LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/11439 |
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08.03.2016 |
Kleine Anfrage 4544
des Abgeordneten Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS
Umgang mit der NS-Vergangenheit im Landtag
„Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird. Das stellt große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit.“ Richard v. Weizsäcker zum 08. Mai 1985
Im Jahre 2009 förderte die Studie eines Historikers mit dem Titel „60 Jahre Landtag: Das vergessene braune Erbe“ zutage, dass nach 1945 entgegen den Angaben des biografischen Handbuchs des Landtages über vierzig Abgeordnete von CDU und FDP ihre Nazivergangenheit verschwiegen hatten, die teils noch bis zur Mitte der achtziger Jahre dem Landtag abgehörten.
Der vom fraktionslosen Abgeordneten Rüdiger Sagel (Drucksache 14/10012) eingebrachte Antrag zur Einrichtung einer historischen Kommission zur Überprüfung der NS-Vergangenheit der Abgeordneten aller Fraktionen wurde am 4. November 2009 mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP im Landtag von NRW zunächst abgelehnt.
2011 nahm sich der Nordrhein-westfälische Landtag auf Initiative der Fraktion DIE LINKE der offenkundig gewordenen Defizite in der historischen Aufarbeitung die NS-Vergangenheit der Abgeordneten der ersten Wahlperioden nach 1945 an. Das Landtagspräsidium fasste den Beschluss, ein Projekt mit dem Arbeitstitel „Personal des demokratischen Neuanfangs: Die Abgeordneten des Landtags Nordrhein-Westfalen von 1946 bis 1954“ in Auftrag zu geben.
Als der Fraktion DIE LINKE der Wiedereinzug in den Landtag im Mai 2012 misslang, beschloss das Präsidium des Landtages in seiner Sitzung am 4. September 2012, ohne die Öffentlichkeit zu informieren, den bis dahin nicht weiter umgesetzten Beschluss wieder zu revidieren und das Vorhaben „aus Kostengründen“ fallen zu lassen.
Stattdessen wurde entschieden, zumindest eine Material- und Nachweissammlung unter der Leitung der Landtagsverwaltung aufzubauen, wobei die erhobenen Daten in die bestehende Abgeordnetendatenbank integriert werden sollten.
Doch auch dieser Beschluss konnte nach Angaben der Verwaltung bis heute wegen „anderweitiger prioritärer Aufgaben“ nicht realisiert worden.
Im deutlichen Gegensatz zur Verzögerung auf Landesebene im Landtag von Nordrhein-Westfalen, sich der Frage der personellen Kontinuitäten der NS-Vergangenheit zu stellen, wurde das Thema auf Bundesebene wirksamer in Angriff genommen.
Im Jahre 2005 wurde für das Auswärtige Amt eine Historikerkommission eingesetzt, dessen fünf Jahre später vorgelegter Bericht im Ministerium erhebliche personelle Kontinuitätslinien über den Systembruch 1945 feststellte.
Unter dem Eindruck dieser Erkenntnisse beschlossen das Bundesjustiz- als auch das Bundesinnenministerium jeweils eigene Historikerkommissionen mit dem Auftrag einzurichten, die personelle Zusammensetzung, mögliche Kontinuität und den Einfluss von NS-Mitgliedern auf nach 1945 getroffene Entscheidungen und Gesetze zu untersuchen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Für wie bedeutsam hält die Landesregierung eine sachgerechte historische Erinnerungskultur in NRW in Bezug auf die NS-Epoche und deren personellen Kontinuitäten nach Kriegsende in den Institutionen des Staates und der öffentlichen Verwaltung?
2. Welche Untersuchungen, Aufarbeitungen und Erinnerungskultureinrichtungen bezüglich personeller Kontinuitäten aus der NS-Epoche nach Kriegsende liegen für die Landesregierung und deren Ministerien und obersten Landesbehörden vor?
3. Welche Bedeutung hat die Aufarbeitung von und Erinnerung an personelle Kontinuitäten aus der NS-Zeit in der Legislative des Landes NRW, insbesondere bezogen auf Einflussnahme auf Entscheidungen und Gesetzgebung?
4. Welche Einflüsse auf Entscheidungen und Gesetzgebung der Nachkriegszeit durch solche personellen Kontinuitäten sind der Landesregierung bekannt?
5. Welche Untersuchungen, Aufarbeitungen und Erinnerungskultureinrichtungen bezüglich personeller Kontinuitäten aus der NS-Epoche nach Kriegsende und deren Einflüsse auf Entscheidungen und die Gesetzgebung plant die Landesregierung?
Daniel Schwerd