Appell an SPD und Grüne in NRW: Sagt nein zum JMStV!

Pressemitteilung der Piratenpartei Köln

Am 16. Dezember steht im Landtag Nordrhein-Westfalen die Ratifizierung des umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) an. Die Entscheidung wird auch auf Köln, einer der Hauptstädte der Internetbranche in Deutschland, massive Folgen haben. Die Piratenpartei Köln warnt eindringlich vor den negativen Auswirkungen, falls es zu der Verabschiedung des JMStV kommt.

Wir appellieren eindringlich an die Abgeordneten von SPD und Grünen, dem Vertragsentwurf nicht zuzustimmen und damit immensen Schaden von der deutschen Internetbranche abzuwenden. Wir appellieren an die Abgeordneten, insbesondere die Vertreter der Grünen, sich bei ihrer Entscheidung von keinerlei parlamentarischen Zwängen leiten zu lassen, sondern von Sachargumenten und den Entscheidungen der jeweiligen Parteibasis. Insbesondere an die Abgeordneten der SPD geht der Aufruf, die begrüßenswerte Initiative „Internethauptstadt Köln“ nicht durch eine Zustimmung zu dem Staatsvertrag zu torpedieren und ad absurdum zu führen.

Durch eine Nichtzustimmung entsteht keine Schutzlücke, da der bestehende Staatsvertrag in diesem Fall weiter gilt. Die bestehenden Regelungen gelten unter Experten als streng und ausreichend. Die Bestimmungen des neuen Staatsvertrages sind dagegen, so ist die übereinstimmende Meinung zahlreicher Internetexperten sowie der Piratenpartei, für den Jugendmedienschutz völlig ungeeignet. Statt den Jugendlichen einen besseren Schutz vor gefährdenden Inhalten zu bieten, bürden die Bestimmungen zum Beispiel der durch viele Kleinst-, Klein- und mittelständischen Betrieben geprägten Internetbranche hohe Hürden und immense zusätzliche Kosten und Risiken auf, zum Beispiel in Form von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen.

Mit der zur Abstimmung vorliegenden JMStV-Novelle wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert, da für die Erotikindustrie paradoxerweise Erleichterungen vorgesehen sind. Darüber hinaus gehen von der Neufassung des Vertrags unkalkulierbare Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland aus. Insbesondere kleine Unternehmen der Branche werden finanziell nicht in der Lage sein, die zusätzlichen und sinnlosen Anforderungen zu bewältigen. Eine Vernichtung von Arbeitsplätzen und Existenzen im bisher nicht zu übersehenden Ausmaß wäre die Folge. Die Internetbranche in Deutschland wird so gegenüber der internationalen Konkurrenz völlig unnötig zurück geworfen. Zudem haben bereits heute zahlreiche Betreiber unabhängiger Angebote im Internet angekündigt, ihre Angebote abzuschalten, wenn der JMStV in Kraft tritt.

Dem Jugendschutz, dem Internet und der Möglichkeit der freien Meinungsäußerung in diesem Lande werden durch den Staatsvertrag massiver Schaden zugefügt. Es muss daher unter allen Umständen verhindert werden, dass der neue JMStV in Kraft tritt! NRW hat die Chance dazu!

Informationen und Links zum Thema JMStV:
JMStV-Informationen der Piratenpartei
Umfangreiche JMStV-Infos bei netzpolitik.org
AK Zensur zum JMStV
Internet-Unterschriftenaktion gegen den JMStV
Beschluss des Parteirates der NRW-Grünen zum JMStV

Quelle: http://www.piratenpartei-koeln.de/jmstv-appell/

Und ihr glaubt, der JMStV betrifft Euch nicht?

Nachdem in der Bloggosphäre viel Aufregung wegen des geplanten neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrags herrschte, versuchten einige Stimmen die Debatte vermeintlich zu versachlichen. Angeblich würde es die meisten gar nicht betreffen, da diese ja keine “entwicklungsbeeinträchtigenden” Inhalte veröffentlichen.

Abgesehen davon, dass das Internet nicht nur aus Bloggern, sondern auch aus vielen kleinen Unternehmern, Foren- und Portalbetreibern oder sonstigen Webseitenbetreibern besteht – wie schnell Inhalte Jugendschutz-Kontrolleure auf den Plan rufen, konnte man z.B. schon vor drei Jahren feststellen. Damals hatte “Jugendschutz.net” (welches vom Familienministerium unterstützt wird) den Betreiber der Witzeseite “Witzdestages.net” wie folgt angeschrieben:

Nach Überprüfung der Website witzdestages.net mache ich Sie als Verantwortlichen darauf aufmerksam, dass dort entwicklungsbeeinträchtigende Inhalt frei zugänglich sind.

Das Angebot ist entwicklungsbeeinträchtigend nach § 5 Abs.1 JMStV (Entwicklungsbeeinträchtigung Minderjähriger). Beispielsweise ist aus meiner Sicht zu beanstanden:
– Rubriken: “Nationalitäten”, “Frivole und versaute Witze” und “Blondinnen”

Das Angebot ist als entwicklungsbeeinträchtigend zu qualifizieren, da bei den Witzen vorwiegend in den Rubriken “Nationalitäten”, “Frivole und versaute Witze” oder “Blondinnen” eine geschmacklose Abwertung in Form von Belustigung über gewisse ethnische Gruppen, Sexualität und Frauen sowie ein problematisches Frauenbild (Betrachtung der Frau als Sexobjekt, Gegenstand etc.) vermittelt wird. Diese Inhalte überschreiten die allgemeinen Wertvorstellungen über die Grenzen des sozialen und allgemeinen Anstand und können somit Kinder und Jugendliche in ihrer sozialen Entwicklung stark beeinflussen.


(Quelle)

Im Übrigen sah man den Betreiber verantwortlich für die Kommentare der Nutzer auf seiner Seite, und forderte ihn auf, einen Jugendschutzbeauftragten zu benennen.

Geschmacklose Witze sind jugendbeeinträchtigend? Dann sollte man dringend das Niveau von Witzen auf dem Schulhof überprüfen.

Ahnt man nun, was uns bevorsteht? Glaubt ihr, als kleiner Webseitenbetreiber nicht in den Fokus der Saubermänner geraten zu können? Ich bin mir da nicht so sicher. Wie soll man seine Angebote ernsthaft selbst einschätzen können, wenn uns solcher Wahnsinn bevorsteht?

Update

Richtig – was Jugendschutz.net schreibt, muss nicht unbedingt richtig sein. Aber was glaubt ihr, was passieren wird, wenn das mit einer vierstelligen Kostennote vom Anwalt kommt? Viele werden einknicken und zahlen, ihr Angebot ab 18 labeln bzw. nur ab 22 Uhr anzeigen oder gleich ganz offline nehmen.

Und nicht jeder Webmaster betreibt eine Witzeseite, auch das ist richtig. Aber vermutlich wird man in jedem zweiten deutschen Forum in der Offtopic-Ecke einen Blondinenwitz finden. Viel Spaß.