leib und Leben von Vertrauenspersonen und ggf. weiteren Personen begründet werden.
Informationen zu den beim Verfassungsschutz NRW geführten Vertrauenspersonen werden regelmäßig (nahezu monatlich) im Parlamentarischen Kontrollgremium des nordrhein-westfälischen Landtags gegeben.
1. Welche Landesbehörden NRWs führen oder führten V-Personen? Geben Sie die jeweilige Behörde an, sowie die Zahlen geführter V-Personen pro Behörde, gestaffelt nach Jahren von 2010 bis heute.
Siehe Vorbemerkungen.
2. Welche V-Personen werden oder wurden außerhalb NRWs, also in anderen Bundesländern oder im Ausland eingesetzt? Nennen Sie für jeden einzelnen Fall die führende Behörde, Zeitraum und Einsatzland.
Siehe Vorbemerkungen.
3. Auf welchen Rechtsgrundlagen basieren diese Führungen? Geben Sie die jeweiligen Rechtsgrundlagen für jede Behörde gesondert an, und nennen Sie auch die Rechtsgrundlagen für die Einsätze außerhalb NRWs.
Siehe Vorbemerkungen.
4. Welche Honorare (Geldleistungen, Sachleistungen oder Vorteile jeglicher Art) sind an die V-Personen jeweils geflossen? Nennen Sie die Gesamtleistungen pro führender Behörde und pro Jahr, beginnend mit 2010 bis heute.
Siehe Vorbemerkungen.
5. Welche Verordnungen, Anweisungen, Richtlinien, Grundsätze oder Regelungen zur Bezahlung von V-Personen (Geld-, Sachleistungen oder Vorteile jeglicher Art) bestehen oder bestanden bei den Behörden NRWs? Geben Sie jede einzelne Regelung an.
Siehe Vorbemerkungen.