LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/8640 |
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12.05.2015 |
Antrag
der Fraktion der CDU
Heimische Industrie stärken, Wertschöpfungsketten ausbauen, Innovationen fördern.
Nordrhein-Westfalen ist Industrieland: 29 Prozent der Bruttowertschöpfung entfallen hier auf die Industrie. Zum Vergleich: Derzeit werden 26 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland durch das produzierende Gewerbe erzielt. Europaweit sind es nur 19 Prozent, im Vereinigten Königreich 15 Prozent und in Frankreich 13 Prozent. Wie wichtig eine starke industrielle Basis ist, hat die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 gezeigt: Während die Wirtschaft in Deutschland dank des starken industriellen Anteils bereits 2011 wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht hatte, werden Frankreich, Italien und UK dieses voraussichtlich erst wieder am Ende dieser Dekade erreichen, Griechenland wahrscheinlich nicht vor 2030/35.
Einer 2012 veröffentlichten Studie des IW Köln zufolge ist die Stärke der heimischen Industrie insbesondere auf die bestehenden intakten Wertschöpfungsketten zurückzuführen. Obwohl Deutschlands Industrie Exportweltmeister ist, haben 4 von 5 Kunden oder Lieferanten der hier ansässigen Industrieunternehmen ebenfalls ihren Sitz in Deutschland. 60% der Industrieunternehmen gehen davon aus, dass zukünftig nationale Netzwerke und Kooperationen wichtiger werden. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den sogenannten energieintensiven Unternehmen zu: Laut IW Köln profitieren rund 70 Prozent der Industrieunternehmen von der Innovationskraft energieintensiver Unternehmen. Diese ermöglichen nachgelagerten Unternehmen, Effizienzgewinne zu realisieren. Gleichzeitig generieren viele Unternehmen in der Zusammenarbeit mit energieintensiven Unternehmen zusätzliche Innovationsimpulse. So erhalten etwa 50% der Industrieunternehmen direkte Innovationsimpulse für das eigene Unternehmen aus der Zusammenarbeit mit energieintensiven Unternehmen, insbesondere in den Themenfeldern „Neue Werkstoffe“ sowie „Material- und Energieeffizienz“.
Intakte Wertschöpfungsketten bieten Industrieunternehmen nach Erkenntnis des IW Köln folgende Vorteile: Zum einen können Unternehmen durch effektive Arbeitsteilung Alleinstellungsmerkmale erarbeiten. Zum anderen können sie im Verbund Innovationsleistungen erbringen, die die Wettbewerbsfähigkeit aller beteiligten Unternehmen erhöht.
Die größte Stärke des Standortes ist zugleich jedoch auch seine größte Schwäche: 60% der Unternehmen gehen von einer eigenen negativen Betroffenheit aus, sollte „ihre“ Wertschöpfungskette Schaden nehmen.
Welche gravierenden Folgen das Auseinanderbrechen von Wertschöpfungsketten für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen haben kann, lässt sich am Beispiel der Textilindustrie nachvollziehen. 1960 sicherten noch 1.500 Betriebe in Nordrhein-Westfalen 220.000 Beschäftigten ein Einkommen. 40 Jahre später arbeiteten nur noch 32.000 Beschäftigte (- 85%) in 300 Betrieben (-80%). Ab den 1970er Jahren wanderte aufgrund zu hoher Produktionskosten zunächst die Textilnäherei aus Nordrhein-Westfalen ab. Die Wertschöpfungskette brach, Hersteller von Fasern, Garnen, Stoffen oder Textilfarben folgten und verlagerten ebenfalls ihre Standorte. Heute ist Nordrhein-Westfalen immer noch ein bedeutender Standort für die Produktion technischer Textilien. Die Herstellung von Produkten für den Bekleidungsmarkt spielt anders als in den 1960er Jahren jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle.
