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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/8134

 

10.03.2015

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der FDP

 

 

 

 

Faire Besteuerung ermöglichen und Existenz von Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen sichern – Für eine zukunftsfeste und verfassungskonforme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer

 

 

I. Ausgangslage

 

Am 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die §§ 13a und 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes jeweils in Verbindung mit § 19 Absatz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes für unvereinbar mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes erklärt. Die Vorschriften sind zunächst zwar weiter anwendbar; der Gesetzgeber muss bis zum 30. Juni 2016 jedoch eine Neuregelung treffen.

 

Im Konkreten sind drei Aspekte nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind: Erstens der erbschaftsteuerliche Umgang mit Verwaltungsvermögen, da bisher Betriebsvermögen, die bis zur Hälfte aus reinem Verwaltungsvermögen wie beispielsweise aus verpachteten Grundstücken bestehen, von der Besteuerung verschont werden können. Zweitens betrifft dies das Verschonungskonzept, wonach jeder Betrieb – wenn die Haltefristen und Lohnsummenregeln eingehalten werden – zu Teilen oder auch gänzlich von der Erbschaftsteuer befreit werden kann, und zwar ungeachtet seiner Größe respektive seiner Eigenschaft als kleines oder mittleres Unternehmen. Drittens gilt dies für die Ausnahme von der Lohnsummenregelung für Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten, für die lediglich Haltefristen gelten.

 

Das Verfassungsgericht stellte jedoch ebenfalls klar, dass die Verschonungsregelung als solche im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Diese Regelung hat in der Vergangenheit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Unternehmenskultur in Deutschland geleistet. Nordrhein-Westfalen profitiert von einer einzigartigen Vielfalt von Unternehmen. Unser Land hat eine Reihe von internationalen Konzernen, viele kleine Betriebe und vor allem einen breiten Mittelstand, der zum großen Teil aus familiengeführten Betrieben besteht. Diese Unternehmensstruktur hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise gut gemeistert hat. Von großer Bedeutung für die deutsche und nordrhein-westfälische Volkswirtschaft sind die erfolgreichen international tätigen Familienunternehmen. In Deutschland sind laut Schätzungen rund 90 % der Unternehmen eigentümergeführt.

 

 

II. Handlungsnotwendigkeiten

 

Eine Neuregelung bei der Erbschaftsteuer ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts spätestens bis zum 30. Juni 2016 notwendig geworden. Ziel einer Reform der Erbschaftsteuer muss weiterhin sein, dass eine Versteuerung von Schenkungen und Erbschaften nicht zu einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Existenz von Betrieben führen darf. Zugleich muss die reformierte Erbschaftsteuer dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen.

 

Klar ist dabei, dass es weiterhin eine Verschonungsregelung geben wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu Recht festgestellt:

 

„Die Verschonungsregelung soll vor allem Unternehmen schützen, die durch einen besonderen personalen Bezug des Erblassers oder des Erben zum Unternehmen geprägt sind, wie es für Familienunternehmen typisch ist. Steuerlich begünstigt werden soll ihr produktives Vermögen, um den Bestand des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze nicht durch steuerbedingte Liquiditätsprobleme zu gefährden. An der Legitimität dieser Zielsetzung bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Zweifel.“

 

Die vom Bundesfinanzministerium vorgestellten Eckpunkte für eine Erbschaftsteuerreform werden dem Anspruch des Schutzes von Familienbetrieben aber nicht gerecht:

 

Unter anderem soll nach den Plänen der Bundesregierung die Grenze für kleine Betriebe, ab der die Lohnsummen und Haltefristen nachgewiesen werden müssen, nicht mehr wie bisher an einer Arbeitnehmergrenze festgemacht werden, sondern an einem Unternehmenswert von einer Million Euro. Aufwändige Bewertungen wären die Folge, deren Aussagekraft vor allem bei Personenunternehmen wegen der Unzulänglichkeiten des Bewertungsgesetzes und der damit einhergehenden strukturellen Überbewertungen fraglich sind.

