Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Bundestrojaner

Ich habe heute Strafanzeige aus allen rechtlichen Gründen gegen Unbekannt gestellt.

Strafanzeige gegen Unbekannt in Zusammenhang mit dem sog. „Bundestrojaner“

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich stelle hiermit Strafanzeige aus allen rechtlichen Gründen gegen Unbekannt, welche die Herstellung, Anschaffung und den Einsatz des sog. „Bundestrojaners“ betrifft.

Dieser hat offensichtlich vielfältige illegale Funktionen, und wurde offenbar in Fällen eingesetzt, die durch die mangelnde Schwere der Straftat nicht begründet sind.

In Frage kommen u.a. folgende Straftaten: §201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, §201a StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, §202 StGB Verletzung des Briefgeheimnisses, §202a StGB Ausspähen von Daten, §202b StGB Abfangen von Daten, §202c StGB Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten, §203 StGB Verletzung von Privatgeheimnissen, §270 StGB Täuschung im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung, §303a StGB Datenveränderung, §303b StGB Computersabotage, sowie weitere.

Verdächtig sind Mitarbeiter und Beamte des Zollkriminalamtes als beschaffendes Organ, der Bundes- und Landeskriminalämter, der Innenministerien sowie Mitarbeiter der Herstellerfirma.

Angesichts des Preises der Software von über 2 Mio €, der mangelhaften Qualität (wie durch Sicherheits- und Software-Experten festgestellt) und der einschlägigen Vorbestrafung des Geschäftsführers rege ich auch Ermittlungen wegen §263 StGB Betrug, 299 und §300 StGB Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie §332 bis §335 StGB Bestechlichkeit im Amt an.

Bitte informieren Sie mich über Aufnahme und Fortlauf der Ermittlungen.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Schwerd


Update,
aus Gründen:

Ja, ich habe das spontan gemacht, und weder auf eine Erlaubnis dazu gewartet, noch eine Initiative gestartet. Zu letzterem fehlt mir die Zeit, zu ersterem die Lust. Und Geduld habe ich sowieso keine. Ich bin empört, und wollte nicht nur hinter dem Rechner sitzen und mich ärgern. Ich bin Pirat, ich denke und handle selbst.

Dreister Verfassungsbruch und dünne Ausreden: Der Bundestrojaner

In den letzten Tagen ging es in der Netzgemeinde hoch her: Der Chaos Computer Club veröffentlichte vergangenen Freitag eine Untersuchung, in der er ihm zugespielte Software analysierte, den er für einen Trojaner einer staatlichen Institution hielt.

Hatten zunächst noch Zweifel bestanden, ob es sich tatsächlich um eine Software einer staatlichen Überwachung handelt, so sind diese mittlerweile ausgeräumt. Das Innenministerium Bayern hat bereits zugegeben, diese Software verwendet zu haben. Auch die Quelle der Software hat sich mittlerweile geoutet: Ein Anwalt eines in Bayern überwachten Verdächtigen hat die Software dem CCC übergeben. Dies unterstreicht die Annahme, dass die Software in dieser Form vom Bundesland Bayern eingesetzt wurde. Aber auch mehrere andere Bundesländer haben mittlerweile erklärt, die Schnüffelsoftware einzusetzen, darunter auch Nordrhein-Westfalen.

Worum geht es bei dieser Software eigentlich genau?

Während die telefonische Überwachung von Verdächtigen genau geregelt ist, und einem richterlichen Vorbehalt unterliegt, hatten die Strafverfolgungsbehörden Schwierigkeiten, Chats und Internettelefonie wie beispielsweise Skype abzuhören. Diese sind nämlich oftmals während des Transports zwischen den Teilnehmern verschlüsselt, und lassen sich nicht dazwischen anzapfen. Daher wurde gefordert, die Kommunikation an der Quelle anzapfen zu dürfen, also unmittelbar auf dem Computer des Verdächtigen, noch bevor die Verschlüsselung einsetzt.

In den feuchten Träumen einiger Sicherheitspolitiker wurden noch andere Maßnahmen ersonnen: Etwa die Durchsuchung des Computers aus der Ferne, das Anfertigen von Screenshots während des Betriebes bei beliebigen Programmen, sowie die Nutzung von Mikrofon und Webcam zur Überwachung des Raumes rund um den Computer herum. Hier aber hat der Gesetzgeber ganz klare Grenzen aufgezeigt, und das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Februar 2008 geregelt, dass der Computer zur privaten Lebenssphäre des Menschen gehört, und nicht aus der Ferne durchsucht werden darf. Das Abhören der Wohnung ist im sog. großen Lauschangriff geregelt, der für diese Form der Überwachung ganz klare Grenzen und Verbote nennt.

Während also die Überwachung von Telekommunikation an der Quelle, also unmittelbar auf dem Computer, nach richterlicher Erlaubnis möglich ist, ist die Online-Durchsuchung sowie der Zugriff auf Mikrofon und Webcam untersagt.

Es zeigte sich aber, dass das vom Freistaat Bayern eingesetzte Programm hier keine Grenze zieht. Nicht nur, dass solche illegalen Funktionen bereits möglich sind, auch das Nachladen von weiteren Programmen und Dateien aus dem Internet erlaubt dieser Trojaner. Es ist also für die Überwacher per Mausklick, und ohne richterlichen Vorbehalt möglich, die Quellenüberwachung auf eine Online-Durchsuchung und einen großen Lauschangriff auszudehnen. Mehr noch, die Überwacher können zu jeder Zeit Dateien auf dem überwachten Computer hinzufügen, ändern oder löschen.

Hier liegt also bereits ein eklatanter Verfassungsbruch, und eine Missachtung der Anordnung des höchsten Gerichtes Deutschlands vor.

Damit aber noch nicht genug, die Experten vom CCC stellten fest, dass die Kommunikation zwischen den Überwachern und dem überwachten Computer nicht ausreichend geschützt ist. Der überwachte Computer ist für Befehle von außen offen wie ein Scheunentor. Die Software prüft nicht, ob die Befehle von den legitimen Überwachern, oder von einer anderen Stelle kommen. Nur unzureichend Verschlüsselt ist die Kommunikation vom überwachten Rechner zu den Abhörern. Hier ist das Mithören ohne besondere Entschlüsselungssoftware möglich. Die Ergebnisse der Überwachung werden also ohne Not auf dem Wege durch das Internet preisgegeben.