Wie die Textilindustrie in den 1970er Jahren gerät heute zunehmend die energieintensive Industrie in unserem Land unter Druck. Wurde die textile Wertschöpfungskette Opfer sich ändernder Bedingungen des Weltmarktes, setzen den energieintensiven Industrien heute vor allem politisch induzierte Wettbewerbsnachteile zu. Insbesondere die aufgrund der Energiewende steigenden Energiepreise gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen energieintensiven Industrie. Zwischen 2000 und 2014 stiegen die Industriestrompreise in Deutschland nach Angaben des statistischen Bundesamtes Destatis um fast 30%. Bei wichtigen Investitionsentscheidungen, wie etwa dem Aufbau eines neuen Werkes oder der Modernisierung bestehender Produktionsanlagen, werden daher immer häufiger Standorte in Ländern mit geringeren Energiekosten bevorzugt.
Verstärkt wird dieser Trend durch sich ändernde Rahmenbedingungen des Weltmarktes. So führt die weltweite demographische Entwicklung zu einer Verschiebung der Absatzmärkte weg von Europa hin nach Asien. Bis zum Jahr 2030 wird die Weltbevölkerung auf 8,3 Mrd. Menschen anwachsen. Etwa 85 % der Weltbevölkerung werden 2030 in den Entwicklungs- und Schwellenländern leben, während der Anteil der Menschen, die in Industrieländern leben, abnehmen wird. Die Produktion folgt dem Markt. Umso wichtiger ist es für das Industrieland Nordrhein-Westfalen, den europäischen Binnenmarkt durch den Abschluss von Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada (TTIP und Ceta) zu einem transatlantischen Markt fortzuentwickeln.
Neben steigenden Energiekosten und sich verändernden Marktbedingungen wird der Fachkräftemangel zu einem zunehmenden Problem der heimischen Industrie. Die 2015 von Prognos veröffentlichte Studie „Wirtschaftsstandort NRW 2030 Aktivieren – Stärken – Ausbauen“ geht von davon aus, dass Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2030 auf eine Fachkräftelücke von gut 640.000 Personen zusteuert. Wird diese Lücke nicht geschlossen, wird sich dies nach Erkenntnis von Prognos stark negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes auswirken.
Eine Studie des Oxford Economics Institut aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass z.B. die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemie in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen ist und der Anteil am globalen Chemiemarkt sinkt. Dies zeigt sich auch bei den Investitionen. Gerade im wichtigsten deutschen Industrieland Nordrhein-Westfalen sollten daher wirtschafts- und industriepolitische Zielsetzungen eine stärkere Bedeutung in der Landespolitik haben.
Das zielt auch - ganz unabhängig von der Branchenzugehörigkeit - auf die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in Netzwerken oder Clustern ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen wollen. Deren effiziente, oft diversifizierten Wertschöpfungsstrukturen gilt es durch optimale politische Rahmenbedingungen zu stärken, damit sie auch künftig als Global Player für unser Bundesland erhalten bleiben.
Dies gilt umso mehr, da sich die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten schwächer entwickelt als in den anderen westdeutschen Flächenländern. So ist die Wirtschaft in den westdeutschen Flächenländern zwischen 1991 und 2013 um mehr als 9 Prozentpunkte stärker gewachsen als in Nordrhein-Westfalen. Allein zum Freistaat Bayern beträgt die Wachstumslücke seit dem Jahr 2000 mehr als 9 Prozentpunkte. Die Unternehmensberatung McKinsey hat berechnet: Ohne diese Wachstumslücke hätten wir heute mehr als 300.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Damit wäre die Arbeitslosigkeit in unserem Land fast halbiert. Außerdem ständen dem Land jährlich Steuermehreinnahmen von mindestens 3,2 Mrd. € zur Verfügung. Anstatt ständig neue Schulden zu machen, könnte Nordrhein-Westfalen seine Schulden zurückzahlen.
