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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/7771

 

20.01.2015

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der CDU

 

 

 

Schnelles Netz für Alle: Europäische Kostensenkungsrichtlinie konstruktiv begleiten

 

 

 

Im aktuellen Konsolidierungscheck des IW Köln nimmt Nordrhein-Westfalen den letzten Platz ein. Mit einem strukturellen Defizit von aktuell etwa 3 Mrd. Euro ist das Ziel, bis 2020 die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten, akut in Gefahr.

 

Dabei könnte Nordrhein-Westfalen bereits heute einen ausgeglichenen Haushalt haben: Nach Berechnungen der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2013 hätte Nordrhein-Westfalen heute jährlich Steuermehreinnahmen von 3,2 Mrd. Euro  – vorausgesetzt, die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen wäre seit dem Jahr 2000 genauso stark gewachsen wie in Bayern. Tatsächlich jedoch beträgt die Wachstumslücke auf den Freistaat nach Berechnungen von McKinsey mehr als 8 Prozentpunkte.

 

Um die Schuldenbremse im Jahr 2020 einhalten zu können, braucht Nordrhein- Westfalen daher eine Politik für mehr Wirtschaftswachstum. Wichtigster Wachstumstreiber könnte dabei der Ausbau des Breitbandnetzes sein: Nach Berechnungen des ifo-Instituts steigt die Wirtschaftsleistung eines Landes jedes Mal um bis zu 1,5 Prozentpunkte, wenn 10 Prozent der Haushalte eines Landes an das schnelle Internet von mindestens 50 Mbit/s angeschlossen werden. In Nordrhein-Westfalen sind mehr als 30 % aller Haushalte noch nicht an das schnelle Internet angeschlossen. Ein flächendeckender Breitbandausbau könnte daher in Nordrhein-Westfalen die Wirtschaftsleistung um bis zu 4,5 Prozentpunkte erhöhen, womit die Hälfte der Wachstumslücke auf den Freistaat Bayern geschlossen wäre.

 

Der TÜV Rheinland hat 2013 im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie errechnet, dass für eine Versorgung aller Haushalte in Deutschland mit schnellem Internet Investitionen in Höhe von mindestens 20 Milliarden Euro getätigt werden müssen. Ein großes, in Bonn ansässiges Telekommunikationsunternehmen schätzt den Investitionsbedarf allein für Nordrhein-Westfalen auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag.

 

Eine besondere Herausforderung stellt der Ausbau im ländlichen Raum dar: die hohen Ausbaukosten stehen hier einer geringeren Nutzerzahl gegenüber, was den einzelnen Anschluss im Vergleich zum städtischen Bereich um ein vielfaches verteuert. Nach Berechnungen des TÜV Rheinland entfallen etwa 40 % der Investitionskosten auf gerade einmal 5 Prozent der Haushalte. Entsprechend hoch ist dadurch die Wirtschaftlichkeitslücke im ländlichen Raum.

 

Während der Freistaat Bayern bis zum Jahr 2017 2 Mrd. Euro für den Ausbau des schnellen Internets zur Verfügung stellen will, stellt Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen lediglich 60 Mio. Euro bis 2020 zur Verfügung – zu wenig, um bis zum Jahr 2018 alle Haushalte an das schnelle Netz anzuschließen.

 

Der überwiegende Teil der Fördermittel kommt aus dem „Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“ (ELER). Neben dem ELER hat das Europäische Parlament im Jahr 2013 auch den „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ (EFRE) grundsätzlich für den flächendeckenden Breitbandausbau geöffnet. Nordrhein-Westfalen erhält bis 2020 inklusive Co-Finanzierungsmittel etwa 2,4 Mrd. Euro aus dem EFRE. Könnten nur 10 % der Mittel für den flächendeckenden Breitbandausbau genutzt werden, könnte die bestehende Versorgungslücke deutlich reduziert werden. Leider hat es die rot-grüne Landesregierung versäumt, sich in den Verhandlungen mit der Europäischen Kommission über die Mittelverteilung für eine Nutzung der EFRE-Mittel für den flächendeckenden Breitbandausbau einzusetzen. Eine Förderung des flächendeckenden Breitbandausbaus über den EFRE ist daher heute nicht möglich.

