LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
|
Drucksache 16/10370 |
|
02.12.2015 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 4021 vom 28. Oktober 2015
der Abgeordneten Birgit Rydlewski, Torsten Sommer PIRATEN und
Daniel Schwerd FRAKTIONSLOS
Speicherungen in Dateien zur „Politisch motivierten Kriminalität links“
Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 4021 mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Das BKA führt seit 2011 die Zentraldatei „Politisch motivierte Kriminalität links — Zentralstelle“ (PMK-links Z). Diese Datei wird in großen Teilen durch Meldungen aus den Bundesländern befüllt. Laut Angaben der Bundesregierung dient die Datei zur Bekämpfung der politisch links motivierten Kriminalität, indem sie das Erkennen von relevanten Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Objekten und Sachen sowie von Verflechtungen bzw. Zusammenhängen zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Objekten und Sachen ermöglicht. Laut Bundestags-Drucksache 17/8530 werden in der Datei aber auch Kontakt- oder Begleitpersonen gespeichert. Die Speicherpraxis wurde vom ehemaligen Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) in einem Kontrollbericht scharf gerügt. Die daraufhin erfolgte Überprüfung führte dazu, dass ca. 90 Prozent der erfassten Bestände gelöscht werden mussten.
Auch in anderen Sicherheits-Dateien in Deutschland kam es zu massenhaften Fehlspeicherungen. So mussten letztes Jahr nach einer Überprüfung 21 Prozent der Speicherungen beim niedersächsischen Verfassungsschutz gelöscht werden – darunter befanden sich auch viele „linke“ Demoteilnehmer/innen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden danach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
· den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten,
· sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
· durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
· gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungs-zusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
1. In welchen Dateien, Datenbanken, Sammlungen usw. speichern nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden Personendaten zur Bekämpfung der politisch links motivierten Kriminalität?
Seitens der nordrhein-westfälischen Polizei werden Personendaten, unter anderem jene zur Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität-Links (PMK-Links), in folgenden Anwendungen gespeichert:
a. Integrationsverfahren Polizei (IGVP),
b. Landesfalldatenbank -Fallinformationen durchsuchen mit System (FINDUS),
c. Informationssystem der Deutschen Polizei (INPOL)
· INPOL-Fall Innere Sicherheit (IFIS),
d. Polizeiliches Auskunftssystem NRW (POLAS),
· Gewalttäterdatei Links
· Personengebundene Hinweise (PHW)
e. CASE NRW - Datenbank zur Ermittlungsunterstützung
Zu a)
Speicherungen im IGVP erfolgen durch die örtlich zuständigen Kreispolizeibehörden. Es handelt sich um ein Vorgangsverwaltungs-system für alle polizeilichen Vorgänge. Die Inhalte gehen über den Bereich der PMK weit hinaus. Eine phänomenbezogene Recherche und Zuordnung von Personendaten in Bezug auf PMK-Links (oder anderen Phänomenbereichen der PMK) im IGVP ist nicht möglich.
Zu b)
Daten aus IGVP werden automatisiert in die FINDUS-Datenbank übertragen. Sofern für die weitere Bearbeitung die Zuständigkeit einer Kriminalinspektion Staatsschutz (KI ST) besteht, erfolgt hier gegebenenfalls eine Zuordnung zum Phänomenbereich PMK-Links.
Zu c)
In INPOL werden Personendaten zur Bekämpfung der PMK-Links in der INPOL-Falldatei IFIS gespeichert, sofern die rechtlichen Voraus-setzungen vorliegen.
Zu d)
In POLAS können Personendaten in der Gewalttäterdatei Links gespeichert und der personengebundene Hinweis „Straftäter linksmotiviert“ abgebildet werden, sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.
Zu e)
In einigen Ermittlungs- und/oder Auswerteverfahren im Bereich PMK-L nutzt die Polizei NRW die Unterstützungssoftware CASE NRW. Diese einzelnen Verfahren sind zum Teil auf einem Landesmandanten abgelegt, zum Teil in lokalen Mandanten der jeweiligen Behörden. Hinsichtlich der jeweiligen Voraussetzungen für die Speicherungen verweise ich auf die Antworten zu Frage 3.
2. Zu wie vielen Personen gibt es derzeit Eintragungen in den in Frage 1 abgefragten Dateien, Datenbanken oder Sammlungen usw.? (Bitte aufschlüsseln).