Der Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die Stärkung heimischer industrieller Wertschöpfungsketten muss deshalb eine Kernaufgabe der Landespolitik sein. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie wird von einer Reihe weiterer Maßnahmen der rot-grünen Landesregierung negativ beeinträchtigt:
Klimaschutzgesetz/Klimaschutzplan
Die mittlerweile fünf Jahre andauernde Debatte über ein nordrhein-westfälisches Klimaschutzgesetz und einen Klimaschutzplan haben dem Wirtschaftsstandort nachhaltig geschadet. Nordrhein-Westfalen leidet im Vergleich zu anderen Ländern unter Investitionszurückhaltung. So ist die Investitionsquote in Bayern und Baden-Württemberg gut 25% größer als in Nordrhein-Westfalen. Nach einer Erhebung von Ernst&Young interessieren sich ausländische Investoren, die bisher noch nicht in Deutschland aktiv sind, vor allem für Investitionen in Bayern oder Berlin, nicht aber für solche in Nordrhein-Westfalen.
Die Diskussion um Klimaschutzgesetz und Klimaschutzplan ist mitursächlich für diese Investitionszurückhaltung. Aufgrund des lange Zeit unklaren Ausgangs des Beratungsverfahrens haben viele Unternehmen Investitionsentscheidungen zurückgehalten oder sich für Investitionen an anderen Standorten entschieden. Die nun ausgesprochene Drohung der Landesregierung, über Klimaschutzgesetz und Klimaschutzplan ab 2017 die heimische Wirtschaft mit Zwangsmaßnahmen zu belegen, sollten die ambitionierten Klimaschutzziele des Landes nicht „freiwillig“ erreicht werden, wird die Investitionsbereitschaft nicht steigern.
Die aktuelle Klimaschutzpolitik der rot-grünen Landesregierung führt zu De-Industrialisierung durch Des-Investition, insbesondere bei energieintensiven Unternehmen. Durch die Verdrängung energieintensiver Arbeitsplätze aus Nordrhein-Westfalen in andere Regionen der Erde wird dem weltweiten Klima jedoch mehr Schaden als Nutzen zugefügt. So hat z.B. eine Studie des Weltchemieverbandes gezeigt, dass Chemieprodukte über ihren Lebensweg 2,6 mal so viele Treibhausgase einsparen, wie ihre Produktion verursacht. Und die nordrhein-westfälische Chemie ist besonders energieeffizient: Allein von 1990 bis heute ist der Energieeinsatz in der chemischen Industrie um 20 % gefallen, obwohl die Produktion um fast 60 % gestiegen ist.
Wird der Standort NRW durch restriktive Klimaschutz-Maßnahmen weiter unattraktiv gemacht, wandern die betroffenen Branchen ins Ausland ab, was weder der heimischen Wirtschaft, noch dem Klimaschutz dient. Sowohl unter wirtschaftspolitischen wie auch klimaschutzpolitischen Erwägungen müssen wir daher ein großes Interesse daran haben, unsere energieintensive Industrie zu erhalten.
Forschung und Entwicklung (F&E)
Einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zu folge ist die Wachstumsschwäche der nordrhein-westfälischen Wirtschaft unter anderem auf zu geringe Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E – Ausgaben) der hier ansässigen Unternehmen zurückzuführen. Während beispielsweise die Ausgaben der Unternehmen in Baden-Württemberg für F&E 27% über dem branchenbereinigten Bundesschnitt liegen, liegen sie in Nordrhein-Westfalen 41% unter dem branchenbereinigten Bundesschnitt.
Obwohl Nordrhein-Westfalen eine exzellente Hochschullandschaft hat, hinkt das Land bei Forschung und Entwicklung für Unternehmen am Standort Nordrhein-Westfalen hinter vergleichbaren Flächenländern hinterher. Dies liegt insbesondere an den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Nordrhein-Westfalen. Die Diskussion um die Veröffentlichung der Drittmittelgeber bei Forschungsprojekten, die weitgehenden politischen Einflussrechte der Landesregierung in die Hochschulen und deren Arbeit oder auch die so genannte „Zivilklausel“ machen den Standort zunehmend unattraktiv. Auch das Rot-Grüne Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine macht den Forschungsstandort insbesondere für medizinische, pharmazeutische, biotechnologische oder Agrar - Forschung unattraktiv. Dies trägt nicht dazu bei, dass Unternehmen sich bei der Vergabe von Forschungsaufträgen vermehrt für nordrhein-westfälische Hochschulen entscheiden.