 

Um das Ziel einer flächendeckenden Breitbandversorgung zu erreichen, muss Nordrhein-Westfalen daher andere Wege gehen. So muss beispielsweise dringend die Effizienz des Breitbandförderprogramms der NRW.BANK erhöht werden. Darüber hinaus muss sich Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße für eine deutliche Reduzierung der Ausbaukosten einsetzen.

 

Bis zu 80 % der Ausbaukosten entfallen bislang auf die notwendigen Tiefbauarbeiten. Die Europäische Union hat daher im Mai 2014 die Richtlinie 2014/61/EU über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation verabschiedet. Die sogenannte Kostensenkungsrichtlinie der EU sieht vor allem die Mitnutzung bestehender Infrastruktur, z.B. von Strom- oder Kanalleitungen, für den Breitbandausbau vor. Laut Richtlinie soll die gemeinsame Nutzung bestehender physischer Infrastrukturen (Fernleitungen, Masten, Leitungsrohre, Kontrollkammern, Einstiegsschächte, Verteilerkästen, Gebäude und Gebäudeeingänge, Antennenanlagen, Türme, Pfähle usw.) von Erzeugungs-, Leitungs- oder Verteilungsdiensten für Gas, Strom (einschließlich öffentlicher Beleuchtung), Fernwärme und Wasser (einschließlich Abwasserbehandlung und ?entsorgung sowie Kanalisationssysteme) sowie von Verkehrsdiensten (einschließlich Schienen, Straßen, Häfen und Flughäfen) gefördert werden.

 

So könnten beispielsweise im Kanalnetz vieler Städte und Gemeinden Glasfaserkabel in Leerrohren verlegt werden. Durch die Nutzung der Kanalisation würde ein Großteil der bisherigen Tiefbauarbeiten überflüssig. Insbesondere der Anschluss von Kabelverzweigern an das Glasfasernetz (sogenannte FTTC-Lösungen) könnte über eine Nutzung der bestehenden Kanalisation kostengünstig und auch wesentlich schneller vorangetrieben werden. Darüber hinaus bietet sich in bestimmten Fällen die Möglichkeit, über die Hausanschlüsse der Kanalisation auch Häuser und Wohnungen (sogenannte FTTH/FTTB-Lösungen) unmittelbar an das Glasfasernetz anzuschließen. Durch eine Verlegung des Kabels in Leerrohren im Kanal würde sichergestellt, dass Wartung und Reparatur des so gebauten Glasfasernetzes keinen Einfluss auf den Betrieb der Kanalisation hätte. Denn: Die Funktionsfähigkeit unseres Kanalnetzes muss stets Vorrang haben.

 

Sinnvoll kann auch die Nutzung stillgelegter Infrastruktur sein: Gas-, Wasser- oder Abwasserleitungen, die nicht mehr in Gebrauch stehen, werden in den seltensten Fällen zurückgebaut. Dort, wo es sich anbietet, könnten diese als Leerrohre für den Ausbau des Glasfasernetzes verwendet werden.

 

Synergieeffekte lassen sich auch bei einer Mitverlegung beim Ausbau von Stromnetzen heben. So ist beispielsweise beim Aufbau von Smart Grids ein Hochleistungsbreitbandnetz ein integraler Bestandteil. Allein RWE hat bis Anfang 2014 über seine Tochter RWE Fibernet über 100.000 Haushalte an das schnelle Internet anschließen können – Tendenz weiter steigend.

 

Auch der Anschluss von Straßenlaternen an das Smart Grid könnte für den schnelleren Breitbandausbau genutzt werden – sei es durch eine Mitnutzung bzw. Mitverlegung des notwendigen Glasfaserkabels zur Erschließung von Kabelverzweigern, sei es durch die Nutzung von Straßenlaternen als Träger von LTE-Sendern.

