Transparenz? Ist unerwünscht. Zumindest im Ausschuss für Kultur und Medien, als es um die Anhörung zum Thema „Netzneutralität“ ging, die am 10.10. auf Antrag der Piratenfraktion im Landtag stattfand. Und gerade da, bei dieser Zielgruppe, wäre sie so wichtig und nützlich gewesen. Aber der Reihe nach.
Vor der Ausschusssitzung, in der die Anhörung stattfinden sollte, ließ ich über das Ausschusssekretariat fragen, ob die Fraktionen einverstanden wären, dass wir Piraten die Anhörung live streamen, oder alternativ wenigstens nachträglich einen Videomitschnitt, oder notfalls auch einen Audiomitschnitt zu veröffentlichen.
Folgende Email wurde durch das Ausschusssekretariat an die Ausschusssprecher der Fraktionen versendet:
An die Sprecher/-in im Ausschuss für Kultur und Medien
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Fraktion der Piraten hat beantragt, die Anhörung zur Netzneutralität – TOP 1 der Sitzung am 10.10.2013 im CDU-Fraktionssaal zu streamen.
Ich bitte um Rückmeldung bis Dienstag 14 Uhr, ob Ihre Fraktion Einwände gegen den Life-Stream oder ggf. gegen eine Aufzeichnung der Anhörung (TOP 1) erhebt.
Im Falle eines Streamens der Anhörung wird noch das Einverständnis der Sachverständigen abgefragt werden.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
[…]
Eine solche Vereinbarung muss einvernehmlich getroffen werden. Die Persönlichkeitsrechte erfordern grundsätzlich, dass alle mit der Veröffentlichung einverstanden sind. Zudem sind Änderungen der Tagesordnung nach dem Druck nur noch einvernehmlich möglich. Der Widerspruch einer Person bzw. einer Fraktion reicht im Prinzip bereits aus, den Antrag abzulehnen.
Und das kam dann auch so. Telefonisch erhielt ich etwas später die Antwort, dass es seitens einer Fraktion einen Widerspruch gäbe. Als Begründung wurde angegeben, dass der Ältestenrat das Streaming aus dem Plenarsaal beschlossen habe – in den anderen Sälen die Technik aber nicht zur Verfügung steht. Irgendwie war man der Meinung, dass der Ältestenrat damit sich gegen ein Streaming aus anderen Sälen ausgesprochen habe – was natürlich Unsinn ist. Übrigens, ich erfuhr auch, dass dieser Widerspruch aus den Reihen der Grünen kam.
Der Ältestenrat hat sich ganz sicher nicht gegen Streaming in anderen Sälen ausgesprochen, wenn er das Streaming aus dem Plenarsaal erlaubt – er hat zu Streaming in den übrigen Sälen einfach noch gar nichts gesagt.
Das Argument, dass die Technik in den Sälen landtagsseitig nicht zur Verfügung steht, ist natürlich invalide, da die Piratenfraktion ihre Technik dazu anbot. Spätestens aber beim Audio-Mitschnitt zeigt sich, dass dieses Argument vorgeschoben ist, denn ein Audio-Mitschnitt wird von jeder Sitzung angefertigt, diese nutzt dann der sitzungsdokumentarische Dienst, um das Protokoll zu erstellen. Es ist also ohnehin vorhanden.
Ich schrieb daraufhin eine Mail an die Ausschusssprecher der Fraktionen, in der ich erneut und detaillierter vorschlug, die Anhörung selbst zu streamen, oder alternativ wenigstens nachträglich einen Videomitschnitt, oder notfalls eben den Audiomitschnitt zu veröffentlichen. Um das Konfliktpotential zu minimieren, habe ich darauf verzichtet, auch bei den anderen Tagesordnungspunkten auf ein Streaming bzw. einen Mitschnitt zu beantragen.