Die Programmierung dieser Schnüffelsoftware darf man also in der Hinsicht als stümperhaft und fahrlässig bezeichnen. Ich frage mich, welche Beweiskraft solchermaßen erlangte Informationen überhaupt haben sollen, wenn deren Abfangen und deren Veränderung auf dem Wege durch das Internet so einfach gemacht wird. Ein gefundenes Fressen für die Verteidigung der Überwachten. Das von den Sicherheitsbehörden gewünschte Instrument der Quellenüberwachung wurde durch Dilettantismus zerstört.

Gleichermaßen wird es um die Beweiskraft von Dateien und Unterlagen stehen, die auf einem Computer aufgefunden werden, der zuvor durch diese Schnüffelsoftware kompromittiert war. Wenn jeder von außen problemlos Dateien zufügen und abändern kann, welchen Beweiswert sollen dort vorgefundene Dateien überhaupt noch haben? Hier werden ohne Not eventuelle Beweismittel schon im Vorfeld zerstört.

Besonders empört bin ich, dass die Kommunikation zwischen dem überwachten Rechner und den Abhörern über einen Computer in den Vereinigten Staaten geleitet wird. Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber hier den US-amerikanischen Behörden den kompletten Zugriff auf in Deutschland überwachte Computer zu geben finde ich höchst alarmierend. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die USA eine sehr andere Auffassung von Datenschutz und Privatsphäre hat, und im Umgang mit Verdächtigen es mit der Rechtstaatlichkeit nicht immer so genau nimmt. Warum wurde hier ohne Not den US-Behörden ein Zugang eröffnet? Mir kann niemand erzählen, dass dies vollkommen unabsichtlich geschieht.

Der ganze Skandal wird garniert mit dünnen Ausreden. Was soll uns die Aussage bringen, die Software entspreche den Sicherheitsbedingungen des Bayerischen Landeskriminalamt? Das kann nur bedeuten, dass diese nicht ausreichend sind. Und Gesetze sind mit diesen Bedingungen offenbar auch noch keine eingehalten.

Entspricht es geltenden Sicherheitsbedingungen, solche Software von einem Unternehmer zu kaufen, der rechtskräftig wegen Bestechung verurteilt ist?

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister und CSU-Mitglied, behauptet, mit der Software sei nichts illegales gemacht worden, und im Übrigen sei alles schon bekannt gewesen. Herr Herrmann, war auch bekannt, dass die Software durch seine lausige Konstruktion die erlangten Beweise quasi umgehend vernichtet?

Herr Herrmann, was ist das denn für eine Ausrede, dass die illegalen Funktionen nicht genutzt worden sind? Kann das der Kerl dem Richter erklären, der im Kofferraum seines Autos Handschellen und Klebeband hat, während er vor dem Kindergarten wartet? Das ist ja wohl eine der dümmsten und lebensfremdesten Ausreden, die man je gehört hat. Hängen Sie mal einen roten Klingelknopf mit der Aufschrift „Nicht Drücken“ an die Wand und warten Sie ab, wie lange es bis zum ersten Klingeln dauert.

Wie glaubhaft ist diese Ausrede, wenn bereits der Hersteller der Software diese -illegalen- Funktionen als besonderes Merkmal seiner Software darstellt

Sie behaupten, Screenshots seien nur für die vom Verfassungsgericht vorgesehenen, besonders schweren Straftaten angefertigt worden. Fakt ist aber, dass diese Software in Fällen von Arzneimittelschmuggel oder Kleidungsdiebstahl eingesetzt wurde, hier bezweifle ich, ob die vom Verfassungsgericht vorgesehene Schwere der Straftat überhaupt vorliegt. Damit wäre der Einsatz definitiv illegal.

Besonders dünne Ausrede: Der CCC solle erst mal Beweise vorlegen, denn man sei sich einig gewesen, diese Software gar nicht einsetzen zu wollen, so behauptete Wolfgang Bosbach, seines Zeichens Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses. Nach den Geständnissen der Überwacher nun hinfällig. Dennoch bezeichnend.

Eine dreiste Lüge ist übrigens die Behauptung, der CCC habe das Innenministerium nicht vorab informiert. Das ist schlicht falsch. Genauso billig die Vorwürfe an den CCC, falsche Behauptungen aufzustellen. Was für eine Frechheit, den Überbringer der schlechten Nachricht auch noch zu belasten!

Für diese dreisten Verfassungsverstöße, die Missachtung des Verfassungsgerichtes, und nicht zuletzt für die Sabotage der Überwachung von tatsächlichen, schweren Straftaten müssen Köpfe rollen. Rücktritte sind fällig!

Die Software darf so nicht mehr eingesetzt werden. Eine Quellenüberwachungssoftware darf keinerlei erweiterte Funktionen enthalten, die Kommunikation muss verschlüsselt sein und darf nicht über ausländische Server geleitet werden. Wobei bereits in Frage gestellt ist, ob der Einsatz solcher Software überhaupt rechtlich einwandfrei möglich ist.

Foto „Mülleimer“: Daniel Schwerd Lizenz: CC-BY-NC-SA 3.0 & Backlink.

Wer wissen möchte, wie das mit dem Trojaner so funktioniert, dem sei dieses Video von wortfeld empfohlen: Der Staatstrojaner in dreieinhalb Minuten:

Datenskandal: Vorratsdatenspeicherung trotz Verbot

Heute berichtet der AK Vorratsdatenspeicherung in einer Pressemitteilung, dass Telekommunikationsunternehmen massiv Bewegungs- und Funkzellendaten speichern und für längere Zeit aufbewahren, obwohl diese Speicherung gegen das Telekommunikationsgesetz verstößt und durch das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung am 2. März 2010 klare Grenzen der Speicherung aufgezeigt wurden.

Eine im Internet veröffentlichte als Verschlusssache bezeichnete Aufstellung der Generalstaatsanwalt- schaft München offenbart, dass Bewegungsdaten in Funkzellen, inklusive der Daten von angerufenen Nutzern, wochenlang gespeichert bleiben, obwohl diese für Abrechnungszwecke keineswegs notwendig sind – und damit deren Speicherung verfassungs- und rechtswidrig ist.

Ich habe heute dem Datenschutzbeauftragten der Telekom einen Brief geschrieben, diese Praxis einzustellen, und mir anschließend eidesstattlich zu versichern, dass keine Bewegungsdaten mehr gespeichert werden. Diesen bilde ich unten ab, wer mag, kann sich anschließen.

In diesem Rahmen möchte ich alle Mitleser dringend auffordern, sich der ePetition zum Verbot der Vorratsdatenspeicherung anzuschließen. Bitte hier klicken und teilnehmen – es kostet nichts, bringt aber doch so viel für unsere Privatsphäre.

