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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode

 

Drucksache  16/7767

 

20.01.2015

 

 

 

 

Antrag

 

der Fraktion der CDU

 

 

 

 

Landesregierung muss Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wagniskapital und Gründer beitreten

 

 

Eine unabhängige Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2013 kommt zu dem Ergebnis, dass die nordrhein-westfälische Wirtschaft seit Jahrzehnten im bundesdeutschen Vergleich unterdurchschnittlich wächst. Die Ergebnisse der Studie werden durch Veröffentlichungen des IW Köln und von IT.NRW bestätigt. Die Wachstumsschwäche der nordrhein-westfälischen Wirtschaft hat negative Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Nach Berechnungen von McKinsey ist beispielsweise die bayrische Wirtschaft seit dem Jahr 2000 mehr als 8 Prozentpunkte stärker gewachsen als die nordrhein-westfälische. Wäre die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen seit 2000 im gleichen Umfang gewachsen wie die Wirtschaft in Bayern, hätten wir heute jährlich 3,2 Mrd. Euro Steuermehreinnahmen und 300.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Nordrhein-Westfalen hätte in diesem Fall bereits 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und ab 2015 seine Schulden tilgen können. Stattdessen verschuldet sich das Land immer weiter. Nordrhein-Westfalen braucht endlich eine Politik für mehr Wirtschaftswachstum.

 

Ein entscheidender Wachstumstreiber der kommenden Jahre wird die Digitalisierung sein. Nach Berechnungen des IW Köln führt ein um 10 Prozentpunkte höherer Digitalisierungsindex zu einem Pro-Kopf-Wachstum von 0,76 Prozentpunkten. Aktuell liegt der Digitalisierungsindex in Nordrhein-Westfalen bei unter 70 % - entsprechend hoch ist das Wachstumspotential in unserem Land.

 

Bestandteil einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie muss die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für StartUps sein. Problematisch für Gründer ist nach wie vor besonders die Finanzierung in der Startphase. Wenn Deutschland im internationalen Vergleich nicht weiter abgehängt werden will, müssen wir neue Wege zur Finanzierung von StartUps eröffnen. Auf Initiative des Freistaats Bayern beschäftigt sich aktuell der Bundesrat mit der Verbesserung von StartUp-Finanzierung. Die bayrische Staatsregierung hat am 02. Dezember 2014 folgende Entschließung (DS 588/14) in den Bundesrat eingebracht:

 

„Der Bundesrat möge beschließen:

 

1.         Existenzgründungen und junge Unternehmen mit innovativen Dienstleistungen und Produkten treiben den Fortschritt voran und schaffen Arbeitsplätze. Sie sind zentrales Bindeglied zwischen Innovationen und Wirtschaftswachstum und daher mit ausschlaggebend für die zukünftige Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Durch die Umsetzung neuer Ideen in marktfähige Produkte tragen sie zu Wohlstand und Beschäftigung bei.

 

2.         Zu den Herausforderungen bei Unternehmensgründungen gehört die Deckung des Kapitalbedarfs insbesondere in der Frühphase. Die Expertenkommission Forschung und Innovation beschreibt diesen Faktor „als zentrales Gründungs- und Wachstumshemmnis“ (vgl. Jahresgutachten 2012), zumal der Finanzierungsbedarf bei Start-ups im Bereich der Hochtechnologien oder Life Science durchaus bei mehreren Millionen Euro liegen kann. Die Aufnahme von Fremdkapital in Form von Bankkrediten stößt dabei regelmäßig auf große Schwierigkeiten, da einerseits die Erfolgsaussichten der Start-ups von den Banken nicht zuverlässig bewertet werden können, andererseits die Unternehmen über nur wenig Sicherheiten verfügen. Eine Alternative eröffnet die Finanzierung über Wagniskapital, das jedoch in Deutschland nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Eine Angebotslücke besteht insbesondere bei Frühphasenfinanzierungen. In den letzten Jahren scheinen Start-ups aber auch zunehmend auf Probleme zu stoßen, Wachstumsfinanzierungen zu erhalten.

