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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/8973

 

16.06.2015

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der PIRATEN

 

 

 

 

Chancen und Risiken des digitalen Arbeitswandels 1 - Click- und Crowdworking

 

 

I. Sachverhalt

 

Die Digitalisierung erfasst immer mehr unsere Lebensbereiche. Unsere Kommunikation ist, mit der Ausnahme des persönlichen Gesprächs, fast ausschließlich digitalisiert. In der Produktion, in Wirtschaft und Handel sind digitale Prozesse nicht mehr wegzudenken.

 

Aber auch immer mehr Bereiche der Arbeitswelt werden vom digitalen Wandel erfasst. Kaum ein Beruf wird inzwischen ohne Kontakt zu Computersystemen auskommen: Ob im Handwerk, der Industrie oder der Verwaltung, der nächste Kollege ist oft ein technisches System.

 

Sei es der Paketscanner, der Frisurvorschlag am Monitor, die Bedienung einer CNC Maschine, die Fahrscheinkontrolle im Fernverkehr, der Blick auf das digitale Röntgenbild, die Abfrage nach Medikamentenunverträglichkeiten in einer Datenbank, von Selbstverständlichkeiten wie technischen Berechnungen, dem Erstellen von Texten und Druckvorlagen ganz zu schweigen. All das hilft uns, Arbeit schneller, besser, genauer zu erledigen.

 

Die Digitalisierung entlastet uns ebenfalls von eintönigen, sich wiederholenden oder beschwerlichen Tätigkeiten.

 

Durch die stark ansteigen Digitalisierung der Arbeit ist es auch möglich, diese Arbeit in sehr kleine Schritte aufzuteilen, die jeweils mit immer weniger Fachkenntnis erledigt werden können.

 

Beispielsweise ist es nicht mehr nötig, landschaftlich schön gelegene Straßen und Wege durch eigene Mitarbeiter befahren zu lassen, um sie im eigenen Kartenmaterial auszuweisen. Stattdessen lässt man über eine App Bilder von Straßen und Wegen vergleichen. Die Bilder sind frei verfügbar und zwei Bilder am Smartphone vergleichen und sich für das landschaftlich „schönere“ entscheiden kann jeder, der ein Smartphone bedienen kann.

 

Das hat zur Folge, dass immer mehr qualifizierte Arbeit in möglichst kleine, digitale Schritte (units) aufgeteilt wird, für deren Erledigung keine besondere Qualifikation benötigt wird. Selbst das Aufteilen der eigentlichen Arbeit wird von vermittelnden Plattformen im Internet übernommen. Maßgebliches Kriterium zur Auftragsvergabe ist dann oft nur noch der geringste Preis. Das betrifft sicher (noch) nicht jede Arbeit.

 

Aber der Trend dazu wird immer stärker. Dieses so genannten Clickworking oder Crowdworking bietet Chancen - aber auch Risiken und Nachteile.

 

So kann das recht niederschwellige Arbeitsangebot Menschen erreichen, die zur Zeit vom regulären Arbeitsmarkt abgekoppelt sind, weil es in den letzten Jahren einen Trend zu immer höherer qualifizierter Arbeit gab.

 

Durch diese Angebote entsteht nun wieder mehr Nachfrage nach gering qualifizierten Tätigkeiten.

 

Eine dynamische und flexible Arbeitsgestaltung kommt vielen Arbeitnehmern entgegen. Viele Wegzeiten fallen weg und über Arbeitsbeginn und -ende entscheidet der Click- und Crowdworker (CCWorker) selbst. Diese Flexibilität und die Möglichkeit der Heimarbeit kommt gerade Alleinerziehenden sehr entgegen.

 

Menschen, die sich im System des Click-und Crowdworking bewegen, berichten allerdings oft von indiskutabler Bezahlung weit entfernt vom Mindestlohn: 2-3 Euro pro Stunde seien eher die Regel als die Ausnahme. Ein weiteres Problem ist die fehlende sozialer Absicherung: Jeder CCWorker gilt als „selbständig“ und ist für seine soziale Absicherung selbst verantwortlich. Angesichts des geringen Stundenlohns ist für Absicherung jedoch kein Geld übrig.

 

CCWorker berichten von totaler Kontrolle durch den Auftraggeber und den Plattformbetreibers über jeden einzelnen Arbeitsschritt.

 

Die Abhängigkeit von positiven Bewertungen auf der Plattform birgt das Risiko von Willkür bei den Bewertungen. Ohne positive Bewertungen droht der Verlust von Aufträgen.

 

Das einseitige Bewertungssystem erzeugt einen hohen und auch beabsichtigten Leistungsdruck, der sich in der Entlohnung nicht widerspiegelt.

 

Nicht zuletzt entgehen der öffentlichen Hand Steuereinnahmen, wenn die vermittelnden Plattformen ihren Sitz im Ausland haben und die Bezahlung der CCWorker über anonymisierte Zahlungsdienste erfolgt.

 

Damit hebelt das zur Zeit praktizierte Click- und Crowdworking die in Deutschland geltenden Mechanismen der sozialen Marktwirtschaft, der Arbeitnehmerabsicherung, der Mitbestimmung, der Integration sozialer Sicherungssysteme (Kranken- und Rentenkassen, Arbeitslosenversicherung) und des Datenschutzes oft aus.

 

 


 

II. Der Landtag stellt fest

 

-    Click- und Crowdworking ist ein stärker werdender Trend im Arbeitsleben.

 

-    Click- und Crowdworking ist nicht genügend erforscht. Eine wissenschaftliche Begleitung dieses Arbeitsbereiches ist dringend erforderlich.

 

-    Click- und Crowdworking bietet viele Chancen, den Arbeitsmarkt in NRW weiter zu beleben. Entsprechende, faire und kontrollierte Pilotprojekte sind anzustreben.

 

-    Click- und Crowdworking beinhaltet, solange es vollkommen unreguliert bleibt, Gefahren für den Einzelnen, jedoch auch für unsere soziale Marktwirtschaft insgesamt.

 

 

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf

 

-    Click- und Crowdworking in NRW verstärkt wissenschaftlich zu begleiten und zu untersuchen.

 

-    Click- und Crowdworking auf Chancen und Risiken zu untersuchen und mit den Akteuren am Arbeitsmarkt entsprechende Pilotprojekte durchzuführen.

 

-    Regularien zu entwickeln, die möglichst über Positivanreize gesteuert werden, um Click- und Crowdworking produktiv und solidarisch in unser Arbeitsmarktgefüge eingliedern zu können.

 

-    den in Deutschland geltenden Mindestlohn auch für CCWorker durchzusetzen.

 

-    sicherzustellen, dass der in NRW geltende Datenschutz auch auf Click- und Crowdsourcing-Plattformen eingehalten wird.

 

-    Dem Landtag 2016 über die Ergebnisse Bericht zu erstatten.

 

 

 

 

Dr. Joachim Paul

Marc Olejak

Torsten Sommer

Daniel Schwerd

 

 

und Fraktion

 


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