Infrastruktur
Die bestehenden Wertschöpfungsketten profitieren von der räumlichen Nähe der hier ansässigen Unternehmen. Diese fördert die Innovationskraft der Unternehmen und Branchen. Nirgendwo wird dies so deutlich wie in der chemischen Industrie. Nebenprodukte der Produktion eines Unternehmens sind hier zumeist Ausgangsstoffe der Produktion anderer, benachbarter Unternehmen.
Damit das Miteinander der Produktion funktioniert, benötigt unsere heimische Industrie eine gut ausgebaute und intakte Infrastruktur. Insbesondere die nordrhein-westfälische Verkehrsinfrastruktur weist aber immer größere Mängel auf. Sichtbarstes Zeichen hierfür ist die Sperrung der sanierungsbedürftigen Autobahnbrücken über den Rhein bei Leverkusen (A1) und Duisburg (A40) für den LKW-Verkehr. Zudem ist Nordrhein-Westfalen Stauland Nr. 1 in Deutschland: 2013 entfielen 27% aller Staukilometer auf Nordrhein-Westfalen. Ausbau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur müssen verstärkt werden.
Verkehrspolitik ist Wirtschaftspolitik. Verkehrspolitische Fehlentscheidungen führen immer zu einem Standortnachteil für unser Land. Erster gravierender verkehrspolitischer Fehler der Landesregierung war der Planungsstopp für Bundesfernstraßen im Herbst 2011, verbunden mit dem massiven Zurückfahren der Ingenieursleistungen für die Bundesfernstraßenplanung. So wurde mit den Planungen für den Neubau der Leverkusener Autobahnbrücke erst begonnen, als die Brücke Ende 2012 aus Sicherheitsgründen teilgesperrt werden musste. Dabei hatte der Bund schon 2009 festgestellt, dass die marode Rheinbrücke der A 1 in Leverkusen nicht mehr zu retten ist und die CDU-geführte Vorgängerregierung hatte bereits Anfang 2010 die „Projektgruppe Brückenertüchtigung“ eingesetzt. Doch statt die Vorarbeiten der Projektgruppe aufzugreifen und fortzuführen, blieb die damalige rot-grüne Minderheitsregierung zunächst untätig. Dadurch wird sich der Ersatzneubau der Brücke um Jahre verzögern. Erst nachdem Nordrhein-Westfalen im Jahr 2013 wegen fehlender Planungen 42 Millionen Euro für den Bundesfernstraßenbau zurückgeben musste, wurden zusätzliche Planungskapazitäten von außen erwogen.
Die zweite verkehrspolitische Fehlentscheidung war der fatale Richtungswechsel „Konsumieren statt investieren“. Statt durch Umschichtungen im Haushalt die Investitionen für den Landesstraßenbau zu verstärken, werden seit Jahren Sozialtickets finanziert. Gleichzeitig wurden die Mittel für den Landesstraßenneubau massiv herunter gefahren: nur 37 Mio. Euro für den Landesstraßenneubau für 2015 ist das zweitschlechteste Ergebnis sei 11 Jahren.
Nicht nur das Straßennetz, auch die Wasserstraßen in Nordrhein-Westfalen müssen bedarfsgerecht ausgebaut werden: Neben einer Sanierung wichtiger Ruhr-Schleusen sind besonders eine bessere Schiffbarmachung des Rheins durch eine Vertiefung der Fahrtrinne und der Ausbau der vernachlässigten Hafenanlagen notwendig. Hier könnte eine öffentlich-private Partnerschaft fehlende Mittel frei machen.