Folgende Email an die Medienpolitischen Sprecher der übrigen Fraktionen, an den Ausschussvorsitzenden und das Ausschusssekretariat habe ich also versandt:
*An die Sprecher/-innen im Ausschuss für Kultur und Medien*
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Piratenfraktion hatte beantragt, dass die Anhörung zur Netzneutralität (TOP 1 der Sitzung morgen) gestreamt wird. Da im CDU-Saal keine Streamingtechnik zur Verfügung steht und der Plenarsaal, der diese Technik hat, an diesem Tag belegt ist, hatte die Piratenfraktion zusätzlich angeboten, die Streamingtechnik ihrerseits zur Verfügung zu stellen und zu realisieren.
Seitens einer Fraktion wurde auf die unten stehende Frage von Frau […] eingewendet, der Ältestenrat habe einen Beschluss gefasst, wonach Streaming in Anhörungen aus dem Plenarsaal stattfände und in den Fraktionsräumen die Technik erst später zur Verfügung stünde. Die Piratenfraktion ist jedoch der Ansicht, dass das an sich noch keine Entscheidung darstellt, dass ein Streaming aus Anhörungen, die nicht im Plenarsaal durchgeführt werden, auch nicht stattfinden dürfe. Ein entsprechender Beschluss kann durchaus von einem Ausschuss herbeigeführt werden.
Im Namen der Piratenfraktion will ich daher die Frage nochmals erneuern und präzisieren, sowie die verschiedenen Handlungsalternativen darstellen.
Die erste Möglichkeit wäre der Vorschlag, dass die Anhörung zur Netzneutralität gestreamt wird, indem wir dies mit Technik der Piratenfraktion durchführen. Die Piratenfraktion sichert zu, dass dieses Streaming neutral stattfinden wird, es wird keine Moderation, Kommentierung und keinen inhaltlichen Schnitt geben.
Alternativ, und insbesondere wenn Sie sich Sorgen um die Neutralität der Darstellung machen, ist es möglich, den Tagesordnungspunkt lediglich per Video aufzunehmen und nicht unmittelbar live zu streamen. Das Rohmaterial dieser Aufnahme können wir dann der Landtagsverwaltung zur Verfügung stellen, mit der Bitte, dieses in voller Länge über die eigenen Kanäle zu veröffentlichen.
Die dritte, und „weichste“ Variante wäre, das durch die Landtagsverwaltung zur Protokollfertigung erstellte Audio-File dazu zu benutzen, um die Anhörung wenigstens im Audio-Format zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen.
Ich finde, gerade diese Anhörung zur Netzneutralität ist eine schöne Gelegenheit, die Idee vom transparenten Parlament und der nachvollziehbaren Politik mit Leben zu füllen, und dies in einem Thema, was die Betroffenen der Anhörung ganz besonders interessieren dürfte.
Bitte prüfen Sie für sich und Ihre Fraktion, ob sie mit einer dieser Möglichkeiten leben könnten. Mir ist bewusst, dass es zur tatsächlichen Durchführung eines einstimmigen Votums aller Beteiligten und selbstverständlich auch der Sachverständigen bedarf. Dieses Einverständnis würde ich dann zu Beginn der Sitzung beim Eintritt in die Tagesordnung abfragen.
Vielen Dank und viele Grüße
Daniel Schwerd
—
Diese dürre Antwort erhielt ich kurze Zeit später über die zuständige Referentin der SPD:
Sehr geehrter Herr Schwerd,
im Auftrag der medienpolitischen Sprecher der Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen möchte ich Ihnen mitteilen, dass sie mit den vorgeschlagenen Verfahren nicht einverstanden sind.
Mit freundlichen Grüßen
i.A.
[…]
Am Anhörungstermin selbst hatte ich die Ehre, dem Ausschuss vorzusitzen. Ich bin im Ausschuss für Kultur und Medien stellvertretender Vorsitzender, und an diesem Tag war der Vorsitzende selbst wegen einer Ausschussreise verhindert.
Ich informierte also den Ausschuss zu Eintritt in die Tagesordnung über unseren Antrag, und den vorliegenden Widerspruch der beiden regierungstragenden Fraktionen. Spontan schlossen sich FDP und CDU diesem Widerspruch an.
Soweit also zu den leeren Versprechungen von Nachvollziehbarkeit und Transparenz im politischen Handeln.
Im Landtag NRW wird gemauert, was das Zeug hält.