 

Ebenso birgt die Nutzung von Glasfasern, die von Energieversorgern beim Aufbau von Höchstspannungstrassen bereits in den Blitzschutzseilen eingebaut wurden,  große Potentiale vor allem beim Überbrücken langer Distanzen zum Anschluss von entfernten Regionen (sogenannte Backboneanschlüsse).

 

Kosten könnten zudem in erheblichem Umfang durch eine oberirdische Verlegung von Breitbandkabeln eingespart werden. So könnten beispielsweise bestehende Überlandleitungen im Mittel- und Niederspannungsbereich zum Aufbau eines überirdischen Breitbandnetzes genutzt werden. Auch diese Überlandleitungen können insbesondere zum Anschluss von Ortschaften im ländlichen Raum an das Glasfasernetz genutzt werden (Backboneanschlüsse). Darüber hinaus können insbesondere im ländlichen Raum Dachständerleitungen mitbenutzt werden, um Häuser und Wohnungen unmittelbar an das Glasfasernetz anzuschließen. Nach Berechnungen von Telekommunikationsunternehmen könnten die Ausbaukosten hierdurch mehr als halbiert werden.

 

Neben der Hebung von Synergien durch die Mitnutzung bestehender Infrastruktur können auch neue Techniken zu einer erheblichen Kostensenkung beitragen. In den Niederlanden wurde in den letzten Jahren insbesondere die Methode des sogenannten Micro Trenchings angewandt. Dabei wird ein etwa 10 cm breiter und etwa 20 cm tiefer Schlitz in die Bürgersteige, Radwege oder Straßen gefräst, in welchen das Glasfaserkabel verlegt wird. Dies kostet nur einen Bruchteil der bisher üblichen Tiefbaumaßnahmen zur Verlegung der Glasfaserkabel. Eine weitere Methode wäre das sogenannte Mini Trenching: Hier beträgt die Verlegetiefe etwa 30 – 50 cm. Die Methode ist ähnlich kostengünstig wie das Micro Trenching, aufgrund der größeren Verlegetiefe bietet sie jedoch mehr Schutz für das zu verlegende Kabel.

 

Mit Blick auf den wünschenswerten FTTH-Ausbau wäre zudem eine verstärkte Verlegung von Leerrohren in Gebäuden und auf Grundstücken notwendig. Art. 8 der  Kostensenkungsrichtlinie fordert daher von den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, dass alle „am Standort des Endnutzers errichteten Neubauten inklusive zugehöriger Komponenten, die im gemeinsamen Eigentum stehen, für die ab 01.01.2017 eine Baugenehmigung beantragt wird, mit NGA-fähigen gebäudeinternen physischen Infrastrukturen bis zu den Netzabschlusspunkten“ ausgestattet werden.

 

Die Kostensenkungsrichtlinie muss bis Ende 2016 vom Bundestag in nationales Recht umgesetzt werden. Ein erster Referentenentwurf ist für Februar 2015 angekündigt.

 

Der Landtag beschließt:

 