Datenschutzbeauftragter der
Deutschen Telekom AG bzgl. T-Mobile
53184 Bonn

(Ort), den (Datum)

Speicherung personenbezogener Daten in Ihrem Hause

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Bundesverfassungsgericht hat am 2. März 2010 die sog. Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt (1). Im Rahmen dieses Urteils erklärte es, dass die Unternehmen lediglich jene Daten erfassen und speichern dürfen, die sie für Abrechnungszwecke dringend benötigen. Alle anderen Daten müssten unverzüglich gelöscht werden. Dies sieht auch der §97 des Telekommunikationsgesetzes vor.

Aus der Presse konnte ich heute entnehmen, dass Sie umfangreich Verkehrsdaten erfassen und für einen Zeitraum von 30 Tagen speichern (2). Dazu liegt der Generalstaatsanwaltschaft München eine Aufstellung vor. Dazu zählen offenbar Orts- und Bewegungsdaten über Mobiltelefone in Funkzellen, wohl auch für angerufene Anschlüsse.

Zu Abrechnungszwecken sind Funkzellen- und Bewegungsdaten jedoch überhaupt nicht erforderlich. Ebenso ist es nicht erforderlich, angerufene Mobilfunkanschlüsse zu speichern, da für Anrufe in Deutschland für den Angerufenen keine Kosten entstehen.

Ich darf Sie daher auffordern, die verfassungswidrige Speicherung von Bewegungsdaten unverzüglich zu unterlassen, sowie keine Daten über angerufene Anschlüsse bei diesen zu speichern. Weiter fordere ich Sie dazu auf, mir anschließend eidesstattlich zu versichern, dass diese rechtswidrige Praxis eingestellt worden ist, und dass keine Bewegungsdaten in Mobilfunknetzen mehr gespeichert werden.

Mit freundlichen Grüßen
(Ort, Datum)
(Unterschrift)

(1) https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html
(2) http://www.fr-online.de/politik/spezials/datenschutz/telefonanbieter-im-speicherwahn/-/1472644/10801778/-/index.html

Ich habe keine Angst

…zumindest keine vor islamischem Terrorismus. Diese Gefahr ist nämlich absurd. Oder wieviele Opfer hat er in Deutschland bereits gefordert? Ist ein herrenloser Koffer auf einem namibischen Flughafen Grund für Terrorpanik? Sind Youtube-Videos vermeintlicher “Gefährder” Grund für ein Massenaufgebot von maschinenpistolenbehangenen Polizisten?

Ich habe sehr wohl Angst – nämlich Angst um meine Kinder, die Gesundheit meiner Familie, Angst um unser aller Freiheit.

Ich habe Angst vor Politikern, die schamlos die Angst der Bürger instrumentalisieren, um Bürgerrechte einzuschränken. Ich habe Angst vor einer Zukunft der Duckmäuser und Blockwarte, vor einer Zukunft ohne Meinungs- und Bewegungsfreiheit. Angst davor, dass ein Turban, ein Vollbart, eine fremde Sprache bald wieder reicht, sich in einem Internierungslager wiederzufinden.

Ich habe Angst vor Politikern, die unsere Gesundheit und die der nachfolgenden Generationen an Konzerne verkaufen. Ich habe Angst vor einer “Nach uns die Sintflut”-Mentalität alternder Politiker, Lobbyisten und Konzernlenker, die unseren Kindern nur eine Müllhalde hinterlassen. Ich habe Angst vor rosigen Fässern mit jahrtausendelang strahlendem Abfall, dessen Entsorgung bislang vollkommen ungeklärt ist.

Angst darf uns aber nicht erstarren lassen. Wir müssen JETZT dagegen aufstehen und Stellung beziehen – auf das wir uns nicht einschüchtern lassen. Lasst uns den Politikern sagen, dass es so nicht geht, dass wir uns keine Angst machen lassen!

Diesen Artikel habe ich an die tolle Aktion Wir haben keine Angst von Mario Sixtus gesendet. Dankeschön dafür! Empfehlung an alle: Mitmachen!

Wir haben keine Angst

Streetview: Widerspruch gegen Widerspruch

Seit heute Nacht ist es endlich online, Google Street View für Deutschland – zumindest für die zwanzig größten Städte, und damit auch für Köln. Ich habe mich gleich auf einen virtuellen Streifzug gemacht – und bin an diversen Stellen vor virtuelle Milchglasscheiben gelaufen. An dieser Stelle hat nämlich ein Anwohner von der Möglichkeit gebraucht gemacht, Widerspruch einzulegen.

Dazu muss man wissen, dass ein gewisser Teil unserer Bevölkerung die Privatsphäre seiner Hausfassade sehr hoch einschätzt (ich fürchte, dass die meisten gleichzeitig wenig wissen über ACTA, Zensus 11, die Vorratsdatenspeicherung oder ELENA, die einen ungleich höheren Eingriff in Privatsphäre und Datenschutz darstellen). Google hat auf diese Bedenken Rücksicht genommen und das Widerspruchsrecht eingeräumt. Man muss aber genauso wissen, dass es keine Rechtsgrundlage für einen Widerspruch gibt – dies ist eine freiwillige Maßnahme des amerikanischen Konzerns. Es verhält sich nämlich genau andersherum: In Deutschland gilt die sogenannte Panoramafreiheit: Von öffentlichen Verkehrswegen aus sichtbare Werke dürfen fotografiert und bildlich wiedergegeben werden. Eine Veröffentlichung kann man nicht verbieten, selbst wenn sie kommerziellen Zwecken dient – dies ist ausdrücklich in §59 UrhG so geregelt. Einschlägige Urteile des Bundesgerichtshofes gibt es ebenfalls.

Somit beugt sich Google ohne Not den Bedenkenträgern der Veröffentlichung, und schafft einen Wald von „Pixelbomben“ in der Street View-Ansicht unserer Städte. Interessanterweise gibt es von einigen Städten bereits seit Jahren Ansichten von Einzelhäusern in Internet von unterschiedlichen Anbietern, ohne dass es solche Empörung gegeben hätte – hier trifft es den vermeintlich bösen internationalen Konzern, vermutlich auch aus Unkenntnis der Rechtslage und des Ist-Zustandes im Netz.