Für den Bereich PMK-Links NRW sind in der Anwendung IFIS derzeit 4.118 Personen erfasst (Stichtag 06.11.2015). Für die Anwendungen FINDUS können keine Personenzahlen angegeben werden, da hier Datenredundanzen existieren. Die Datenerfassungen in FINDUS erfolgen pro Vorgang, so sind Mehrfacherfassungen einer Person durchaus in verschiedenen Vorgängen möglich. Dies gilt ebenso für IGVP, bei dem zudem die Ausführungen zur Frage 1 zu berück-sichtigen sind.
In der Gewalttäterdatei Links sind durch die nordrhein-westfälische
Polizei 57 Personen erfasst. 1.253 Personen haben den Hinweis „Straftäter linksmotiviert“ erhalten (Stichtag 06.11.2015).
In CASE NRW ist eine nur zahlenmäßige Erhebung der gespeicherten Personen aus dem Bereich PMK-Links nicht möglich.
3. Welche Anlässe führten zu Speicherungen in den in Frage 1 abgefragten Dateien, Datenbanken, Sammlungen usw. der nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden? (Bitte aufschlüsseln).
IGVP
Anlass zur Erfassung sind Straftaten, Verkehrsunfälle, Sachverhalte mit polizeilicher Bedeutung (z.B. Einsätze). Erfasst werden Beschuldigte, Verdächtige und weitere Betroffene wie beispielsweise Anzeigenerstat-ter bzw. Zeugen (mit jeweils unterschiedlichen Speicherungsfristen).
FINDUS
In FINDUS sind für alle Phänomenbereiche der PMK Straftaten im Sinne des Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität und Ver-dachtsmeldungen mit PMK-Bezug, wie z. B. Beobachtungs- und Fest-stellungsberichte, Grundlage für Speicherungen.
IFIS
Grundlage der Erfassung von Personendaten zur Bekämpfung der PMK-Links sind Straftaten im Sinne des Meldedienstes in Fällen Poli-tisch motivierter Kriminalität. Erfasst sind dabei Personen als Verdächti-ge und Beschuldigte, z. T. mit Hinweisen auf gegenseitige Kontakte.
Gewalttäterdatei Links in POLAS NRW
Aufnahme in die Gewalttäterdatei Links finden Beschuldigte, Verdächti-ge und rechtskräftig verurteilte Personen von Straftaten und Vorkomm-nissen im Sinne der Errichtungsanordnung „Gewalttäterdatei Links“.
PHW-Links in POLAS NRW
Die Vergabe des PHW „Straftäter linksmotiviert“ erfolgt nur bei Straftä-tern, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie eine Straftat aus politisch motivierten Beweggründen verübt haben.
CASE NRW
Bei CASE NRW LKA können u.a. Personen, Institutionen, Objekte, Gegenstände aber auch Ereignisse erfasst und über verschiedene Verknüpfungsarten miteinander sinnvoll verbunden werden. Personenbezogene Daten in Ermittlungsverfahren werden dort nur erfasst, wenn sie zuvor aus polizeirechtlichen oder strafprozessualen Maßnahmen rechtmäßig erhoben worden sind. Insofern gibt es eine Vielzahl von Speicherungsanlässen, die von den jeweiligen zu Grunde liegenden Verfahren abhängig sind.
4. Wie viele Personendaten wurden aus NRW in den Jahren 2012 bis 2015 an die PMK-links-Z übermittelt? (Bitte einzeln aufschlüsseln, nach Betroffenenkategorie, z.B. Beschuldigter, Verdächtiger, Hinweisgeber, Kontaktperson, Prüffälle und sonstige Personen).
Seit 2012 sind 2.999 Tatverdächtige (keine Echttäterzählung, Mehrfacherfassung möglich) einer Straftat aus dem Bereich der PMK – Links in NRW statistisch erfasst worden. Die Polizei NRW meldet im Rahmen des Informationsaustauschs in Staatsschutzangelegenheiten alle politisch motivierten Straftaten an das Bundeskriminalamt. Das BKA entscheidet nach eigener Maßgabe über die Einstellung gemeldeter PMK-Daten in die BKA-Amtsdatei PMK-Links-Z.
5. Welche Konsequenzen wurden aus den im Sachverhalt geschilderten Vorfällen im Bund und in NRW gezogen?
Die Speicherungen in den einzelnen Dateien unterliegen festgelegten Speicherungsfristen. Darüber hinaus erfolgt unabhängig vom Fristablauf eine unverzügliche Löschung der Daten, wenn die Voraussetzungen für die Speicherung entfallen sind.