Plenarrede zum „Freihandelsabkommen EU – USA: Audiovisuelle Dienste und Kultur“

Am Donnerstag, den 16. Mai 2013, sprach ich zum Tagesordnungspunkt „Freihandelsabkommen EU – USA: Audiovisuelle Dienste und Kultur vor Handelsliberalisierung schützen! Bundesregierung ist in der Pflicht grundlegende Länderinteressen zu berücksichtigen!“ Kurz gesagt geht es darum, dass beim nächsten Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA Kultur und Audiovisuelle Medien (also insbesondere Film und Musik) nicht ausgenommen sein sollen. Bislang war das immer der Fall, und es soll verhindert werden, dass sich die Handeslrestriktionen plötzlich auf Kultur und Medien beziehen können.

Der Ursprüngliche Antrag kam von den Regierungsfraktionen – wir haben einen Änderungsantrag dazu geschrieben, um noch einige Punkte klarer zu formulieren. Erfreulicherweise hat die Mehrheit aus SPD und Grünen mit uns gemeinsam unserem Änderungsantrag zugestimmt – ein schöner Erfolg.

Das Wortprotokoll zu dieser Rede (Achtung, es gilt das gesprochene Wort):

Daniel Schwerd (PIRATEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Besuchertribüne und im Livestream! Audiovisuelle Dienste und die Kultur sind – so viel steht fest – keine normalen Güter. Wir sind uns hier offensichtlich fraktionsübergreifend einig, dass Kultur und Medien ein wirtschaftlicher, ganz besonders aber auch ein ideeller Wert zukommt. Beides gilt es zu schützen. Schließlich hat die Bundesrepublik Deutschland das UNESCO-Abkommen zur kulturellen Vielfalt unterzeichnet.

Damit hat sich Deutschland einerseits verpflichtet – ich zitiere – „die besondere Natur von kulturellen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen als Träger von Identität, Werten und Sinn anzuerkennen“. Gleichzeitig bekräftigt dieses UNESCO-Abkommen das „souveräne Recht der Staaten …, die Politik und die Maßnahmen bereitzuhalten bzw. beizubehalten, zu beschließen und umzusetzen, die sie für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet für angemessen erachten.“

Konkret heißt das, dass jeder Staat das Recht hat, die Art von Kulturpolitik zu machen, die er für den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt für angemessen hält. Nun soll zwischen der EU und den USA ein Freihandelsabkommen ausgehandelt werden, in dem allem Anschein nach der Kultur- und Medienbereich nicht von vornherein ausgeklammert ist. Bei vergangenen Freihandelsabkommen wurde der Kultur- und Medienbereich explizit ausgenommen.

In Deutschland ist Kulturpolitik jedoch Sache der Länder. Nach dem eben von mir zitierten UNESCO-Abkommen hat NRW also nicht nur das Recht, sondern sogar die ausdrückliche Pflicht, sich einzumischen, wenn auf europäischer Ebene ein solches Freihandelsabkommen ausgehandelt wird, das den Kultur- und Medienbereich betrifft.

Wir dürfen unsere Handlungsfähigkeit auf Landesebene nicht durch solche EU-Aktionen beschneiden lassen – dies umso mehr, als es um Themen wie beispielsweise die Filmförderung geht, die auch hier im Landtag diskutiert werden.

Die deutsche und die europäische Kultur- und Kreativbranche ist darauf angewiesen, dass auch in Zukunft hier auf Länderebene souverän über Fragen der Kultur- und Medienpolitik bestimmt werden kann. Deswegen unterstützen wir als Piratenfraktion die Forderungen des Antrags von SPD und Grünen in vollem Umfang, und ich bitte meine Fraktion um Zustimmung für diesen Antrag.

Meine Damen und Herren, wir sollten aber, wenn wir uns hier schon mit dem geplanten Freihandelsabkommen beschäftigen, auf ein weiteres grundsätzliches Problem zu sprechen kommen, das es bei solchen Verhandlungen auf europäischer Ebene gibt, nämlich auf den Mangel an Transparenz und öffentlicher Beteiligung.

Bei diesem Freihandelsabkommen geht es um weitreichende Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten, die jeden Bürger Europas direkt betreffen werden. Die Europäische Kommission verhandelt aber im Namen der Mitgliedstaaten hinter verschlossenen Türen und legt am Ende den Parlamenten einen fertigen Vertragstext nach dem Motto „Friss oder stirb“ vor. Das stellt demokratische Prozesse auf den Kopf.

Es ist nicht hinzunehmen, dass finanzkräftige Lobbygruppen über den Stand der Verhandlungen stets gut im Bilde sind und ihren Einfluss geltend machen können, dass aber weder die Zivilgesellschaft noch die meisten Parlamentarier wissen, was genau gerade wo verhandelt wird und wer verhandelt.

Das ist europäische Hinterzimmerpolitik, wie wir sie schon von ACTA kennen, eine Politik an den Parlamenten und Bürgern vorbei. Deswegen fordern wir Piraten in unserem Entschließungsantrag volle Transparenz bei den Verhandlungen über dieses Abkommen. Ein wichtiger Schritt hin zu dieser Transparenz ist die Offenlegung aller Protokolle dieser Verhandlungen.