Bemerkenswert ist auch der Dienst Panoramio, über den Nutzer die von Ihnen geschossenen Fotos veröffentlicht und verteilt. Dessen Fotos können nämlich in Google Street View integriert angezeigt werden, teilweise sogar perspektivisch korrekt. Wenn also ein Nutzer ein Foto eines verpixelten Hauses anfertigt und hochläd, wird die Fassade in Streetview also wieder angezeigt – womöglich sogar aktueller und besser aufgelöst als es das Streetview-Foto ursprünglich war. Und eine Widerspruchsmöglichkeit hier gibt es nicht. In diesem Falle haben sich die Widersprecher einen Bärendienst erwiesen.

Es gibt jedoch auch noch eine weitere Komponente dieses Streites: Die öffentliche Ansicht unserer Städte ist ein Allgemeingut. Das Durchwandern unserer Städte und das Betrachten des Panoramas ist ein kulturelles Erlebnis – dies wird jedoch erheblich eingeschränkt durch die Bemühungen einer Minderheit, ihre Hausansichten durch ihren Widerspruch aus der Öffentlichkeit herauszuholen und in eine Privatheit zurückzustoßen, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. Die „digitale Öffentlichkeit“ unserer Städte wird dadurch zensiert.

Es wurden ganze Häuserfronten verpixelt, wenn nur ein Bewohner des Hauses Widerspruch einlegte – auf eventuelle abweichende Wünsche der anderen Bewohner wurde keine Rücksicht genommen. Es wurden auch Firmen, sogar die Parteizentrale der GRÜNEN ist verpixelt – hier frage ich mich, wessen Persönlichkeitsrechte überhaupt betroffen sein könnten. Durch die Verpixelung werden teilweise auch Nachbarhäuser verdeckt, oder ein im Erdgeschoss befindliches Ladengeschäft, was dadurch den erheblichen Werbeeffekt verliert.

Dies brachte mich auf die Idee des „Widerspruchs gegen den Widerspruch“. Wenn Google auf den Widerspruch der Bewohner eines Hauses reagiert, so müssten sie sich auch mit dem Widerspruch gegen die Verpixelung auseinandersetzen.
Wer mag, kann den folgenden Text verwenden und an Google senden. Ich habe mich an den Musterwiderspruch des Bundesministeriums für Verbraucher orientiert:

(Datum)
(Vor- und Zuname)
(Adresszusatz)
(Straße und Hausnummer
(PLZ, Ort)

Google Germany GmbH
Betr.: Street View
ABC-Straße 19

20354 Hamburg

Per E-Mail: streetview-deutschland@google.com

Widerspruch gegen einen Widerspruch gegen Veröffentlichungen durch den
Internetdienst Google Street View

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen die Speicherung und Veröffentlichung von Abbildungen meines/des von mir bewohnten Hauses durch den Internetdienst Google Street View wurde durch einen anderen Inhaber/Bewohner/Nachbar Widerspruch eingelegt.

Mit diesem Widerspruch bin ich nicht einverstanden, er wurde ohne meine Erlaubnis oder meine Zustimmung eingelegt. Ich widerspreche daher diesem Widerspruch, und wünsche ausdrücklich die Speicherung und Veröffentlichung von Abbildungen meines/des von mir bewohnten Hauses durch den Internetdienst Google Street View.

Es handelt sich um die Liegenschaft:
(Straße, Hausnummer) (PLZ, Ortsname)

Nähere Beschreibung:
(Beschreibung ergänzen)

Diese Daten dürfen nur zur Bearbeitung des Widerspruchs gegen einen eventuellen
Widerspruch verwendet werden. Einer Nutzung oder Verarbeitung zu anderen Zwecken oder durch Dritte widerspreche ich ausdrücklich.

Um die Bestätigung des Eingangs und Berücksichtigung meines Widerspruchs wird gebeten.

Mit freundlichen Grüßen
(Ort, Datum)
(Unterschrift)

De-Mail und die Folgen

Schon länger geistert sie durch die Medien, jetzt wurde sie mit großem Tamtam offiziell angekündigt:
Die “De-Mail“. Bettrieben von der Deutschen Telekom soll sie die Zustellung von E-Mails rechtssicher garantieren, so dass in Zukunft selbst Verträge per E-Mail sicher geschlossen werden können. Darin eingeschlossen ist eine Verschlüsselung sowie eine eindeutige Identifizierung der Teilnehmer. Das System basiert rechtlich auf dem Telemediengesetz, ein separates De-Mail-Gesetz ist in Vorbereitung. Dienstanbieter müssen sich durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) akkreditieren lassen.

Im ersten Moment klingt das Angebot verlockend: Kann man doch auf den Versand von Papier verzichten – die De-Mail wird verschlüsselt (während bei normalen E-Mails der Text offen lesbar übertragen wird), und man kann wie bei einem Einschreiben eine Empfangsbestätigung erhalten.

Schaut man jedoch unter die Haube, offenbaren sich einige Nachteile, die meines Erachtens das Angebot für
Privatnutzer höchst gefährlich machen, so dass ich persönlich von der Nutzung abrate. Aber der Reihe nach.

Wer ein De-Mail-Postfach haben möchte, der muss sich zunächst bei einer Postfiliale durch Vorlage seines Personalausweises durch das sogenannte Postident-Verfahren eindeutig identifizieren. Dabei werden die persönlichen Daten des Ausweises inklusive seiner Nummer aufgenommen.

Dies bedeutet, dass eine anonyme Kommunikation über dieses Postfach nicht mehr möglich ist. Alle Kommunikation von oder zu diesem Postfach ist ganz eindeutig dem Nutzer zuzuordnen. Dies ist der erklärte Zweck dieses Systems.

Genauso klar muss dann allerdings sein, dass auch alle Kommunikation zentral in einem System gespeichert wird. Hier entsteht also ein persönliches Gebirge vertraulichster Informationen aller Art an einem Ort, von Kommunikation mit Ämtern, Krankenkassen und Firmen bis hin zu Verträgen, Versicherungspolicen, Behördengängen etc. Es wird erfasst, wann und mit wem Kommunikation welchen Inhaltes geführt wurde. Für Data-Mining-Experten ein Schlaraffenland, um eine intensives Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Die Verwendung mehrerer Identitäten, etwa um die Zusammenführung von Informationen zu erschweren, ist nicht möglich. Zudem muss man mit der langfristigen Speicherung aller Verbindungsdaten durch die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung rechnen.

Ich erinnere an die allgemeine Zurückhaltung gegenüber des Google-Postfaches GMail: Es wurde kritisiert, dass die gesamte Kommunikation der Nutzer auf Googles Servern zusammengeführt wird. Aber Google hat keine eindeutigen Informationen über Ihre Identität, und bekommt in der Regel auch keine persönlichen Dokumente zu sehen. De-Mail ist eine viel umfangreichere Datenkrake mit weitaus sensibleren Informationen – zudem auch noch ganz eindeutig einer lebenden Person zugeordnet.

