LANDTAG
NORDRHEIN-WESTFALEN
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Drucksache 16/8116 |
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10.03.2015 |
Antrag
der Fraktion der CDU
Erträge aus der digitalen Dividende II effizient für Ausbau des schnellen Internet nutzen
Nordrhein-Westfalens Wirtschaft wächst seit Jahrzehnten unterdurchschnittlich. So ist die Wirtschaft in den westdeutschen Bundesländern durchschnittlich zwischen 1991 und 2013 um mehr als 9 Prozentpunkte stärker gewachsen als in Nordrhein-Westfalen. Allein zum Freistaat Bayern beträgt die Wachstumslücke seit dem Jahr 2000 mehr als 8 Prozentpunkte. Die Unternehmensberatung McKinsey hat im Jahr 2013 errechnet, dass ohne diese Wachstumslücke Nordrhein-Westfalen heute mehr als 300.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse hätte – die Arbeitslosigkeit in unserem Land wäre fast halbiert. Außerdem hätte Nordrhein-Westfalen jährlich Steuermehreinnahmen von 3,2 Mrd. Euro. Statt jedes Jahr neue Schulden aufzunehmen, könnte Nordrhein-Westfalen seine Schulden zurückzahlen und in Zukunftsprojekte investieren.
Nordrhein-Westfalen braucht daher dringend eine Politik für mehr Wirtschaftswachstum. Dass dies möglich ist, hat die CDU-geführte Landesregierung in den Jahren 2007 bis 2009 gezeigt: Wie der Antwort der Landesregierung auf die große Anfrage Nummer 12 zu entnehmen ist, verlief die wirtschaftliche Entwicklung Nordrhein-Westfalens in den genannten Jahren deutlich positiver als im Schnitt der westdeutschen Flächenländer.
Ein Wachstumstreiber kann die zunehmende Digitalisierung unserer Wirtschaft sein. Aufgabe der Landespolitik ist es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die nordrhein-westfälische Wirtschaft von der wachsenden Digitalisierung profitieren kann. Dies setzt vor allem eine leistungsstarke digitale Infrastruktur voraus.
Das ifo-Institut in München hat errechnet, dass das Wirtschaftswachstum eines Landes jeweils um bis 1,5 Prozentpunkte steigt, wenn 10 Prozent der Haushalte mit schnellem Internet von mindestens 50 Mbit/s versorgt werden. Aktuell sind knapp 30 Prozent der Haushalte in Nordrhein-Westfalen unterversorgt. Ein flächendeckender Breitbandausbau könnte daher in Nordrhein-Westfalen die Wirtschaftsleistung um bis zu 4,5 Prozentpunkte erhöhen, womit die Hälfte der Wachstumslücke geschlossen wäre.
Allerdings kommt der Ausbau des schnellen Internets in Nordrhein-Westfalen nur langsam voran. Nach Auskunft der Landesregierung waren 2012 67,9 Prozent der Haushalte in Nordrhein-Westfalen an das schnelle Internet angebunden – 2014 waren es 70,7 Prozent. Bei einer jährlichen Steigerung von gerade einmal 1,4 Prozentpunkten wird in Nordrhein-Westfalen frühestens 2035 jeder Haushalt an das schnelle Internet angeschlossen sein. Andere Länder – allen voran der Freistaat Bayern – haben in den letzten Jahren eine deutlich stärkere Ausbaudynamik verzeichnet. Nordrhein-Westfalen muss aufpassen, dass es nicht erneut von der wirtschaftlichen Entwicklung im Rest der Republik abgehängt wird.
Der flächendeckende Breitbandausbau ist in Nordrhein-Westfalen nicht kostendeckend zu realisieren. Je nach eingesetzter Technik beläuft sich die Wirtschaftlichkeitslücke nach Schätzungen eines großen Telekommunikationsunternehmens auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag bis zu einem niedrigen einstelligen Milliardenbetrag.
Eine besondere Herausforderung stellt der Ausbau im ländlichen Raum dar: Nur ein Drittel der Haushalte verfügen hier bislang über schnelles Internet von mindestens 50 Mbit/s. Gerade der ländliche Raum ist jedoch Heimat von vielen „Hidden Champions“ in Industrie und Mittelstand. Sie brauchen dringend einen Anschluss an das schnelle Netz, um auch zukünftig auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen bezeichnen laut DIHK-Unternehmensbarometer eine unzureichende Breitbandversorgung als Hindernis für Ihre wirtschaftliche Entwicklung. Den hohen Ausbaukosten steht im ländlichen Raum jedoch eine geringere Nutzerzahl gegenüber, was den einzelnen Anschluss im Vergleich zum städtischen Bereich um ein vielfaches verteuert. Entsprechend hoch sind dadurch im ländlichen Raum die Wirtschaftlichkeitslücke sowie der Förderbedarf. Die rot-grüne Landesregierung will jedoch bis 2020 nur überschaubare 60 Mio. Euro an Fördergeldern zur Verfügung stellen. Zum Vergleich: der Freistaat Bayern stellt bis 2017 2 Mrd. Euro für den flächendeckenden Ausbau zur Verfügung.
Die Oppositionsfraktionen hatten daher gefordert, verstärkt Mittel aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für den flächendeckenden Breitbandausbau zur Verfügung zu stellen (DS 16/4582 und DS 16/5470). Bis 2020 stehen hier inklusive Co-Finanzierung 2,4 Mrd. Euro für Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Die Rechtsverordnung der EU ermöglicht zudem explizit die Verwendung von EFRE-Mittel für den flächendeckenden Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen – sofern entsprechende Vereinbarungen in die Partnerschaftsvereinbarung und das operationelle Programm aufgenommen werden. Leider hat die Landesregierung versäumt, auf entsprechende Vereinbarungen hinzuarbeiten, weshalb eine Förderung des flächendeckenden Breitbandausbaus über den EFRE aktuell nicht möglich ist.