Auch die Schieneninfrastruktur muss dringend ertüchtigt werden. Die energieintensive Industrie in Nordrhein-Westfalen braucht leistungsfähige Anbindungen an die sogenannten ZARA-Häfen in Belgien und den Niederlanden. Projekte wie der Eiserne Rhein und die Betüwe-Linie müssen endlich mit Nachdruck realisiert werden.
Neben der Verkehrsinfrastruktur spielt insbesondere für die chemische Industrie die Pipeline-Infrastruktur eine bedeutende Rolle. So muss die dringend benötigte CO-Pipeline zwischen Dormagen und Uerdingen endlich in Betrieb gehen.
Digitalisierung/Breitbandausbau
Die nordrhein-westfälische Industrie steht zudem vor dem nächsten großen Transformationsprozess: Die zunehmende Digitalisierung unseres Wirtschaftens ist Chance und Risiko zugleich.
Chance, weil Industrie 4.0 hohe Wachstums- und Beschäftigungspotentiale bietet. Eine Studie des Branchenverbandes Bitkom in Zusammenarbeit mit dem Frauenhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation geht von einem jährlichen zusätzlichen Wachstumspotential durch Industrie 4.0 von 1,7 Prozentpunkten aus.
Risiko, weil ganze Regionen von dieser Entwicklung abgehängt werden. Industrie 4.0 braucht digitale Netze. Diese fehlen aber in Nordrhein-Westfalen. Mehr als jeder vierte Haushalt in Nordrhein-Westfalen verfügt nach wie vor über kein schnelles Internet. Im ländlichen Raum sind sogar 60% der Haushalte vom schnellen Internet abgeschnitten. Gerade im ländlichen Raum sitzen aber unsere industriellen mittelständischen Weltmarktführer. Die Industrieregion Nr. 1 in Nordrhein-Westfalen ist Südwestfalen, nicht das Ruhrgebiet.
Lediglich 10% der Gewerbebetriebe verfügen nach einer aktuellen Studie der NRW.BANK bisher über schnelles Internet. Jedes dritte Unternehmen sieht sich in seiner Entwicklung durch fehlende Breitbandversorgung bedroht. Nordrhein-Westfalen muss 500 Mio. Euro in Glasfasernetze investieren, damit alle Gewerbegebiete versorgt werden können. Bis 2020 stellt die Landesregierung jedoch nur 70 Mio. Euro Fördermittel aus EFRE und ELER zur Verfügung.
Der Ausbau kommt daher nur schleppend voran: Seit 2012 werden jährlich weniger als 2% der Haushalte an das schnelle Netz angeschlossen. Bei diesem Ausbautempo werden wir eine flächendeckende Versorgung frühestens 2030 erreichen. Andere Länder sind da schneller und werden uns bald überholen. NRW droht beim schnellen Internet abgehängt zu werden.
I. Der Landtag stellt fest
Der Landtag bekennt sich zum Wirtschafts- und Industriestandort NRW, der Bedeutung der Branchencluster und die aus diesen entspringende Innovationskraft. Hierbei nehmen die energieintensiven Industrien einen besonderen Stellenwert ein, da sie am Beginn vieler Wertschöpfungsketten stehen.
Der Landtag bekennt sich zum Industrieverbund als Triebfeder der Innovationen und Nachhaltigkeit. Er bedarf einer besonderen Berücksichtigung, um die gesamtwirtschaftliche Vernetzung zu erhalten und zu fördern.
Der Landtag stellt fest, dass die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie durch hohe Energiekosten, sich verschärfenden Fachkräftemangel, restriktive Klimaschutzpolitik, ungünstige Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung sowie bestehende Infrastrukturengpässe leidet. Jede Problemstellung für sich genommen mag unproblematisch sein, in Summe führen sie jedoch zu einer Gefährdung von bestehenden Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätzen.
Der Landtag stellt fest, dass zur Stärkung bestehender und zum Aufbau neuer Wertschöpfungsketten insbesondere die Investitionsbereitschaft von Unternehmen am Standort NRW verstärkt, mehr private Mittel für Forschung und Entwicklung generiert und die Infrastruktur bedarfsgerecht ausgebaut werden muss.