Wer jetzt meint, die Daten seien an dem Ort vor allen Augen geschützt, der unterliegt einem gefährlichem Irrtum. Alle persönlichen Daten des Nutzers sind gem. §113 Telekommunikationsgesetz (TKG) Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten herauszugeben – dies auch ohne richterliche Genehmigung. Im Gesetzentwurf zum De-Mail-Dienst geht die Auskunftspflicht sogar noch weiter, und erstreckt sich auf die Anfrage von Firmen und Privatleuten auch ohne richterlichen Titel.

Im Online-Verfahren (§112 TKG) haben über tausend Behörden Zugriff auf die Identität des Nutzers. Eine De-Mail-Adresse ist also vollkommen öffentlich und nicht privat. Dies dürfte den meisten Privatnutzern so nicht klar sein – diese E-Mailadresse ist damit also noch weniger anonym als es der volle Familienname wäre, denn letzterer ist wegen Namensgleichheiten nicht immer einer einzelnen Person zuzuordnen, die De-Mail-Adresse aber schon, einschließlich des Wohnortes, Geburtsdatums und der Ausweisnummer.

Aber nicht nur die Personendaten müssen herausgegeben werden – an Polizei, Geheimdienst und Verfassungsschutz werden sogar Login-Informationen und Passwort herausgegeben, welche dann vollen Zugriff auf alle Kommunikation und gespeicherten Dokumente bekommt. Damit sind dort liegende Dokumente weniger sicher als in der Schublade bei Ihnen zu Hause.

Für die herkömmliche Post hingegen gelten dagegen ganz andere Rechte. Hier gilt das Briefgeheimnis – das Öffnen und Lesen von Briefpost ist weitaus höheren rechtlichen Hürden unterworfen. Aber selbst private E-Mail-Dienstanbieter dürfen Ihre personenbezogene Daten nicht an Firmen oder Privatleute herausgeben, sie machen sich strafbar. Damit ist ihre De-Mail-Post sogar weniger gesichert.

Für den Zugang einer De-Mail gilt eine Beweislastumkehr: Muss im Normalfall der Versender nachweisen, dass seine Sendung beim Empfänger angekommen ist, muss er bei der De-Mail nur den Versand nachweisen. Als Empfänger müsste man im Zweifel beweisen, eine De-Mail NICHT erhalten zu haben. Naturgemäß ist dieser Nachweis nur sehr schwer zu führen: Die Anwesenheit von etwas lässt sich leicht beweisen, aber die Abwesenheit von etwas nur sehr schwer. Dies kann im Zweifel zu Beweisführungsproblemen führen.

Eine Behördenmail gilt laut De-Mail-Gesetzentwurf automatisch als zugestellt, selbst wenn der Nutzer die Email nicht lesen konnte (etwa weil er das Postfach nicht abrief weil ein Computer nicht mehr zur Verfügung stand etc.). Damit könnte ein Bescheid durch eine Behörde wirksam werden, ohne dass der Bürger das überhaupt erfährt, inklusive des Ablaufs einer Einspruchsfrist.

Auch die Verschlüsselung ist nicht so sicher, wie man vermuten mag. Es handelt sich nicht um eine End-To-End-Verschlüsselung, sondern die Nachricht wird erst nach der Einlieferung auf Provider-Seite verschlüsselt, und vor der Auslieferung wieder entschlüsselt. Damit liegt die Nachricht beim Provider selbst unverschlüsselt vor, und könnte da eingesehen werden. Dies stellt eine geringere Sicherheit dar, als bei der nutzerseitigen Verschlüsselung, wie sie etwa PGP (Pretty Good Privacy) oder GnuPG bietet.

Der Hauptanbieter der technischen Lösung ist der ehemalige Staatsbetrieb Deutsche Telekom. Er ist in der Vergangenheit in mehrere Datenschutz- und Überwachungsskandale verwickelt gewesen. So wurden Millionen T-Mobile-Kundendatensätze entwendet, und Journalisten illegal überwacht. Diese Vergangenheit steigert nicht gerade das Vertrauen in die Sicherheit dieser sensiblen Daten bei dem Anbieter.

Die Telekom arbeitet mit dem Bundesinnenministerium in diesem Angebot eng zusammen. Im Innenministerium hingegen reiften die im Bürgerrechtssinne bedenklichen Initiativen zur Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung, so dass man befürchten muss, dass die Weitergabe von Daten an öffentliche Stellen eher großzügig gehandhabt werden wird.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Nutzung von De-Mail nicht vollkommen kostenlos sein wird. So ist die Einrichtung eines Postfaches und der Empfang derzeit zwar kostenlos, aber der Versand einer Mail kostenpflichtig (im Moment vergleichbar mit dem Briefporto).

Zwar ist die Teilnahme am De-Mail-Dienst freiwillig, es könnte aber das Vorhandensein einer De-Mail-Adresse immer mehr zur Vorrausetzung zur Durchführung von Behördengängen und für Geschäftsprozesse mit Unternehmen werden, bzw. der anonymen Teilnahme könnten immer mehr Hürden entgegengesetzt werden. Schließlich ist es ganz erklärtes Ziel des Innenministeriums, die Nutzung von De-Mail zum Normalfall elektronischer Kommunikation zu machen, also die herkömmliche, anonyme elektronische Kommunikation durch andere Anbieter auszutrocknen.

In der Stellungnahme des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung wird von der Nutzung von De-Mail abgeraten. Ich kann das nur unterstreichen.

Privatsphäre ist kein Verbrechen! Sie haben ein Recht auf Anonymität.

De-Mail und die Folgen

Die geheimen ACTA-Verhandlungen und die Bürgerrechte

Es könnte eine Geschichte aus einem Spionage-Thriller sein: Die Regierungen der Welt verhandeln heimlich mit multinationalen Konzernen über die Änderung und Abschaffung von Gesetzen zu deren wirtschaftlichem Wohle, ohne dass Parlamente oder die Bevölkerung darüber informiert sind.

Es handelt sich jedoch nicht um einen Bestseller-Roman, sondern um die Wirklichkeit: Seit einigen Jahren verhandeln die USA, die Europäische Union, Kanada, Japan, die Schweiz, Australien und einige andere Staaten über ein „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ (ACTA) genanntes Abkommen. Vorgebliches Ziel ist die Bekämpfung von Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen, wobei Internationale Kooperation, Abstimmung des Gesetzesvollzugs und schließlich die Schaffung neuer Gesetze zur Verwertung geistigen Eigentums beschlossen werden sollen.