 

Ferner besteht die Absicht, dass ab einer Schenkung oder eine Erbschaft von 20 Millionen Euro Betriebsvermögen der Begünstigte sein Bedürfnis für eine erbschaftsteuerliche Verschonung zu belegen hat, zusätzlich zu der Lohnsummenregelung und der Haltefrist. Der Kreis derjenigen, die dann unter eine wie auch immer ausgestaltete Bedürfnisprüfung fallen würden, wäre durch eine Grenze von 20 Millionen Euro voraussichtlich überzeichnet. Schon bei einem Jahresgewinn eines Familienunternehmens von knapp über 1 Millionen Euro kann dies nämlich bedeuten, dass eine Bedürfnisprüfung fällig wird.

 

Zudem soll nach Vorstellungen der Bundesregierung das bereits vorhandene und mitübertragene Privatvermögen des Erben oder Beschenkten in die Bedürfnisprüfung miteinbezogen werden. Dies ist aus mehreren verfassungsrechtlichen, steuerpolitischen und rechtssystematischen Gründen abzulehnen: Erstens müsste der Staat bei den Begünstigten die Höhe des Vermögens feststellen: Das gesamte vorhandene Privatvermögen des Erben müsste also im Einzelfall ermittelt, abgegrenzt und begutachtet werden. Dies führt zu Bewertungsproblemen und kann zudem in die Persönlichkeitsrechte der Person eingreifen. Zweitens kommt es dabei möglicherweise zu Gleichheitssatzverletzungen gegenüber mittelständischen Unternehmen und Erben jeweils untereinander, da nur bei Großunternehmen das Privatvermögen der Erben miteinbezogen wird, Auch würden vermögende Erben hierdurch schlechter gestellt als Erben ohne eigenes Vermögen. Drittens käme die Einbeziehung des Privatvermögens einer Vermögensabgabe gleich. Viertens käme es zu einem erheblichen Ermessensspielraum und einer subjektiven Prüfung durch lokale Steuerbehörden.

 

Ungeachtet dieser vielfältigen Probleme und massiven Belastungen für nordrhein-westfälische Familienunternehmen hat Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans Zustimmung zu den Plänen von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble für die Erbschaftsteuerreform signalisiert. Die vorgestellten Eckpunkte seien „für die weitere Diskussion eine gute Grundlage“.

 

Wichtig für die bevorstehende Erbschaftsteuerreform ist aber, dass eine verfassungskonforme und zugleich ökonomisch vertretbare Neuregelung erarbeitet wird. Der Erbschaftsteuer darf dabei nicht die Rolle einer neuen Sondervermögensteuer zukommen. Die vorliegenden Erbschaftsteuerpläne müssen daher mit dem Ziel überarbeitet werden, die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Gerechtigkeitslücke zu schließen, aber nicht die Steuerbelastung bei Betriebsvermögen möglichst umfangreich zu erhöhen.

 

 

III. Beschlussfassung

 

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche auf eine Änderung der bestehenden Rechtslage der Erbschaftsteuer dahingehend hinzuwirken, dass

 

1.    die Erbschaftsteuer künftig mit dem Grundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ vereinbar ist,

 

2.    eine Regelung für die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen gefunden wird, die die Unternehmensvielfalt in Deutschland nicht gefährdet und insbesondere auf die besondere Finanzierungs- und Unternehmenskultur von deutschen Familienunternehmen Rücksicht nimmt,

 

3.    die Sicherung der nordrhein-westfälischen Familienunternehmen und deren Arbeitsplätze nicht durch eine höhere Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung gefährdet wird und

 

4.    schließlich das vorhandene Privatvermögen von der Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung des Betriebsvermögens getrennt wird.

 

 

 

 

Christian Lindner

Christof Rasche

Ralf Witzel

Dirk Wedel

Dietmar Brockes

Ralph Bombis

 

und Fraktion

 


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