 

3.         Der Bundesrat begrüßt daher das Bekenntnis der Großen Koalition, Wagniskapital weiterhin mit Investitionszuschüssen fördern zu wollen. Er fordert die Bundesregierung vor diesem Hintergrund auf, auf der Basis einer eingehenden Marktanalyse durch zielgenaue steuerliche Maßnahmen das Wagniskapitalangebot in den identifizierten Problembereichen zu verbessern.

 

4.         Hierzu gehört die Schaffung einer steuerwirksamen Sofortabschreibungsmöglichkeit bei Erwerb von Anteilen an begünstigten Start-ups, unter anderem durch Privatpersonen via Wagniskapitalfonds. Durch die Steuerersparnis würden nicht nur Finanzierungseffekte freigesetzt, auch das finanzielle Risiko, das der Investor selbst zu tragen hat, würde sich letztlich verringern. Im Erfolgsfall würde durch eine entsprechende Besteuerung des Veräußerungsgewinns der abschreibungsbedingte Steuerverzicht des Fiskus wieder kompensiert.

 

5.         Der Bundesrat betont, dass die steuerliche Behandlung der Gewinne bei Beteiligungsveräußerungen einen wichtigen Bestimmungsfaktor für die Attraktivität der Rahmenbedingungen für Wagniskapital darstellt. Die bestehende Steuerfreistellung dieser Gewinne im Körperschaftsteuerrecht ist dabei zweifellos eine Stärke des Wagniskapitalstandortes Deutschland, die nicht zur Disposition gestellt werden sollte. Vor diesem Hintergrund darf die von der Bundesregierung angestrebte Überprüfung der steuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen bei Streubesitz zu keiner Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Wagniskapitalinvestitionen führen.

 

6.         Aus Sicht des Bundesrates ist es darüber hinaus problematisch, wenn der Einstieg eines neuen Investors den Fortbestand von Verlustvorträgen bei Start-ups gefährdet. Seit der Unternehmenssteuerreform 2008 führen wesentliche Veränderungen in der Beteiligtenstruktur – d.h. Anteilübertragungen von mehr als 25 Prozent auf einen Erwerber innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums – zu Beschränkungen beim Verlustabzug. In diesen Fällen entstehen Ertragsteuern, obwohl in einer periodenübergreifenden Betrachtung noch kein Gewinn erwirtschaftet wurde. Folglich erhöht sich an der Schwelle zur Profitabilität der Kapitalbedarf für Start-ups. Von der Abzugsbeschränkung ausgenommen sind lediglich Verlustvorträge, denen stille Reserven im Unternehmen gegenüberstehen. Da diese Regelung eine Bewertung der stillen Reserven erfordert, ist sie gerade bei Start-ups mit hohen Risiken behaftet und damit nur bedingt praxistauglich. Insoweit appelliert der Bundesrat an die Bundesregierung, durch eine generelle Ausnahme von der Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften mehr Planungssicherheit für Start-ups zu gewährleisten.

 

7.         Auch die Mindestbesteuerung hemmt potenziell die Bereitschaft von Wagniskapitalgebern, in deutsche technologiebasierte Unternehmensgründungen zu investieren. Die Mindestbesteuerung führt zu einer Streckung des Verlustabzugs, indem Verluste mit Gewinnen oberhalb 1 Million Euro nur zu 60 Prozent verrechnet werden können. Gerade beim Wechsel von einer Verlust? in eine Gewinnphase wirkt sich die Mindestbesteuerung für Unternehmen nachteilig aus. Es kann bereits eine Ertragsteuerbelastung eintreten, obwohl in der Totalbetrachtung seit Verlusteintritt noch kein Gewinn entstanden ist. Dadurch wird den Unternehmen Kapital entzogen, das für Investitionen nicht mehr zur Verfügung steht. Gerade junge Unternehmen sowie Branchen mit hohen Anfangsverlusten leiden unter der begrenzten Verlustverrechenbarkeit. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher zu prüfen, ob – unter Berücksichtigung des geltenden EU-Rechts – Ausnahmen von der Mindestbesteuerung für junge Unternehmen möglich sind.