Waren diese Verhandlungen zunächst vollkommen geheim, sind vor einigen Monaten spärlich Informationen an die Öffentlichkeit gelangt, die Anlass zu höchster Besorgnis geben müssen. Dabei wird klar, dass die Verhandlungen ganz im Sinne einer kleinen Industrie von Rechteverwerten geführt wird, die damit ihre wirtschaftlichen Interessen vorantreiben.

Es ist in höchstem Maße verwunderlich, dass Handelsabkommen dieser Art geheim stattfinden müssen – ist es doch Konsens in allen westlich orientierten Staaten, das Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen illegal sind, Gesetze zum Schutz der Urheber notwendig sind, und Ansprüche international durchgesetzt werden sollen. Es besteht kein Grund, solche Abkommen nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln außerhalb des Parlamentsweges durchzuführen, und die Völker nicht über die Ziele der Aktion zu informieren und zu beteiligen.

Schaut man jedoch auf die bislang nur spärlich vorliegenden Informationen, versteht man die Motivation für die Geheimhaltung dagegen sehr schnell: Es werden Bündel von Aktionen und Maßnahmen verhandelt, die einen erheblichen Einfluss auf Bürgerrechte und demokratische Freiheiten, auf Unschuldsvermutung, Bewegungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Haftungsfragen des Internets und Gesetzgebung haben.

Eine der Maßnahmen sieht vor, dass – entgegen der bestehenden Rechtslage – Internetdienstanbieter für von ihren Kunden begangene Urheberrechtsverletzungen als Störer haftbar gemacht werden können. Bislang haftet man als Dienstanbieter erst ab Kenntnis, also wenn man Wissen über einen Rechtsverstoß eines Nutzers haben kann. ACTA sieht das aber anders: Internetdienstanbieter sollen auch ohne Kenntnis haften, und das nur dadurch vermeiden können, dass sie den Datenverkehr ihrer Kunden überwachen, und selbstständig den Internetzugang ihrer Kunden nach Urheberrechtsverstößen sperren.

Damit macht man den Zugangsprovider zu einer Urheberrechtspolizei, genaugenommen zu Polizei, Richter und Vollstrecker von Industrieinteressen in einer Person. Mehr noch, man verpflichtet sie zu einer Zensur- und Schnüffelfunktion ähnlich dem chinesischen Internet, und setzt jeden Nutzer unter Generalverdacht.

Abgesehen davon, dass damit jeder Internetdienstanbieter vor unabsehbaren Haftungsfragen steht, sieht er sich zu technologischem und organisatorischem Aufwand gezwungen, den letztlich die Nutzer der Dienste bezahlen müssen – und da heutzutage quasi jeder Mensch der westlichen Hemisphäre Internetdienstleistungen nutzt, damit also die gesamte Bevölkerung. Ich bin sicher, dass die Kosten dieser Maßnahme die der damit möglicherweise verhinderten Rechtsverstöße um ein Vielfaches übersteigen werden.

Gleichzeitig wird die Privatsphäre unerträglich verletzt. Das Interesse einer kleinen Industriegruppe scheint schwerer zu wiegen als der Anspruch der Menschheit, seine Kommunikation privat und ohne inhaltliche Überwachung durchführen zu können. Die Bürgerrechte der überwiegenden Mehrheit rechtstreuer Menschen werden handstreichartig abgeschafft, um wirtschaftlichen Interessen einer einzelnen Industrie entgegenzukommen.

Zudem wird die Exekutive und Judikative umgangen. Rechtsverstöße dürfen nicht durch private Organisationen verfolgt und bestraft werden, sondern dafür ist immer die Polizei sowie die Gerichte zuständig. Die Abschaltung des Internetzuganges stellt für manche Personen die soziale oder kulturelle Isolation, oder auch den wirtschaftlichen Ruin dar, daher darf eine solche Strafe niemals automatisch nach jeder Art von Rechtsverletzung folgen, sondern sie muss immer im Einzelfall geprüft, und ins Verhältnis zum Vergehen gesetzt werden. Dies sollen aber stets nur Gerichte entscheiden dürfen, keine Internetunternehmen.

Weiter fordert ACTA Internetsperren, womit scheinbar nicht nur die in Deutschland kürzlich debattierten DNS-Sperren gemeint sind, es wird eine Methode der internationalen Zensur verlangt. Eine weitere Forderung ist offenbar das verdachtsunabhängige Recht auf Durchsuchung von Computer-Festplatten nach urheberrechtsgeschütztem Material bei der Einreise in ein Land. Beide Maßnahmen verletzen in extremem Ausmaß Bürgerrechte.

Sehr kritisch zu sehen ist die Forderung nach einem Verbot der Umgehung von Internetfiltern und –Sperren. Damit wird es illegal, einen Anonymisierungsdienst zu nutzen, mit dem sich ein höheres Maß an Sicherheit der Kommunikation erreichen lässt. Gleichfalls illegal wäre die Verwendung von VPN-Verbindungen, den Einsatz alternativer DNS-Provider und PGP-Schlüssel sowie der Verschlüsselung von Kommunikation allgemein. Anonymität ist jedoch eine wichtige Voraussetzung von freier Meinungsäußerung, Verschlüsselung in vielen Fällen der wichtigste Schutz vor Betrug und Phishing einerseits, und Abhörung firmeninterner und betrieblicher Kommunikation andererseits. Das Internet wird dadurch ein erhebliches Stück unsicherer für alle Benutzer.

Die Verhandlungen finden ohne Beteiligung der Parlamente statt, was sogar das Europäische Parlament zum Anlass nahm, die beteiligten Parteien dazu aufzufordern, über den Stand der Verhandlungen zu informieren – sonst wären diese vollkommen ohne Öffentlichkeit und rechtstaatliche Kontrolle durchgeführt worden, und eine Verpflichtung zur Umsetzung von Gesetzen hätte bestanden, bevor die Bevölkerungen der Länder überhaupt Gelegenheit zur Kenntnisnahme gehabt hätten – international ein absolut einmaliger Vorgang, und ein Bruch demokratischer Rechte sondergleichen.

Mit den geheimen Verhandlungen soll eine demokratische Debatte verhindert werden, vermutet die Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Den Initiatoren des ACTA-Abkommens ist offenbar bewusst, dass sich die Öffentlichkeit über die Ausmaße der Verletzung der Privatsphäre empören würde, und man hielt es für angezeigt, erst nach Abschluss der Verträge die quasi fertigen Gesetze der Bevölkerung und den demokratischen Gremien anzuzeigen. Das ist eine Ungeheuerlichkeit.