  1. Der Landtag begrüßt die Kostensenkungsrichtlinie der EU und fordert eine zügige Umsetzung durch Bundestag und Bundesrat. Die Umsetzung in nationales Recht ist so zu gestalten, dass ausbauende Unternehmen schnell, unbürokratisch und kostengünstig Zugang zu bestehenden Netzen gewährt wird. Notwendig ist hierfür vor allem eine rechtssichere Klärung des Haftungsrisikos. Gleichzeitig muss gewährleistet werden, dass der originäre Zweck der jeweiligen Netze jederzeit gewährleistet ist und immer Vorrang vor einer Nutzung für die Breitbandversorgung hat.
  2. Der Landtag begrüßt ausdrücklich, dass die Nutzung von Trinkwasserleitungen ausgeschlossen wird. Trinkwasser ist unser kostbarstes Lebensmittel und darf keinen unnötigen Risiken ausgesetzt werden.
  3. Zur verstärkten Mitnutzung bestehender oder nicht mehr genutzter Infrastruktur muss deren Transparenz verbessert werden. Bereits heute sind Infrastrukturinhaber verpflichtet, entsprechende Daten an den Infrastrukturatlas zu melden. Allerdings fehlen Durchsetzungsmöglichkeiten, wenn diese Meldungen unterbleiben. Bei der Umsetzung der Richtlinie sind diese in das Telekommunikationsgesetzes (TKG) einzuführen.
  4. Bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht sind insbesondere die Regelungen des TKG zur grundsätzlichen unterirdischen Verlegung von Telekommunikations- und Breitbandkabeln dahingehend zu überarbeiten, dass auf außerörtlichen Strecken der oberirdische Ausbau zum Regelausbau wird.
  5. Die bisherige Möglichkeit, eine oberirdische Verlegung abzulehnen, weil eine koordinierte Mitverlegung möglich ist, wird in ihrer jetzigen Form abgelehnt  Die bloße Möglichkeit der koordinierten Mitverlegung alleine gewährleistet nicht einen kostengünstigen Ausbau. So kann der beteiligte Versorgungsträger die Mitverlegung beispielsweise durch eine überzogene Kostenbeteiligung verhindern. Der Versagungstatbestand darf nur erhalten bleiben, wenn in das TKG eine verbindliche Regelung eingefügt wird, die eine Mitverlegungspflicht und Mitverlegungsduldung begründet. Hierzu könnte beispielsweise eine zwingende Koordinierungspflicht der Kommunen beitragen.
  6. Sofern für die oberirdische Verlegung von Telekommunikations- und Breitbandkabeln neue Freileitungen gebaut werden müssen, sollen diese möglichst im Sinne einer Infrastrukturbündelung entlang bestehender Infrastrukturtrassen (Straße, Schiene etc.) errichtet werden, um einen weiteren Flächenverbrauch zu verhindern. Die Verdichtung von Versorgungsleitungen muss hier im Fokus stehen.
  7. Ist zur Herstellung einer Backbonetrasse weder eine über- noch unterirdische Verlegung möglich, sollen die Voraussetzungen zum Aufbau einer Richtfunkverbindung geschaffen werden können. Hierzu sollen geeignete öffentliche Gebäude zwingend zur Verfügung stehen.
  8. Die Zulässigkeit von Mini- und Micro-Trenching regelt bereits heute § 68 TKG. Da jedoch nachgeordnete Verordnungen bisher nicht angepasst wurden, ist eine rechtssichere Anwendung der Methoden derzeit nicht möglich. Insbesondere sind nach wie vor die Haftungsfragen für die im Straßenasphalt, in Radwegen oder in Bürgersteigen verlegten Kabel nicht eindeutig geregelt. Hier ist der Gesetz- und Verordnungsgeber aufgefordert, zügig eine Klarstellung herbeizuführen.
  9. Art. 8 der Kostensenkungsrichtlinie sollte so umgesetzt werden, dass neben einer Verpflichtung zum Verlegen von Leerrohren bei Neubauten auch im Rahmen von energetischen Sanierungen Leerrohre mit zu verlegen sind. Dies könnte beispielsweise über die entsprechenden Förderprogramme der KfW geregelt werden.
  10. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich konstruktiv im Rahmen der vorgenannten Forderungen in den Beratungsprozess einzubringen und auf eine zügige Umsetzung der Richtlinie zu drängen.
  11. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ggf. notwendige Änderungen der Landesbauordnung und des Kommunalabgabengesetzes zügig umzusetzen.
  12. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf kommunaler Ebene verstärkt für die ergänzende Umsetzung alternativer Verlegemethoden, insbesondere Kanalverlegung, einzusetzen.
  13. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass in Förderprogramme der NRW.Bank zur Immobiliensanierung die Pflicht zur Leerrohrverlegung mit aufgenommen wird.

 

 

 

Armin Laschet                                                                               

Lutz Lienenkämper                                                                      

Hendrik Wüst

Thorsten Schick

Robert Stein

 

und Fraktion


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