§175: Opferakten vernichtet, Landesregierung untätig

queer

Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches, den es bis zum 11. Juni 1994 gab, stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Erst 1994 wurde dieser schwulenfeindliche Paragraf endgültig aufgehoben, vorher wurden insgesamt rund 140.000 Männer nach dieser Rechtsvorschrift verurteilt. Eine Entschädigung für dieses Unrecht in der Bundesrepublik Deutschland hat es bis heute noch nicht gegeben.

Die derzeitige Bundesregierung plant nun endlich eine Entschädigung der Opfer, die bislang allerdings nicht von der Stelle kommt. Eine Nachweispflicht der Verurteilung durch die Betroffenen ist ebenfalls vorgesehen. Für teils jahrzehntealte Verurteilungen werden die Opfer oft keine Unterlagen mehr besitzen.

Ich habe der Landesregierung Fragen gestellt, wieviele Opfer in NRW betroffen sind und wieviele der Gerichtsakten noch existieren, und ob NRW anhand der Akten von sich aus Schritte unternimmt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Landesregierung seit Jahren tatenlos zusieht, wie Aufbewahrungsfristen ablaufen und Akten vernichtet werden. Schritte, die Akten vor der Vernichtung zu retten – oder irgendwelche Schritte zur Sicherung der Ansprüche der Opfer – hat sie auch in den letzten vier Jahren nicht unternommen, obwohl der Landtag schon 2012 die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer in NRW beschlossen hat. Ein Skandal.

Wer Unterdrückung aufarbeiten will, darf Akten nicht vernichten lassen und muss sich einen Überblick über vorhandene Aktenbestände verschaffen. Ich erinnere daran, dass es schon bei der Entschädigung für Zwangsarbeit für die Betroffenen nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern nahezu unmöglich war, die notwendigen Nachweise zu erbringen. Eine nicht erfüllbare Nachweispflicht darf es nicht geben.


Berichtet wurde u.a. in den Männermagazinen „Männer“ und „Queer“:

22.08.2016 Queeer:Paragraf 175: Fast alle Opferakten in NRW vernichtet
22.08.2016 Männer:175er: Gerichtsakten vernichtet – Die Entschädigung der Opfer könnte deswegen sehr erschwert werden

Drucksachen:

Die kleine Anfrage „Entschädigung und Rehabilitierung der Opfer des §175 StGB“
Die Antwort des Justizministeriums

Ich danke der LAG Queer der LINKE.NRW für ihre Arbeit und Frank Laubenburg und Jasper Prigge für die Formulierung dieser Kleinen Anfrage!

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