Die Piratenpartei fordert, die Gespräche zu ACTA sofort einzustellen. Legt ACTA ad acta! Ich denke, dass diese Initiative vollkommen einseitig motiviert ist, und sich von den ursprünglichen Zielen des Schutzes von Erfindern und Urhebern vollkommen entfernt hat. Internationale Handelsabkommen gegen die Produktpiraterie und zur internationalen Durchsetzung von Urheberrechten halte ich für erlaubt, sie sollten jedoch niemals im Verborgenen stattfinden, sondern es sollte rechtsstaatliche Kontrolle erfolgen, und es sollten selbstverständlich die Bürgerrechte und die Privatsphäre gewahrt bleiben.

Anlasslose, massenhafte Kontrolle und Überwachung zugunsten von Wirtschaftsinteressen muss unterbleiben – die anlassbezogene Überwachung bleibt ja möglich, und war bislang schon erfolgreich in der Verfolgung von Gesetzesbrüchen. Nur Polizei und Gerichte sollen für die Verfolgung von Rechtsverstößen zuständig sein, Internetdienstleister und Netzbetreiber müssen neutral bleiben, und erst ab Kenntnis eines Rechtsbruchs einschreiten. Eine Zensur findet nicht statt. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum – es gilt nämlich das Grundgesetz.

Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten des Bündnisses „Stopp ACTA“:
http://www.stopp-acta.info/deutsch/index.html

Eine öffentliche e-Petition fordert die Bundesregierung auf, die Verhandlungen offenzulegen. Diese können Sie hier mitzeichnen:
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=10695

Das verstaatlichte Internet

Heute Morgen blieb mir das Frühstück im Halse stecken: Ich las einen Artikel, in dem Herr de Maizière, unser Innenminister, die Verstaatlichung der Adressvergabe im Internet fordert. Das private Einrichtungen das Internet kontrollieren, sei “keine ausreichende Antwort für die Zukunft”. Staatliche Einrichtungen hätten eine “Schutzpflicht für sichere Online-Kommunikation”, um das Vertrauen der Bürger in die Sicherheit von Diensten wie Online-Banking und E-Mails zu sichern.

Zuvor sagt er bereits, es sei ein Phänomen, dass die Adressvergabe überhaupt funktioniere, obwohl sie nur von Privatleuten verabredet sei.

Herr de Maizière, ich bin überrascht! Hat nicht Ihre Partei die Privatisierung der Deutschen Post unterstützt? Mit dem Vertrauen der Bürger in die Sicherheit ihrer Briefe hatten Sie dabei offenbar keine Probleme. Sie ließen sogar weitere Dienstleister zu, die Briefe befördern dürfen.

Wie sieht es denn mit den Banken aus? Sollte man diese nicht ebenfalls privatisieren? Damit ließe sich das Vertrauen der Bürger in die Stabilität ihrer Banken und der Bankgeschäfte bestimmt erhöhen.

Wo wir doch dabei sind, wie ist es denn mit der Nahrungsmittelindustrie und dem Einzelhandel? Die Deutschen sind besorgt um die Zusammensetzung und die Qualität ihres Essens, würde die Verstaatlichung nicht den Verbraucherschutz deutlich stärken?

Was halten Sie von Medienunternehmen in privater Hand? Sind verstaatlichte Medien nicht eher geeignet, entstellende oder verleumderische Inhalte zu verhindern und unsere Jugend vor ungeeigneten und pornografischen Inhalten zu schützen?

Lieber Leser, bitte verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin selbst Unternehmer, und stehe staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft generell äußerst kritisch gegenüber. Die obigen Fragen sind rhetorische, natürlich fordere ich nicht die Verstaatlichung von ganzen Industrien.

Es zeigt sich darin aber die Hybris der CDU. Was der Innenminister hier fordert, ist eigentlich Sozialismus, nämlich Vergesellschaftlichung der Wirtschaftsordnung durch einen starken, beschützenden Staat.

Normalerweise sieht die CDU das fundamental anders: Sie setzt auf die Selbstregulation des Marktes, und möchte staatlichen Einfluss auf Industrie und Wirtschaft zurückdrängen. Forderungen nach mehr staatlicher Kontrolle wird abgelehnt. Selbst nach der durch gierige Spekulanten ausgelösten Weltwirtschaftskrise hat sie die direkte Einflussnahme auf die Banken vermieden.

Anders sieht es aber mit der Meinungsfreiheit aus – damit hat die CDU keine Schwierigkeiten. Denn die Denic ist eine Genossenschaft, die nicht gewinnorientiert arbeitet – ist also kein Wirtschaftsunternehmen im eigentlichen Sinn. Hier hat der Innenminister kein Problem, großflächig staatliche Kontrolle zu fordern, denn in Sicherheitsbelangen wünscht sich die CDU einen starken Staat.

Dennoch wollen Sie dem deutschen Volk diese Maßnahme zu dessen eigenem Wohl als segensreich verkaufen. Sie behaupten, dass nur auf diese Weise der Schutz des Onlinebankings und der Email-Kommunikation herzustellen sei, so als sei dies das Mittel der Wahl für Postgeheimnis, Verbraucher- und Jugendschutz.

Herr de Maizière, ich gehe davon aus, dass Ihnen der Widerspruch zwischen der von Ihnen vorgebrachten Forderung nach Verstaatlichung und der grundsätzlichen Position Ihrer Partei klar ist.

Tatsächlich geht es ihnen nämlich um etwas anderes. Der Verbraucherschutz ist nur vorgeschoben, Sie wünschen die Kontrolle über das Internet, um auf diese Weise auch die Inhalte und die Kommunikation kontrollieren zu können. Die Kontrolle der Namensvergabe durch den Staat würde es Ihnen ermöglichen, unerwünschte Inhalte tatsächlich zu zensieren, und gäbe Ihnen eine mächtige Waffe in die Hand, öffentliche Meinung und Wahrnehmung zu steuern. Man stelle sich das Internet in der Hand Chinas, des Irans, oder selbst in der der USA vor.

Ich finde es verlogen, dass Sie seelenruhig sozialistische Argumente zur Begründung Ihrer Bemühungen anführen, um der Bevölkerung glauben zu machen, in ihrem Sinne zu handeln, während es Ihnen um Zensur, Kontrolle und Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen einer kleinen Lobby geht. Tatsächlich ist der Schutz des Verbrauchers ihnen aber genauso egal wie der der Kinder – denn sonst hätten Sie in beiden Angelegenheiten zuvor schon etwas unternommen.

