Am letzten Plenar-Donnerstag, dem 26. September 2013, protestierte der Frauenverband Courage e. V. vor dem Landtag in Düsseldorf. Rund 30 Frauen und Männer waren zum Landtag gezogen, um gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Verbands zu demonstrieren. Zu diesem Zweck wollten die Vertreterinnen des Verbands unserer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eine Liste mit Unterschriften gegen die Aberkennung sowie einige Dutzend Protesterklärungen übergeben.
Den Termin hatten die Damen der Landesregierung schon länger angekündigt; nur reagiert hatte bisher offenbar niemand. Jedenfalls erschien niemand, ganz besonders nicht Frau Kraft, um die Unterschriftensammlung entgegenzunehmen oder auch nur dem Anliegen des Vereins zu lauschen.
Der Hintergrund
Dem Frauenverband Courage e. V. wurde Ende 2012 vom Finanzamt Wuppertal mitgeteilt, dass ihm die Gemeinnützigkeit ab 2010 aberkannt werde, weil der Verein seit 2010 im NRW-Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Der Verdacht, der im Verfassungsschutzbericht geäußert wird, lautet: Der Verband sei eine Vorfeldorganisation der MLPD. Die Courage-Frauen selber betonen jedoch ihre politische Unabhängigkeit. Eine solche Aberkennung der Gemeinnützigkeit führt jedenfalls zu großen steuerlichen Nachteilen – der Verein wäre durch eine Aberkennung in seiner Existenz bedroht. Vor allem aber: Die beiläufige Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht ist aus juristischer Sicht keine ausreichende Grundlage zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Dies hat die Bundesregierung bereits mehrfach bestätigt. Die Landesregierung von NRW teilt diese Auffassung, wie eine Kleine Anfrage von Birgit Rydlewski und mir im Februar 2013 ergeben hat. Damit dem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt werden könnte, müsste der Verein in einem Verfassungsbericht schon eindeutig als extremistische Organisation eingestuft werden. Das wird er nicht – aus gutem Grund. Dennoch hat das Finanzamt Wuppertal darauf basierend Fakten geschaffen, und dagegen wehrt sich der Verband m.M.n. zurecht.
Zwei Vertreterinnen des Courage e. V. entschieden daraufhin, sich direkt im Landtag umzuschauen, Frau Ministerpräsidentin Kraft, oder alternativ unsere Emanzipations-Ministerin Steffens abzufangen und ihnen die Unterschriften quasi im Handstreich zu überreichen. Die Polizei am Eingang hatte allerdings etwas dagegen – wo kämen wir da hin, wenn der Souverän so mir nichts dir nichts sein Haus betreten könnte? Ich lud die beiden Damen spontan als meine Gäste in den Landtag ein, sehr zum Missfallen der beteiligten Polizei. Dabei wollten die beiden Frauen wirklich nur eines tun: Ihren berechtigten Protest über eine (meiner Meinung nach) rechtswidrige behördliche Maßnahme zum Ausdruck bringen und Protestunterschriften überreichen. Das wollte ich gerne unterstützen.
Da ich freilich nicht der richtige Empfänger für die Unterschriften war, fassten wir den Plan, einfach mal in der Staatskanzlei anzurufen und zu fragen, ob Frau Kraft nicht Zeit habe, die Unterschriften entgegenzunehmen. Immerhin war Plenartag – an solchen sind die Damen und Herren Minister (und -präsidentinnen) normalerweise im Haus.
Runde 1
Erster Anruf in der Telefonzentrale der Staatskanzlei: Ob man mich bitte mit dem Büro der Ministerpräsidentin verbinden könne? *Kurze Wartemelodie.* Und tatsächlich – das Vorzimmer von Frau Kraft ist am Apparat. (Das ging wirklich einfach – ich vermute mal stark, dass das damit zusammenhing, dass ich vom Landtag aus anrief.) Habe kurz unser Anliegen geschildert, am anderen Ende herrscht jedoch Ratlosigkeit: Man könne zu dem Fall nicht sagen, auch nichts zu den Unterschriften und überhaupt wäre es derzeit schwierig, mit Frau Kraft einen Termin zu machen. Aber Moment, man könne mich mit der persönlichen Referentin von Frau Kraft verbinden. *Diesmal längere Wartemelodie.* Dann die Referentin am Telefon: Ein wichtiges Thema! Man wisse nur, leider, gar nichts von einem geplanten Termin und zudem sei die Staatskanzlei auch nicht zuständig. Frau Kraft sei zudem gar nicht im Lande und ohnehin sei es mit Terminen in der Nach-Wahlkampfzeit sehr schwierig, das verstehe man doch sicherlich? In der Sache könne man im Moment gar keinen Termin machen. Ah, na dann, vielen Dank!