II. Der Landtag beschließt
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich für die Stärkung der industriellen Wertschöpfungsketten in Nordrhein-Westfalen einzusetzen. Vorhaben der Landesregierung müssen stets auf ihre Auswirkungen auf bestehende Wertschöpfungsketten überprüft werden.
Der Landtag fordert die Landesregierung insbesondere auf,
1. sich für wettbewerbsfähige Energiepreise der heimischen Industrie stark zu machen. Politische Entscheidungen, die die Energiepreise für die Industrie künstlich in die Höhe treiben, werden vom Landtag abgelehnt. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich klar und unmissverständlich gegen die von Bundeswirtschaftsminister Gabriel geplante Sonderabgabe für die Verstromung von Braunkohle zu positionieren.
2. verstärkt für die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta mit den USA und Kanada zu werben. Nordrhein-Westfalens Wirtschaft braucht TTIP und Ceta.
3. sich stärker für ein Schließen der Fachkräftelücke einzusetzen. Um den drohenden Fachkräftemangel zu verhindern, muss die Erwerbsquote erhöht werden: Mit 69,2% ist die Erwerbsquote in Nordrhein-Westfalen deutlich geringer als in Bayern (76%), Hessen (75,5%) oder Baden-Württemberg (73,1%). Insbesondere bei der Frauenerwerbsquote zählt Nordrhein-Westfalen mit 47,5% gemeinsam mit dem Saarland (47,2%) bundesweit zu den Schlusslichtern. Im Bundesschnitt gehen 51,8 % der Frauen einer Erwerbstätigkeit nach. Spitzenreiter unter den Bundesländern ist Sachsen (58,5 %), gefolgt von Brandenburg (58,0 %) und Thüringen (58,0 %). Durch bedarfsgerechte und qualitativ bessere Kinderbetreuungsangebote muss Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert werden.
4. sich auf Bundesebene für die Forderung aus den Reihen der deutschen Wirtschaft, Asylsuchenden mindestens für die Dauer ihrer Ausbildung sowie nach erfolgreichem Abschluss und mit der Zusage einer Arbeitsstelle unabhängig vom Ausgang eines Asylverfahrens ein befristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren, einzusetzen.
5. die Bearbeitungsfristen für die Anerkennung von Studienabschlüssen und Berufsqualifikationen durch eine ausreichende Personalausstattung bei den Anerkennungsbehörden zu verkürzen und so Fachkräften den Zugang zum Arbeitsmarkt schneller zu ermöglichen.
6. dauerhaft auf Zwangsmaßnahmen gegenüber der Industrie zur Erreichung der Klimaschutzziele zu verzichten. Hierzu sind die entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen im Klimaschutzgesetz und im Landesplanungsgesetz zu streichen.
7. wertschöpfungsorientierte Forschung als wirtschaftsrelevant zu würdigen. Dazu muss sich die Landesregierung u.a. für eine steuerliche Forschungsförderung einsetzen. Gesetze, die aus ideologischen Gründen in die grundgesetzlich verbriefte Wissenschafts- und Hochschulfreiheit eingreifen oder private Forschung und Entwicklung in Nordrhein-Westfalen unattraktiv machen wie beispielsweise das so genannte Hochschulzukunftsgesetz oder das Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen müssen grundlegend überarbeitet oder abgeschafft werden.
8. den Ausbau der Infrastruktur zielgerichtet und planungssicher zu fördern. So muss beispielsweise durch Umschichtungen im Haushalt und durch streichen des Sozialtickets die Investitionen für den Landesstraßenbau verstärkt werden. Ferner muss die Landesregierung mehr Planungen für den Bundesstraßenbau bis zur Baureife voran zu treiben, insbesondere für Ersatzneubauten für Autobahnbrücken.
9. durch zielgerichtete uns auskömmliche Förderung den Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen zu beschleunigen.
Armin Laschet
Lutz Lienenkämper
Hendrik Wüst
Dr. Günther Bergmann
und Fraktion