Herr de Maizière, das Internet funktioniert nicht trotz, sondern wegen privater Organisation so gut: Es ist frei. Und für die Freiheit werden wir kämpfen. Wenn ich nicht schon bei den Piraten wäre, ich würde jetzt eintreten.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum

„Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.“ Diesen Satz beten konservative Politiker ständig gebetsmühlenartig herunter, jüngst beispielsweise der Bundestagsabgeordnete Axel E. Fischer (CDU). (Sie fragen jetzt womöglich, wer Herr Fischer sei – er ist nicht weniger als der Leiter der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages.) Damit wird geschickt suggeriert, dass das Internet derzeit ein rechtsfreier Raum sei – das jedoch ist falsch.

Mit diesem Argument wird vor allen Dingen die Vorratsdatenspeicherung gefordert, denn nur mit ihr könne man das Internet in einem rechtssicheren Raum verwandeln. Mit der Vorratsdatenspeicherung wurden Verbindungsdaten aller Bürger von Telefon und Internet massenhaft, vollständig und anlasslos monatelang gespeichert.

Das Internet ist jedoch bereits jetzt kein rechtsfreier Raum. Selbstverständlich gelten alle Gesetze des nicht-virtuellen Lebens ganz genauso im Internet wie außerhalb. Beleidigung, Urheberrechtsverletzung, Betrug, Volksverhetzung, Gewalt sind im Internet genauso strafbar wie im „echten“ Leben. Und es ist nicht nur so, dass die Gesetze gelten – sie werden auch angewendet und durchgesetzt.

Im Jahre 2006 wurden in Nordrheinwestfalen laut der polizeilichen Kriminalstatistik 60.500 Straftaten mit Hilfe des Internet begangen, welches einem Anteil an der Gesamtkriminalität von 4,1% entspricht. Die Aufklärungsquote dieser Straftaten lag bei 86%. Wohlgemerkt, damals gab es noch keine Vorratsdatenspeicherung – die Aufklärungen dieser Straftaten sind ohne VDS ausgekommen, denn diese trat erst 2008 in Kraft.

Die Aufklärungsquote gemessen über alle Straftaten lag 2006 in NRW dagegen nur bei knapp 50% – lediglich 48% aller Raubüberfälle, und nur 17% aller Wohnungseinbruchdiebstähle wurden aufgeklärt. Niemand käme deswegen auf die Idee, die Straße als rechtsfreien Raum zu bezeichnen.

Im Jahre 2007 wurden in Nordrheinwestfalen laut der polizeilichen Kriminalstatistik 56.500 Straftaten mit Hilfe des Internet begangen, bei einer Aufklärungsquote von 84%. Diese Zahl von Straftaten entspricht einem Anteil von 3,8% an der Gesamtkriminalität. Die Zahl der Straftaten war also sogar rückläufig, die Aufklärungsquote erfreulich hoch, es ist kein besorgniserregender Trend erkennbar – dennoch hielt man es für erforderlich, die Vorratsdatenspeicherung (rechtswidrig, wie wir heute wissen) einzuführen.

Und 2008, 2009? Dank Vorratsdatenspeicherung müsste die Aufklärungsquote doch noch deutlich höher sein, den Argumenten der VDS-Befürwortern folgend.

Die Kriminalstatistik für 2008 weist 25.800 Straftaten mit Hilfe des Internet aus, die für 2009 noch 54.800 Straftaten. Der Ausreißer 2008 kommt, so die Statistik, durch die zeitliche Verlagerung von Masseverfahren (also Großverfahren) zustande. Und die Aufklärungsquote? Die lag in 2008 und 2009 jeweils bei 77%. Wunder über Wunder! Die Quote ist trotz VDS nicht gestiegen. Sie ist sogar gefallen. Die Aufklärungsquote lässt sich also mit der Vorratsdatenspeicherung nicht steigern.

Die Situation hat sich jüngst deutlich geändert, mit Urteil vom 2. März 2010 hat das Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben. Alle Daten mussten daraufhin gelöscht werden, und die Speicherung von Vorratsdaten ist derzeit nicht mehr erlaubt.

Natürlich begann unmittelbar darauf das Heulen und Zähneklappern. CDU und Polizei warnten sofort vor Sicherheitslücken. Und auch der „rechtsfreie Raum“ wurde wieder bemüht, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Peter Altmaier sagte in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ tatsächlich: „Wir können uns einen monatelangen rechtsfreien Raum nicht leisten“ – als ob das Bundesverfassungsgericht mit der Vorratsdatenspeicherung gleich die gesamte Gesetzgebung abgeschafft hätte.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter Klaus Jansen sah die Kriminalisten nun nicht mehr handlungsfähig – man fragt sich, wie vor 2008 die Polizei gearbeitet hatte? Ist die Polizei nur in den Jahren 2008 und 2009 tätig gewesen? Mit den Zahlen der polizeilichen Statistik deckt es sich jedenfalls nicht.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Konrad Freiberg argumentierte, dass die Telefonverbindungsdaten bei den Ermittlungen gegen die terroristische „Sauerland-Gruppe“ eine wichtige Rolle gespielt hätten. Interessant an dieser Feststellung ist, dass die Festnahme dieser Gruppe im September 2007 stattfand, mithin noch vor Inkrafttreten der VDS. Man kann sein Argument also als eines gegen die Vorratsdatenspeicherung ansehen, auch wenn dies nicht seine Intention gewesen sein dürfte.

All diese Argumente sind offenbar vorgeschoben. Die Zahlen sprechen deutlich eine andere Sprache. Die anlasslose massenhafte Speicherung von Verbindungsdaten ist weder notwendig noch effektiv gewesen, die Kriminalität mit dem „Tatmittel Internet“ aufzuklären. Ein unwirksames Mittel, welches aber gleichzeitig unsere Privatsphäre verletzt, uns überwacht und Zensur befördert, müssen wir nicht hinnehmen.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum – in ihm gilt nämlich auch das Grundgesetz. Und das schützt die Privatsphäre genauso wie es Überwachung und Zensur verbietet. Dies gilt es zu schützen, wenn die konservativen Politiker einen neuen Anlauf nehmen werden, die Vorratsdatenspeicherung wieder zu etablieren.

P.S.:
Die Quelle der Zahlen finden Sie übrigens hier:
http://www.polizei-nrw.de/lka/Zahlen_und_Fakten/Kriminalstatistik/