Runde 2
So leicht geben wir natürlich nicht auf. Also ein zweiter Anruf, diesmal beim Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. Frau Ministerin Steffens war als Ersatzempfängerin der Unterschriften vorgesehen, und als Ministerin für Gleichstellung irgendwie auch zuständig. Schönen guten Tag sage ich, man wolle Frau Steffens einige Unterschriften überreichen und daher mit dem Büro der Ministerin verbunden werden, ob das wohl möglich sei? *Wartemelodie.* Dann aus dem Vorzimmer der Ministerin: Man habe von dem Fall gehört. Worum es denn genau gehe? Unterschriften? Oh je, das sehe schlecht aus. Vielleicht könne die persönliche Referentin helfen. *Lange Wartemelodie.* Persönliche Referentin: Oh, der Frauenverband Courage, man nehme das Thema sehr ernst! Frau Steffens sei jedoch, leider, nicht im Land und könne also keine Unterschriften entgegen nehmen. Vor allem sei das Familienministerium gar nicht zuständig! … Moment, man wolle kurz schauen, wo der Vorgang zur Zeit liege. … Ah ja, beim Finanzministerium! Man könne sogar einen Ansprechpartner nennen, der den Fall dort bearbeitet. Dort könnten wir es mal versuchen. Vielen Dank!
Runde 3
Immerhin: Wir haben einen Ansprechpartner Finanzministerium. Ich rufe dort an: Schönen guten Tag, Schwerd hier, ob wohl der Herr Soundso zu sprechen sei? Achso, er ist leider heute nicht da, gerade heute hat er Urlaub. Ob jemand anders helfen könne? Nein, der Herr soundso sei leider der einzige, der mit dem Fall befasst sei, man bedauere außerordentlich.
Runde 3.5
Wenn einem die Sachbearbeiter nicht weiterhelfen können, dann aber vielleicht der Herr Minister Walter-Borjans. Sein Ressort ist offenbar zuständig, also wäre er der richtige Ansprechpartner. Zudem habe ich ihn heute im Plenum gesehen, er ist also da. Also tätige ich einen weiterer Anruf, jetzt in der Telefonzentrale des Finanzministeriums. Das Ministerbüro bitte! *Wartemelodie.* Man wolle fragen ob der Minister Zeit habe, Unterschriften des Frauenverbands Courage entgegenzunehmen? … Schwierig? Ob man gar nichts machen könne? … Die Damen stünden hier im Büro, es wäre wirklich schade, wenn man sie einfach so wieder wegschicken müsste. … Und der persönliche Referent? Meldet sich gleich? Ja, vielen Dank.
Nun gut, da standen wir also im Büro, nach einigen mehr oder weniger ergebnislosen Telefonaten. Immerhin, wir konnten unser Anliegen bis in die Ministerbüros tragen. Aber die Unterschriften waren wir immer noch nicht los. Was sollten wir also machen? Wir warteten noch einige Minuten, ob der persönliche Referent des Finanzministers vielleicht tatsächlich zurückrufen würde. Nach 15 Minuten entschieden wir uns dann aber, unverrichteter Dinge abzuziehen. Ich musste schließlich auch wieder in den Plenarsaal. Auf dem Weg nach unten klingelt dann mein Handy. Diesmal ist _mein_ persönlicher Mitarbeiter am Telefon:
Runde 4
Große Freude: Der persönliche Referent des Finanzministers hat gerade angerufen! Der Minister sei zwar leider nicht mehr im Haus und habe auch keine Zeit, um die Unterschriften entgegenzunehmen, ihm sei das Thema aber sehr wichtig. Darum würden der Minister anbieten wollen, dass sein persönlicher Referent die Unterschriften in seinem Namen entgegennimmt. Wir vereinbaren, uns direkt vor dem Landtag zu treffen.
Wow, zu dem Zeitpunkt hatte ich schon nicht mehr dran geglaubt. Aber tatsächlich taucht der Referent nach wenigen Minuten auf, ist sehr freundlich, nimmt sich einige Minuten Zeit für die Vertreterinnen des Frauenverbandes Courage und bekommt die Unterschriften übergeben. Man wirbt gegenseitig um Verständnis, und alle zufrieden. Die ganze Aktion ist in weniger als 5 Minuten vorbei.
Warum nicht gleich so?