Darüber hinaus möchten wir erreichen, dass alle relevanten gesellschaftlichen Akteure bei den Vorbereitungen und später bei den Verhandlungen selbst so weit wie möglich informiert und beteiligt werden. Dazu gehören zum einen die demokratisch legitimierten Vertreter der Menschen in diesem Land – also wir alle hier in diesem Parlament – und zum anderen und besonders die einschlägigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, aber selbstverständlich auch die Bürger selbst.

Wir Piraten fordern transparente und nachvollziehbare Verhandlungen, die Raum für eine öffentliche Debatte lassen und eine Beteiligung der Öffentlichkeit schon während der Verhandlungen ermöglichen. Das ist im Sinne des Interesses der Zivilgesellschaft und der parlamentarischen Demokratie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Daher bitte ich Sie: Nehmen Sie unseren Entschließungsantrag an. – Herzlichen Dank.

Plenarrede zu “Netzneutralität gesetzlich verankern, Drosselung von Netzzugängen verhindern”

Am Donnerstag, den 16. Mai 2013, sprach ich darüber, dass die Netzneutralität gesetzlich verankert und die Drosselung von Netzzugängen verhindert werden muss. Hierzu haben wir einen Antrag eingereicht, und die Regierungsfraktionen haben einen eigenen Antrag eingereicht, der uns aber nicht weit genug geht – daher haben wir dazu wiederrum einen Änderungsantrag eingereicht. Alle diese Anträge wurden in einer gemeinsamen Debatte behandelt, und in die Ausschüsse überwiesen.

Diese Pressemitteilung haben wir dazu rausgegeben:


Schwerd: „Das heutige freie, offene und gleichberechtigte Internet wird von den Drosselungsplänen der Telekom akut bedroht.“

Die Piratenfraktion im Landtag NRW unterstützt die heutige Demonstration gegen die Drosselpläne der Deutschen Telekom AG vor der Lanxess Arena in Köln. Piratenpartei, Chaos Computer Club, der Arbeitskreis „Vorrat“ und die Aktivistengruppe Anonymus sowie viele weitere Organisationen initiierten die Demo anlässlich der Telekom-Hauptversammlung.

Auf www.change.org wurden 185.000 Unterschriften für eine Petition gesammelt, die sich gegen das Vorhaben der Telekomspitze richtet. Heute besteht auf der Hauptver-sammlung die Möglichkeit, dass die Aktionäre sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden und den Telekom-Vorstand zum Umlenken bewegen.

Die Telekom-Pläne Volumentarife einzuführen, bei denen bestimmte Dienstleistungen (z. B. Produkte wie Spotify, Entertain) nicht angerechnet werden, sind der Anfang vom Ende der Netzneutralität, sagt Daniel Schwerd, Netz- und Medienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion: „Zugang zum Netz und die Gleichstellung aller Datenpakete ist eine Frage der Teilhabegerechtigkeit. Die Nutzung des Internets darf nicht vom Einkommen der Bürger abhängig sein. Bisher ist die Chance auf Innovationen bei Internet-Inhalten, Diensten und Anwendungen deshalb so groß, weil alle User solche Innovationen entwickeln konnten.“

Die Piraten im Landtag NRW haben einen entsprechenden politischen Antrag verfasst, der parallel zur Demo heute im Landtag NRW behandelt und in die zuständigen Ausschüsse zur weiteren Beratung verwiesen wurde. Schwerd: „Die Drosselung zerstört den freien Wettbewerb im Internet, würgt Innovationen ab und benachteiligt Internetnutzer. Durch das Quasi-Monopol der Telekom bei der Netzinfrastruktur und als ehemaliges Staatsunternehmen gewinnen die Drosselungspläne besonderes Gewicht. Wir brauchen sofort eine gesetzliche Regelung zum Schutz der Netzneutralität. Die Freiheit des Internets steht auf dem Spiel. Deswegen fordern wir, die Netzneutralität fest in der Verfassung zu verankern.“
Hintergrundinfos zur Demo
Lanxess Arena, Willy-Brandt-Platz 2, 50679 Köln / Deutz, 16.05.13 / 16.00 Uhr

Das Wortprotokoll zu dieser Rede (Achtung, es gilt das gesprochene Wort):

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrtes Publikum! Liebe Netzbürger! Einen besonderen Gruß möchte ich an die Drosselkom-Demonstranten vor der Telekom-Hauptversammlung richten, die uns in diesem Moment zuschauen, die die Kölner Piraten angemeldet haben.

Achtung!! Achtung!! Es steht nichts weniger als die Freiheit im Internet auf dem Spiel …

Die Freiheit des Internets steht auf dem Spiel. Ein ehemaliger Staatskonzern und aktueller Quasi-Monopolist der Netzinfrastruktur hat sich daran gemacht, das freie, offene und gleichberechtigte Internet, so wie wir das heute kennen, schlichtweg abzuschaffen.

