Vorgestern habe ich einen Blogpost zum Ende der politischen Willensbildung in der Piratenpartei veröffentlicht. Dies ist einer der meistgelesenen Beiträge in meinem Blog geworden (ich wünschte, andere Themen würden ähnliche Resonanz erzeugen). Ich habe viel positives Feedback bekommen, aber nicht nur: Für meine Ausssage darin, der Landesverband Hessen hätte sein Programm gelöscht und stünde nun ohne da, bin ich von zwei Vorstandsmitgliedern des Landesverband via Twitter kritisiert worden. Diese, und einige weitere Tweets sind so bezeichnend für den oft destruktiven Stil des innerparteilichen Umgangs, dass ich sie Euch zeigen möchte.
Der politische Geschäftsführer der Piraten Hessen Alexander Schnapper derailte schon in seiner ersten Antwort auf meinen Beitrag, ein Paradebeispiel für den Kommunikationsstil unter Piraten. Kritik wird grundsätzlich personalisiert, hier die Qualifikation des Kritisierenden infrage gestellt.
@netnrd musste bei deiner Aussage zu LV Hessen lachen. Nebenbei, wann warst du zuletzt auf einem LPT in NRW und hast dich eingebracht?
— Alex BigAl (@DerSchnappi) May 26, 2015
Der Generalsekretär der Piratenpartei Hessen Robin Geddert nutzt die typische „alles falsch recherchiert“-Verteidigung, die bei Piraten ausgesprochen beliebt ist.
@netnrd hat leider den Reset nicht verstanden. Die @PiratenHessen haben nix gelöscht, sondern werden es ersetzen. Schlechte Recherche. Scnr
— Netzneutraliban (@rgeddert) May 27, 2015
Dazu kann ich nur feststellen, dass es sich um die von mir beschriebene um die Beschlusslage des Landesverbandes Hessen handelt. Er hat auf seinem Landesparteitag 2014.1 im Oktober 2014 in Kassel beschlossen, das Programm zum 31.12.2014 „auslaufen“ zu lassen und anschließend durch ein neues zu ersetzen. Herr Geddert liegt leider falsch mit seiner Schlussfolgerung. Ein neues Programm ist bislang noch nicht beschlossen. Die Einreichungsfrist des kommenden Parteitages Ende Juni ist bereits vorbei, die vorliegenden Anträge kann man hier nachlesen:
http://wiki.piratenpartei.de/HE:Landesparteitage/2015.1/Anträge
Bezeichnend ist der Tweet des Bundesvorsitzenden der Piratenpartei Stefan Körner. Er schrieb:
Wer Wahlcomputer für ein Konzept für die Zukunft hält, sollte damit rechnen, seine Stimme nicht abzugeben sondern an die #NSA zu delegieren.
— Stefan Körner (@sekor) May 26, 2015
Ich kann natürlich falsch liegen, aber die Koinzidenz zu dem Blogpost zum Ende der innerparteilichen Willensbildung, in dem ich die elektronischen Beteiligungsmöglichkeiten zum Beispiel durch Liquid Democracy-Tools als „Vision für die Zukunft“ bezeichnete, ist augenfällig. Vorraussetzend, er bezieht sich mit seinem – ansonsten zusammenhanglosen – Tweet auf meinen Blogpost, erkennt man auch hieran wieder zwei typische Kommunikationsmuster der Piraten: Das Reden über- anstatt miteinander, hier in Form eines „Nonmention“-Tweets ohne konkrete Namensnennung des Gemeinten, und Strohmann- und Dammbruch-Argumenten, hier: Dass jeder, der auf elektronische Beteiligung setzt, der Überwachung durch den NSA Vorschub leistet.
Als letztes möchte ich exemplarisch für die (wenigen) beleidigenden Kommentare, die ich erhielt, einen Tweet von Bernhard Koim, Kreistagsabgeordneter der Piratenpartei in Gotha zeigen, ohne weiteren Kommentar.
@celfridge Fragen so gewählt damit solche Spacken wie @netnrd nicht wissen wo Kreuze werden 🙂 Position Antideutsch fehlt komplett
— Kreistagspirat-Gotha (@BernhardKoim) May 25, 2015
Das ein solcher Umgang zwischen Parteimitgliedern, mindestens aber zwischen Mandatsträgern der Piratenpartei untereinander, zudem in der Öffentlichkeit, untragbar ist, versteht sich eigentlich von selbst – die Piratenpartei trägt solches Verhalten aber konsequenzlos schon seit Jahren. Und das ist das weitere, zentrale Problem der Piraten.
Lest auch den Vorläufer: Piratenpartei: Innerparteiliche Beteiligung am Ende