 

8.         Institutionelle Anleger in Deutschland halten sich bei Investitionen in alternative Anlagen, insbesondere bei Anlagen in deutsche Wagniskapitalfonds, auffallend zurück. Zugleich stehen Versicherungen und Pensionskassen heute vor dem Problem, dass relativ sichere Anlagen kaum Erträge generieren. Die Folge ist, dass praktisch alle institutionellen Investoren vermehrt in aufsichtsrechtlich vermeintlich sichere Anlagen (Staatsanleihen) und in relativ sichere Anlagen mit regelmäßigen Rückflüssen (Infrastrukturprojekte) investieren wollen. Allerdings können nach Auffassung des Bundesrates regelmäßige Investitionen in Wagniskapitalfonds eine sinnvolle Portfoliobeimischung darstellen; zugleich ist die Versicherungsbranche aus Wagniskapitalsicht eine bedeutende Anlegergruppe. Vor diesem Hintergrund hält es der Bundesrat für geboten, die EU-rechtlich zulässigen Spielräume betreffend die Anlagemöglichkeiten institutioneller Investoren in alternative Anlagen, insbesondere in Wagniskapital, zu erhalten. Dies sollte die Bundesregierung u.a. im Zuge der Ausgestaltung und Umsetzung der SolvencyII-Richtlinie und bei der Anpassung der Anlageverordnung für Versicherungen (AnlV) an das KAGB beachten.

 

9.         Gesamtwirtschaftlich wäre es nach Auffassung des Bundesrates wünschenswert, wenn ein risikoadäquater Anteil des Anlagevolumens großer Kapitalsammelstellen für die Finanzierung innovativer Start-ups im Inland zur Verfügung stünde, damit einer Stärkung des Wagniskapitalmarktes eine Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums(-potenzials) verbunden wäre. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, neben den unter Ziff. 8 genannten Punkten, eine bundesweite Garantiefazilität zur Teilübernahme des Verlustrisikos institutioneller Investoren bei Anlagen in VC-Fonds zu initiieren: Indem institutionellen Investoren ein Teil des Verlustrisikos abgenommen wird, verbessert sich ihr Rendite-Risikoprofil aus Anlagen in VC-Fonds, was ihre Investitionsbereitschaft erhöht.

 

10.      Der Bundesrat bittet die Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass die KfW in Zukunft wieder als Ankerinvestor für deutsche Wagniskapitalfonds zur Verfügung steht. Dies würde deutschen Wagniskapitalgesellschaften auch die internationale Kapitalakquise wieder erleichtern. Der Rückzug der KfW aus der Finanzierung deutscher Wagniskapitalfonds im Jahr 2007 hatte mittelbar und unmittelbar negative Auswirkungen auf das Fundraising deutscher VC-Gesellschaften: Mittelbar aufgrund der damit verbundenen Signalwirkung, insbesondere für potenzielle Investoren aus dem Ausland, und unmittelbar aufgrund des Wegfalls der KfW als Kapitalgeber. Der Europäische Investitionsfonds (EIF) füllt diese Lücke nur zum Teil.“

 

Der Landtag beschließt:

 

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen begrüßt die Initiative des Freistaats Bayern zur Verbesserung der StartUp-Finanzierung ausdrücklich. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, der Entschließung des Freistaats Bayern im Bundesrat beizutreten und sich für eine Umsetzung der Vorschläge einzusetzen.

 

 

Armin Laschet                                                                               

Lutz Lienenkämper                                                                      

Hendrik Wüst

Thorsten Schick

Robert Stein

 

und Fraktion                                                                      


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