Heute Morgen blieb mir das Frühstück im Halse stecken: Ich las einen Artikel, in dem Herr de Maizière, unser Innenminister, die Verstaatlichung der Adressvergabe im Internet fordert. Das private Einrichtungen das Internet kontrollieren, sei “keine ausreichende Antwort für die Zukunft”. Staatliche Einrichtungen hätten eine “Schutzpflicht für sichere Online-Kommunikation”, um das Vertrauen der Bürger in die Sicherheit von Diensten wie Online-Banking und E-Mails zu sichern.
Zuvor sagt er bereits, es sei ein Phänomen, dass die Adressvergabe überhaupt funktioniere, obwohl sie nur von Privatleuten verabredet sei.
Herr de Maizière, ich bin überrascht! Hat nicht Ihre Partei die Privatisierung der Deutschen Post unterstützt? Mit dem Vertrauen der Bürger in die Sicherheit ihrer Briefe hatten Sie dabei offenbar keine Probleme. Sie ließen sogar weitere Dienstleister zu, die Briefe befördern dürfen.
Wie sieht es denn mit den Banken aus? Sollte man diese nicht ebenfalls privatisieren? Damit ließe sich das Vertrauen der Bürger in die Stabilität ihrer Banken und der Bankgeschäfte bestimmt erhöhen.
Wo wir doch dabei sind, wie ist es denn mit der Nahrungsmittelindustrie und dem Einzelhandel? Die Deutschen sind besorgt um die Zusammensetzung und die Qualität ihres Essens, würde die Verstaatlichung nicht den Verbraucherschutz deutlich stärken?
Was halten Sie von Medienunternehmen in privater Hand? Sind verstaatlichte Medien nicht eher geeignet, entstellende oder verleumderische Inhalte zu verhindern und unsere Jugend vor ungeeigneten und pornografischen Inhalten zu schützen?
Lieber Leser, bitte verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin selbst Unternehmer, und stehe staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft generell äußerst kritisch gegenüber. Die obigen Fragen sind rhetorische, natürlich fordere ich nicht die Verstaatlichung von ganzen Industrien.
Es zeigt sich darin aber die Hybris der CDU. Was der Innenminister hier fordert, ist eigentlich Sozialismus, nämlich Vergesellschaftlichung der Wirtschaftsordnung durch einen starken, beschützenden Staat.
Normalerweise sieht die CDU das fundamental anders: Sie setzt auf die Selbstregulation des Marktes, und möchte staatlichen Einfluss auf Industrie und Wirtschaft zurückdrängen. Forderungen nach mehr staatlicher Kontrolle wird abgelehnt. Selbst nach der durch gierige Spekulanten ausgelösten Weltwirtschaftskrise hat sie die direkte Einflussnahme auf die Banken vermieden.
Anders sieht es aber mit der Meinungsfreiheit aus – damit hat die CDU keine Schwierigkeiten. Denn die Denic ist eine Genossenschaft, die nicht gewinnorientiert arbeitet – ist also kein Wirtschaftsunternehmen im eigentlichen Sinn. Hier hat der Innenminister kein Problem, großflächig staatliche Kontrolle zu fordern, denn in Sicherheitsbelangen wünscht sich die CDU einen starken Staat.
Dennoch wollen Sie dem deutschen Volk diese Maßnahme zu dessen eigenem Wohl als segensreich verkaufen. Sie behaupten, dass nur auf diese Weise der Schutz des Onlinebankings und der Email-Kommunikation herzustellen sei, so als sei dies das Mittel der Wahl für Postgeheimnis, Verbraucher- und Jugendschutz.
Herr de Maizière, ich gehe davon aus, dass Ihnen der Widerspruch zwischen der von Ihnen vorgebrachten Forderung nach Verstaatlichung und der grundsätzlichen Position Ihrer Partei klar ist.
Tatsächlich geht es ihnen nämlich um etwas anderes. Der Verbraucherschutz ist nur vorgeschoben, Sie wünschen die Kontrolle über das Internet, um auf diese Weise auch die Inhalte und die Kommunikation kontrollieren zu können. Die Kontrolle der Namensvergabe durch den Staat würde es Ihnen ermöglichen, unerwünschte Inhalte tatsächlich zu zensieren, und gäbe Ihnen eine mächtige Waffe in die Hand, öffentliche Meinung und Wahrnehmung zu steuern. Man stelle sich das Internet in der Hand Chinas, des Irans, oder selbst in der der USA vor.
Ich finde es verlogen, dass Sie seelenruhig sozialistische Argumente zur Begründung Ihrer Bemühungen anführen, um der Bevölkerung glauben zu machen, in ihrem Sinne zu handeln, während es Ihnen um Zensur, Kontrolle und Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen einer kleinen Lobby geht. Tatsächlich ist der Schutz des Verbrauchers ihnen aber genauso egal wie der der Kinder – denn sonst hätten Sie in beiden Angelegenheiten zuvor schon etwas unternommen.
Herr de Maizière, das Internet funktioniert nicht trotz, sondern wegen privater Organisation so gut: Es ist frei. Und für die Freiheit werden wir kämpfen. Wenn ich nicht schon bei den Piraten wäre, ich würde jetzt eintreten.