Nordrhein-Westfalen muss daher andere Wege gehen, um die bestehende Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen. So fordern CDU und FDP aktuell eine Überarbeitung des Breitbandprogramms der NRW.Bank, damit zukünftig auch sogenannte FTTC-Projekte gefördert werden können (DS 16/7162). Ferner berät der Landtag aktuell einen Antrag der CDU-Landtagsfraktion zur zügigen Umsetzung der Kostensenkungsrichtlinie der EU (DS 16/7771).
Durch die Versteigerung der 700 MHz-Frequenzen bietet sich nun die Gelegenheit, das Fördervolumen in Nordrhein-Westfalen deutlich zu erhöhen. Im Frühsommer sollen die 700 MHz-Frequenzen versteigert werden. Die Bundesregierung rechnet mit einem Verkaufserlös von 1 bis 1,4 Mrd. Euro. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass 50 Prozent des Erlöses an die Länder ausgeschüttet werden - vorausgesetzt, die Länder investieren ihren Anteil an der sogenannten „digitalen Dividende II“ in den Breitbandausbau. Nordrhein-Westfalen stehen nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel 21 Prozent des auf die Länder entfallenden Erlöses zu. Sofern die Prognosen der Bundesregierung stimmen, kann Nordrhein-Westfalen mit zusätzlichen 100 bis 140 Mio. Euro Fördergelder für den Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen rechnen. Die Gelder werden in drei Tranchen in den Jahren 2015, 2016 und 2017 ausgezahlt.
Aufgrund des bisher geringen Fördervolumens von gerade einmal 60 Mio. Euro bis 2020 kommt es nun darauf an, die Mittel aus der Versteigerung der 700 MHz-Frequenzen möglichst sinnvoll zu nutzen und sie nicht für den Ausgleich von Lücken im Landeshaushalt zweckzuentfremden. Eine solche Strategie würde den für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes notwendigen Breitbandausbau im Land keinen Schritt voranbringen. Auch die Eingliederung der Fördermittel in ein bestehendes Darlehnsprogramm oder die Auflage eines neuen Darlehnsprogramms wären wenig effizient. Die Mittel müssen zusätzlich zu den bereits bestehenden Förderprogrammen investiert werden.
Vor diesem Hintergrund beschließt der Landtag:
1. Die Landesregierung wird aufgefordert, die auf das Land Nordrhein-Westfalen entfallenen Mittel aus der Versteigerung der 700 MHz-Frequenzen (sog. digitale Dividende II) vollständig in ein eigenständiges Förderprogramm zum Ausbau des schnellen Internets einzubringen. Dies schließt eine Administrierung über Stellen, die bereits bisher Förderprogramme zum Breitbandausbau verwalten, nicht aus.
2. Die Landesregierung wird aufgefordert, das Programmvolumen durch eigene Landesmittel zu stärken. Dies kann durch eine Prioritätensetzung, durch Umschichtungen oder durch sich abzeichnende Minderausgaben bei Bürgschaften oder den Zinsausgaben des Landes erfolgen.
3. Das Förderprogramm muss technologieneutral für NGA-Projekte gestaltet werden.
4. Neben der klassischen Baukostenzschussförderung zur Deckung bestehender Wirtschaftlichkeitslücken soll das Förderprogramm auch die Förderung kommunaler Betreibermodelle ermöglichen.
5. Das Programm soll insbesondere Kommunen unterstützen, die im Nothaushalt sind, und somit den in den meisten Förderprogrammen notwendigen Eigenbeitrag nicht aufbringen können. Dieser sollte dann aus Landesmitteln gedeckt werden. Da die betroffenen Kommunen zumeist besonders ländlich bzw. strukturschwach sind, sind diese besonders unterstützungsbedürftig.
6. Nach Berechnungen des TÜV Rheinland entfallen etwa 40 Prozent der Investitionskosten auf gerade einmal 5 Prozent der Haushalte. Das Programm sollte daher vor allem eine Erschließung dieser Haushalte unterstützen.
7. Sofern Projekte außerhalb dieser Gebietskulisse gefördert werden, sind solche Ausbauprojekte in der Fördermittelvergabe zu priorisieren, die eine hohe Uploadrate gewährleisten, da diese insbesondere für gewerbliche Anwender immer wichtiger wird.
8. In die Ausschreibung müssen Qualitätsfaktoren maßgeblich einbezogen werden. So sollen z.B. Ausbauprojekte priorisiert werden, die zukünftige technologische Entwicklungen antizipieren.
9. Eine Förderung darf grundsätzlich nur für Projekte gewährt werden, die auf einen Überbau bestehender Breitbandinfrastruktur verzichtet, damit eine Fehlallokation vermieden wird. Ein Überbau darf nur dort zulässig sein, wo die bestehende Infrastruktur keinen offene Zugang für andere Anbieter zulässt.
10. Die Landesregierung wird aufgefordert sich dafür einsetzen, dass ein möglichst großer Anteil der auf den Bund entfallenen Erlöse über Projekte des Bundes in Nordrhein-Westfalen reinvestiert wird.
11. Um die Breitbandziele des Landes und des Bundes ökonomisch mit dem höchstmöglichen Wirkungsgrad zu erreichen, wird die Landesregierung aufgefordert, sich beim Bund und der EU dafür einsetzen, dass auch solche NGA-Projekte förderfähig sind, bei denen die kupferbasierte sogenannte letzte Meile in ihrer Übertragungsfähigkeit optimiert ist.
Armin Laschet
Lutz Lienenkämper
Hendrik Wüst
Thorsten Schick
Robert Stein
und Fraktion