Die gesamte Problematik der Telekom-Drossel lässt sich unter dem Begriff Netzneutralität zusammenfassen. Netzneutralität ist das zentrale Prinzip, nachdem das Internet bislang funktioniert. Alle Datenpakete im Internet sollen gleich behandelt werden.

Das hört sich jetzt nicht so problematisch an? Ich möchte deshalb gern veranschaulichen, was passiert, wenn dieses Prinzip verletzt wird.

Übrigens: Danke an Herrn Vogt für den Vergleich mit der Autobahn. Ich meine, mich dunkel zu erinnern, das in einem Blog eines Fraktionskollegen schon gelesen zu haben. Na ja, ab 1. August kostet es dank des Leistungsschutzrechtes Geld.

Zurück zu dem Beispiel: Stellen Sie sich vor, Ihr Stromversorger schließt einen Vertrag mit RTL II ab. Sie können diesen Sender solange sehen, wie Sie wollen, aber wenn Sie andere Programme sehen wollen oder das öffentlich-rechtliche Programm, dann wird Ihrem TV-Gerät nach 30 Stunden der Strom abgedreht.

Ihr Stromversorger macht den anderen Sendern großzügig ein Angebot, dass diese nicht ablehnen können. Durch Zahlung eines Schutzgeldes können Sie sich ebenfalls von dieser Sperre befreien.

Das klingt absurd? – Genau das sind aber die Pläne der Deutschen Telekom.

Nach dem Verbrauch eines Inklusivvolumens soll der Netzzugang so weit gedrosselt werden, dass er quasi unbenutzbar wird. Denn da sind ganz wesentliche Dienste der Echtzeitkommunikation, des Videos und des Audio Screenings nicht mehr aufrufbar. Selbst das normale Surfen ist so langsam, dass der Seitenaufbau Minuten in Anspruch nimmt. Damit ist der Netzzugang funktional kaputt.

Das Entscheidende ist: Die Telekom möchte bestimmte Dienste von dieser Drosselung ausnehmen, etwa den firmeneigenen TV-Dienst „Entertain“. Wettbewerber schauen in die Röhre, oder sie sind so genannte Partner, haben also Lösegeld an die Telekom gezahlt. Dann sind sie ebenfalls von dieser Drosselung ausgenommen. Die Folgen sind verheerend: Kleine innovative Anbieter, nichtkommerzielle Projekte und private Webseiten haben das Nachsehen und fallen unter die Drosselung.

Finanziell starke Konzerne können sich von dieser Drosselung freikaufen. Das ist der Einstieg in das Zwei-Klassen-Internet. Google, YouTube und Bild online: immer zu empfangen. Abgeordnetenwatch, netzpolitik.org, der Pottblog oder vielleicht auch einfach die Webseite Ihrer Partei bleiben außen vor.

Die Bevorzugung von Diensten kann aber nur mit der Deep Packet Inspection stattfinden. Und das ist ein eklatanter Bruch des Fernmeldegeheimnisses, meine Damen und Herren. Blicken Sie bitte in § 88 Telekommunikationsgesetz.

Zusätzlich plant die Telekom, ihren Kunden einen Aufpreis von 20 € dafür abzunehmen, einen ungedrosselten Zugang zu bekommen. Das ist keine Lösung des Problems, sondern doppelte Abzocke. Zuerst verkauft man den Privatkunden ein Produkt, das faktisch defekt ist, und kassiert gleichzeitig von denjenigen Diensten ab, die sich von dieser Drosselung freikaufen wollen. Dann verlangt man auch noch einen Aufpreis von den Privatkunden, die ein unzensiertes Internet haben wollen. Das ist ungeheuerlich.

Das Argument der Telekom, die Drosselung sei nötig, um den von sogenannten Vielnutzern verursachten Traffic zu bewältigen, ist falsch und vorgeschoben. Tatsächlich sind Backbone-Kapazitäten immer noch im Überfluss vorhanden und machen für die gesamten kalkulierten Kosten eines Internetzugangs nur wenige Cent aus. Es handelt sich vielmehr um den Versuch der Telekom-Chefetage, Netzbürger, also die Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt im Netz haben, als „Vielnutzer“ gegenüber den vermeintlichen „Normalnutzern“ auszuspielen. Das stellt eine öffentliche Diskriminierung dar. Die Spaltung zwischen Digital Natives und Besuchern im Internet wird so von der falschen Seite her geschlossen.

Wir Piraten und die Regierungsfraktionen sind uns einig, dass Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben werden muss. Unser Antrag geht jedoch noch über den von Rot-Grün hinaus. Wir haben erstens eine Reihe von technischen Anforderungen formuliert, um eine gesetzliche Festlegung der Netzneutralität bürgerfreundlich und effektiv zu gestalten. Zweitens wollen wir das Recht auf netzneutralen Internetzugang in der Verfassung verankern.

Wir hoffen, unsere Änderungsvorschläge finden Ihre Zustimmung. Es geht um viel: Die Freiheit des Internets steht auf dem Spiel. Für ein echtes Netz! – Herzlichen Dank.