LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/1033 |
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02.10.2012 |
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 347 vom 21. August 2012
des Abgeordneten Daniel Schwerd PIRATEN
Vernichtung von Akten zu NSU-Vorgängen
Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 347 mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet.
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Es ist bekanntgeworden, dass Ermittlungsbehörden verschiedener Bundesländer Akten terroristischer Vorgänge vernichtet haben, die erst später den Verbrechen der Terrorzelle „NSU“ zugeordnet werden konnten. Auch zu den Verbrechen in Nordrhein-Westfalen sind Akten vernichtet worden. So wurden z.B. Informationen zu dem Anschlag, der Dezember 2000 in Köln stattgefunden hat, offenbar auf Anordnung der Kölner Staatsanwaltschaft im Januar 2006 zerstört. Ein Spurenabgleich mit der DNA der der mutmaßlichen NSU-Terroristen war deswegen nicht mehr möglich.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Landesregierung ist kein Anschlag bekannt, der im Dezember 2000 in Köln stattfand. Insofern sich das Vorwort zu der Kleinen Anfrage 347 (Drucksache 16/648) auf den Sprengstoffanschlag am 19. Januar 2001 in der Probsteigasse in Köln bezieht, verweise ich auf die nachfolgenden Antworten.
1. Zu welchen Terroranschlägen wurden Akten, Daten oder Informationen vernichtet, die später der Terrorzelle "NSU" zugeordnet wurden? Bitte nennen Sie den einzelnen Vorgang, Art und Umfang der Informationen, Datum der Vernichtung sowie anweisende und ausführende Behörde.
Dem sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden nachfolgende Straftaten in Nordrhein-Westfalen zugeordnet:
· Sprengstoffanschlag am 19. Januar 2001 in einem iranischen Lebensmittelgeschäft, Probsteigasse, Köln
· Sprengstoffanschlag am 9. Juni 2004 vor einem Friseursalon, Keupstraße, Köln
· Mord am 4. April 2006 z. N. Mehmet Kubasik, Mallinckrodtstraße, Dortmund.
In allen Fällen hat der Generalbundesanwalt das Verfahren übernommen.
In dem Verfahren „Sprengstoffanschlag Probsteigasse“ (91 Js 147/01, zuvor 91 UJs 74/01, jeweils Staatsanwaltschaft Köln) wurden nach einem Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Köln aufgrund einer im Januar 2006 getroffenen Anordnung die Reste der am 19. Januar 2001 detonierten Bombe, deren Verpackung sowie Kleidungsstücke einer Geschädigten vernichtet, nachdem diese Gegenstände begutachtet, ausgewertet und fotografisch gesichert worden seien. Akten, Aktenbestandteile oder sonstige Schriftstücke seien nach den Auskünften der dazu befragten Dezernenten und Abteilungsleiter nicht vernichtet worden. Da der Generalbundesanwalt das Verfahren - ebenso wie das Verfahren "Sprengstoffanschlag Keupstraße" (121 UJs 160/04 Staatsanwaltschaft Köln) - und damit auch die Akten übernommen habe, seien ihm, dem Leitenden Oberstaatsanwalt, weitere Angaben nicht möglich.
2. Auf welcher rechtlichen Grundlage oder Verpflichtung bzw. aufgrund welcher Erfordernisse wurde die Vernichtung angeordnet bzw. vorgenommen? Bitte listen Sie sämtliche rechtlichen Grundlagen, Verpflichtungen und Erfordernisse mit der jeweils damit verbundenen Aufbewahrungsfrist bzw. Vernichtungsfrist auf.
Die Vernichtung der in der Antwort zu Frage 1 genannten Gegenstände erfolgte auf der Grundlage einer Hausverfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Köln vom 27. November 1991. Danach ist die Erforderlichkeit der Aufbewahrung von Asservaten einmal jährlich von dem Dezernenten oder der Dezernentin des Verfahrens zu prüfen.
Regeln für die Behandlung der in amtliches Gewahrsam gelangten Gegenstände bzw. Überführungsstücke finden sich daneben in den Nummern 74 ff. der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV), in der Gewahrsamssachenanweisung (AV d. JM vom 25. August 1981 (1454 - I B. 153) in der zuletzt geänderten Fassung vom 1. April 2000) und in § 9 der Aktenordnung Nordrhein-Westfalen. Konkrete Aufbewahrungsfristen enthält keine der vorgenannten Regelungen.
3. Welche Konsequenzen und Folgen haben diese Vernichtungen für die Ermittlungen in den NSU-Terroranschlägen?
Das angesprochene Verfahren ist gemäß §§ 142a, 120a des Gerichtsverfassungsgesetzes in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts übergegangen. Über dessen etwaige Bewertung liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.
4. Hält die Landesregierung die Aufbewahrungsfristen von Informationen, Daten und Akten terroristischer Taten für ausreichend?
Es sind keine Verfahren bekannt, in denen aufgrund der bestehenden Fristenregelung Ermittlungen gefährdet und/oder erschwert wurden. Vor diesem Hintergrund hält die Landesregierung die derzeitigen Bestimmungen für ausreichend.
5. Welche Pläne hat die Landesregierung, Daten, Informationen und Akten zu terroristischen Taten in Zukunft länger aufzubewahren?
Siehe Antwort zu Frage 4.