Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hat am Mittwoch das umstrittene Zugangserschwerungsgesetz (auch als “Zensursula”-Gesetz bekannt) unterzeichnet. Die Unterschrift hatte er zunächst aus rechtlichen Bedenken einige Monate lang hinausgezögert. Wir Piraten haben zunächst gehofft, dass er dem Gesetz in der verabschiedeten Form nicht zustimmen würde. Nun sind diese Bedenken scheinbar ausgeräumt, und Köhler hat die Unterschrift unter das Gesetz geleistet – damit tritt es am darauf folgenden Tag in Kraft.
Die Bundesregierung trifft er damit auf dem falschen Fuß an – denn mittlerweile ist keine der etablierten Parteien mit diesem Gesetz mehr glücklich, welches sie zuerst so vehement verteidigten und dringend einführen wollten. Also hat sich die Regierung dazu entschlossen, das Gesetz einstweilen nicht anwenden zu lassen, und einen entsprechenden Erlass verabschiedet.
Zwar ist es mehr als merkwürdig, dass man gültige Gesetze nicht mehr anwenden will, zu denen es vor einigen Monaten angeblich keine Alternative gab – als Pirat bin ich natürlich froh, dass es in diesem Fall so ist.
Die Gefahr ist aber nicht gebannt: Das Gesetz ist damit nicht aus der Welt. Die Regierung kann jederzeit beschließen, den Nichtanwendungserlaß aufzuheben – ganz oder teilweise. Die grundsätzliche technische und rechtliche Infrastruktur bleibt weiter vorhanden. Das Gesetz muss also schnellstens aufgehoben werden.
Zum Zugangserschwerungsgesetz:
Das Zugangserschwerungsgesetz, welches insbesondere auf Initiative der damaligen Familienministerin von der Leyen zustande gekommen ist, war dem Kampf gegen Kinderpornografie gewidmet. Tatsächlich bekämpft es aber keine Kinderpornografie – ganz im Gegenteil. Anstelle den Schwerpunkt auf die vollständige Löschung von kinderpornografischem Material zu legen, wollte es durch Einführung einer Zensurliste lediglich den Zugriff auf solche Seiten sperren, und die Zugangsanbieter verpflichten, diese Zensurliste zu beachten.
Dass man dadurch die entsetzlichen Bilder nicht bekämpft, sondern lediglich ein Deckmäntelchen darüber breitet, schien den am Gesetz Beteiligten nicht deutlich klar zu sein. Ganz im Gegenteil, durch diese Sperrliste beruhigen sich lediglich die Gemüter, denn man “hat alles Erdenkliche dagegen getan”. Und im Geheimen machen die Verbrecher weiter wie bisher – allerdings um den Fahndungsdruck erleichtert.
Derweil ist es selbst für Computer-unerfahrene Nutzer ein Leichtes, die Zugangssperren zu umgehen. Dazu bedarf es nur einiger Einstellungen im Browser, die man mit Windows-Boardmitteln ohne jede zusätzliche Soft- oder Hardware erledigen kann. Der kriminellen Szene kann man so also nicht beikommen – die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen sind bestenfalls sinnlos.
Gleichzeitig wird eine Zensurinfrastruktur geschaffen, die sehr schnell Begehrlichkeiten weckt, damit etwa gegen Beleidigungen, Urheberrechtsverstöße und ähnliche Fälle vorzugehen; entsprechende Forderungen wurden ganz schnell laut. Da diese Liste laut Gesetz alleine vom Bundeskriminalamt gepflegt wird und keiner juristischen Kontrolle unterliegt, entsteht hier eine aussergesetzliche polizeiliche Zensur.
Wir Piraten setzen uns für die Freiheit und die Bürgerrechte ein. Zensur ist nicht umsonst schon laut Grundgesetz verboten. Unsere Freiheit muss wichtiger sein als kommerzielle Interessen, und das Argument des Kinderschutzes ist vorgeschoben, wenn man nicht eindeutig gegen die Straftäter vorgeht und Sperren dieser Art gegen die Verbrecher wirkungslos sind.